Читать книгу Seewölfe Paket 20 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 24

8.

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Bereits einen Tag vor der Vernichtung der Piratenbande erreichte Caligula auf der erbeuteten Schaluppe den bisherigen Schlupfwinkel der Black Queen.

Es war Vormittag, als der kleine Einmaster mit raumem Wind in die Bucht einlief. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, die Hitze bedeckte die gleißende Wasserfläche mit einem dunstigen Schleier.

Caligula, immer noch mit Handketten versehen, stand breitbeinig in der Schaluppe und blickte sich suchend um. Sein wildwuchernder schwarzer Bart verlieh ihm ein groteskes Aussehen.

Immer wieder ließ er seine Blicke über die Bucht schweifen, doch gleich, welche Richtung er in Augenschein nahm – nirgends war die „Caribian Queen“ zu sehen.

Verdammt, er hatte sich doch nicht in der Bucht geirrt? Genau hier, im Schutze dieser Insel, hatte das Schiff vor Anker gelegen, und zwar seit einigen Monaten. Jetzt aber war es verschwunden – einfach weg. Bei allen Göttern und Teufeln, so was gab es doch gar nicht! Hatte die Black Queen vielleicht einen anderen Schlupfwinkel gewählt? Wenn ja – warum?

Der Gedanke war dem herkulischen Neger unvorstellbar. Sie wußte doch, daß er hierher zurückkehren würde. Demnach konnte sie doch nicht einfach verschwinden. Caligula war regelrecht verwirrt, weil er sich keinen Reim auf die leere Bucht bilden konnte.

Während er weiter in den Schlupfwinkel hineinsegelte, begann er fürchterlich zu fluchen. Da war es ihm unter größten Anstrengungen gelungen, den Häschern des fetten Gouverneurs in Havanna zu entwischen und sich unter großen Schwierigkeiten und Gefahren bis zum Schlupfwinkel durchzuschlagen, und jetzt war da niemand. Es sah aus, als habe sich der riesige Zweidecker in Luft aufgelöst.

Wo sollte er jetzt suchen? Das Gebiet der Islas de Mangles war groß und die vielen Inseln hatten zahlreiche versteckte Buchten aufzuweisen. Hatte es vielleicht Ärger gegeben, so daß die Queen deshalb gezwungen war, ein anderes Versteck anzulaufen? Warum aber hatte sie dann nicht an ihn gedacht? Sollte er den neuen Ankerplatz der „Caribian Queen“ vielleicht riechen?

Während er noch fieberhaft überlegte, was in dieser verzwickten Situation am besten zu tun sei, vernahm er plötzlich schwache Rufe, die der Wind über das Wasser trug. Wie von einem Skorpion gestochen fuhr er herum und blickte in die Richtung, aus der die Laute erklungen waren.

Jetzt sah er auch, wer die Rufe ausgestoßen hatte.

Vier schwarze Gestalten rannten brüllend am Ufer entlang und winkten verzweifelt zu ihm herüber.

Caligula riß sofort das Ruder herum und steuerte hart nach Backbord. In gewissem Sinne fiel ihm ein Stein vom Herzen. Die Kerle, die da drüben winkten, gehörten bestimmt zur Besatzung des Zweideckers, auch wenn er das bis jetzt noch nicht genau feststellen konnte. Offenbar hatte die Queen sie hier zurückgelassen, damit sie ihn bei seinem Eintreffen über das neue Versteck unterrichten konnten. Also hatte sie doch an ihn gedacht. Das wäre ja auch noch schöner gewesen!

Zügig rauschte die Schaluppe durch das kabbelige Wasser und hielt auf das Ufer der Insel zu. Bald konnte Caligula die Kerle deutlich erkennen, die sogar ein Stück ins seichte Wasser gewatet waren. Sie winkten immer noch, als befürchteten sie, die Schaluppe könne plötzlich wieder verschwinden.

