Читать книгу Was du niemals tun solltest, wenn du unsichtbar bist - Ross Welford - Страница 18

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Ein Pfleger schob Uroma im Rollstuhl aus dem Zimmer, Granny tippelte hinterher und ich blieb allein zurück, schaute hinaus aufs Meer.

Etwas fehlte. Genauer gesagt: Jemand fehlte.

Meine Mutter. Sie hätte dabei sein sollen. Es gab vier Generationen von Frauen in der Familie und eine – meine Mutter – wurde allmählich vergessen.

An wie viel erinnert man sich aus der frühen Kindheit? Sagen wir mal, vor dem Alter von vier.

Granny meint, sie erinnert sich an kaum was.

Ich glaube, es ist so: Das Gedächtnis ist wie ein großes Fass, das immer voller wird. In Grannys Alter ist es dann ziemlich voll, da muss man Teile davon loswerden, um Raum zu schaffen, und am leichtesten wird man das los, was am ältesten ist.

Diese frühen Erinnerungen sind alles, was mir von Mum geblieben ist. Und ein paar Erinnerungsstücke in einem Schuhkarton mit Deckel.

Das Hauptstück ist ein T-Shirt. Das sehe ich als Erstes, wenn ich den Karton öffne, denn es ist der größte Gegenstand. Ein einfaches schwarzes T-Shirt. Es hat Mum gehört und riecht nach ihr. Immer noch.

Der Karton steht meist auf meinem Regal. Wenn ich den Deckel anhebe, das T-Shirt herausnehme und meine Nase hineinstecke, dann versuche ich, mich an Mum zu erinnern, ohne traurig zu werden.

Der Geruch ist nur noch sehr schwach, genau wie die Erinnerungen. Es riecht nach Parfum und Waschmittel und Schweiß, sauberer Schweiß – nicht der käsige Schweiß, der Elliot Boyd nachgesagt wird. Es ist der Geruch eines Menschen. Meines Menschen, meiner Mum. Am stärksten ist er unter den Ärmeln, klingt ein bisschen fies, ist es aber nicht. Eines Tages wird der Geruch ganz verschwunden sein. Davor habe ich ein wenig Angst.

Im Karton liegt auch eine Geburtstagskarte für mich; den Spruch kenne ich auswendig:

Meinem kleinen süßen Spatz

alles Gute zum Geburtstag!

Einen dicken runden Schmatz,

Glück und Freude Tag für Tag

Und darunter steht in schöner runder Schrift: Für meine Boo, einen wunderschönen ersten Geburtstag wünscht Dir Mummy

Boo war Mums Kosename für mich. Granny will ihn nicht benutzen, weil er nur was zwischen mir und Mum war, das finde ich cool. Als hätten Mum und ich ein Geheimnis, etwas, das nur wir beide teilen.

Das Schöne an der Karte ist, dass sie auch etwas von dem Geruch angenommen hat, sodass sie nach Papier und nach Mum riecht.

Das alles ging mir in dem Augenblick durch den Kopf, als Granny wieder in Uromas Zimmer kam und mich aus meinen Gedanken riss.

»Kommst du, Esther, oder willst du lieber deinen Tagträumen nachhängen? Was machst du denn für ein Gesicht? Wir feiern doch!«

Ich werde die Party schnell abhaken, denn so aufregend war sie nicht, wie auch nicht anders zu erwarten … mal abgesehen davon, dass am Ende noch etwas Seltsames geschah.

Was du niemals tun solltest, wenn du unsichtbar bist

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