Caligula beobachtete das mit kritischem Blick. Verdammt, das sah ganz danach aus, als sei etwas passiert. Warum sonst gebärdeten sich die vier Kerle so wild? Nach seiner Landung fauchte er sie sofort an.

„Was ist los? Redet schon! Warum benehmt ihr euch wie ein paar Verrückte?“

Limba und seine drei Kumpane, die von Casco und den anderen Meuterern ins Wasser geworfen worden waren, redeten alle gleichzeitig.

„Meuterei!“ schrie einer. „Die Schweine sind mit dem Schiff abgehauen!“ ein anderer.

Erst nach einer heftigen Geste Caligulas beruhigten sich die Kerle, und Limba berichtete in kurzen Worten, was nach seinem, Caligulas, Weggang von der „Caribian Queen“ geschehen war.

„Auch die Black Queen ist hier“, fügte er hinzu. „Wir haben dort hinten zwischen den Palmen eine Notunterkunft für sie errichtet, denn sie ist ja noch nicht wieder richtig auf den Beinen.“

Caligula ließ einen ellenlangen Fluch vom Stapel. Hatte er überhaupt richtig gehört? Meuterei? Und dieser verdammte Casco war mit fast der gesamten Mannschaft und dem Schiff verschwunden?

Für einen Augenblick glaubte Caligula, wahnsinnig zu werden. Ohne jeden Grund, wie aus einer reflexartigen Bewegung heraus, verpaßte er einem der Kerle, der am leichtesten zu erreichen war, einen Fausthieb, der ihn rücklings in den Sand schleuderte. Dann sank er fluchend auf die Knie und trommelte mit beiden Fäusten unaufhörlich in den Ufersand. Die Kette zwischen seinen Händen klirrte und schepperte. Er tobte, fluchte und brüllte wie ein wundes Tier.

Nach einer Weile beruhigte er sich wieder und erhob sich. Die vier Kerle hielten sich in gebührendem Abstand von ihm auf. Schließlich wußten sie, wie unberechenbar er war.

Das Gesicht Caligulas glich einer steinernen Maske. Er folgte den vier Piraten wortlos zu einer Palmengruppe, hinter der sich üppiges Grün über die Insel hinzog. Der starre Ausdruck in seinem Gesicht löste sich erst, als er die Stimme der Black Queen vernahm. Sie hockte, halb liegend, in einer Nothütte, die die vier Männer mit ein paar Ästen und Palmblättern errichtet hatten, und sah ihn böse an.

„Hättest du nicht früher zurückkehren können?“ keifte sie. „Weiß der Teufel, wo du dich herumgetrieben hast. Sicherlich hast du sämtliche Hurenhäuser von Havanna abgeklappert, statt deinen Auftrag auszuführen und auf schnellstem Weg zum Schiff zurückzukehren. Jetzt stecken wir bis obenhin im Dreck.“

Caligula platzte erneut der Kragen. Er blieb vor der Queen stehen und riß die Arme hoch.

„Hier, sieh dir diese Kette an! Werden einem diese Dinger vielleicht in den Hurenhäusern angelegt?“

Die Queen starrte mit zusammengekniffenen Lippen auf seine Handgelenke.

„Was hat das zu bedeuten?“

Caligula hieb wild mit der Kette durch die Luft.

„Das bedeutet, daß man mich gefangengenommen hat!“ brüllte er. „Es war schon ein Kunststück, überhaupt wieder in diese Bucht zu gelangen, nachdem man mich in Havanna in den Kerker geworfen und gefoltert hatte. Wäre mir die Flucht nicht gelungen, würde ich jetzt noch im Verlies des Gouverneurs hocken und mich von den Ratten benagen lassen.“

Er berichtete mit erregter Stimme von dem, was in Havanna geschehen war. Die unliebsamen Dinge, wie zum Beispiel seine Geschwätzigkeit den Freudenmädchen gegenüber, verschwieg er wohlweislich.

Doch die sonst so intelligente und raffinierte Piratin brachte nur wenig Verständnis für die Ereignisse in Havanna auf. Ihre Gedanken kreisten im Augenblick nur um ihre ausweglose Lage.

„Was soll jetzt aus uns werden?“ geiferte sie zornig. „Wir hocken als arme Leute auf dieser beschissenen Insel und wissen nicht, was uns der morgige Tag bringen wird. Eins schwöre ich dir, Caligula: Sobald ich wieder gesund bin, werde ich diesen verdammten Hurensohn namens Casco jagen bis zum Ende der Welt. Und von dir erwarte ich das gleiche. Er wird bitter bezahlen für jede Minute, die ich auf dieser Insel verbracht habe.“

Darin pflichtete ihr Caligula lebhaft bei.

Dennoch war die Lage mehr als trostlos für das einst so erfolgreiche Gespann. Sie hatten – das mußten sie sich eingestehen – eine totale Niederlage erlitten. Der Traum von der Eroberung der Karibik war ausgeträumt, und zwar restlos. Sie standen vor einem völlig ungewissen Neuanfang. Die bisher so reiche Beute war weg, der Zweidecker war weg, und damit waren sie so arm wie die ärmsten Bettler. Hauptsächlich das war es auch, was sie nahezu um den Verstand brachte.

Caligula war nur noch ein entlaufener Sträfling, denn er hatte noch immer die Kette zwischen den Handgelenken, und die Queen war siech und schwach. Die einst so stolze Piratin, vor der jedermann gekuscht hatte, war nur noch ein gereiztes, keifendes und kränkliches Weib.

Die Stunden vergingen. Caligula, die Black Queen sowie Limba und die drei anderen Kerle hockten während der heißen Mittags- und Nachmittagsstunden im Schatten der Palmen und brüteten die meiste Zeit dumpf vor sich hin. Erst gegen Abend hatte sich Caligula zu einem Entschluß durchgerungen.

„Auf jeden Fall können wir nicht auf dieser Insel bleiben“, sagte er. „Hier gehen wir langsam vor die Hunde. Außerdem weiß man nicht, was Casco und den anderen Hurensöhnen noch einfällt. Ich halte sie sogar für imstande, dem Seewolf einen Tip zu geben, damit er weiß, wo er uns finden kann. Auf diese Weise hätte uns Casco rasch vom Hals.“

„Du hast recht“, bestätigte die Queen. Ihre Stimme klang wieder ruhiger und besonnener. „Der Boden ist hier zu heiß für uns. Auch wenn wir noch nicht wissen, wie es weitergehen soll, müssen wir zunächst von hier verschwinden.“

Die Schlußfolgerung, die Caligula geäußert hatte, klang zwar logisch, aber tatsächlich hatte er ganz andere Gründe für seinen Vorschlag. Er erinnerte sich nämlich dunkel daran, daß er bei den Huren in Havanna großspurig herumposaunt hatte, wo „sein“ Schiff zu finden wäre. Da brauchte nur eine ihr Wissen beim Gouverneur oder seiner Hofclique gegen blanke Münzen einzutauschen, und schon würde eine ganze Armada aufbrechen, um ihn zu schnappen.

Das war der Grund dafür, daß Caligula es plötzlich sehr eilig hatte, von den Islas de Mangles zu verschwinden.

Sofort scheuchte er die vier Männer hoch. Die Schaluppe wurde eilig ausgerüstet. Der Proviant bestand ausschließlich aus Kokosnüssen und Früchten, die man auf der Insel gefunden hatte. Etwas Trinkwasser hatten die vier Männer, die der Black Queen treugeblieben waren, notdürftig in leere Kokosnüsse gefüllt.

Am Schluß wurde die schwarze Piratin in die Schaluppe verfrachtet, und kurz vor Einbruch der Abenddämmerung segelte der Einmaster aus der Bucht.

„Wohin geht die Fahrt?“ fragte Limba zaghaft.

„Nach Süden“, erwiderte Caligula kurz angebunden. Mehr wußte er im Augenblick selber noch nicht.

Seewölfe Paket 20

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