Читать книгу Seewölfe Paket 20 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 35

8.

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Es war ein Klang wie von Hammerschlägen gegen einen großen gußeisernen Kessel. Unablässig dröhnte es mit nicht endendem Nachhall, und jeder dieser Schläge wurde von einem stechenden Schmerz begleitet.

Der alte O’Flynn brauchte eine Weile, bis er begriff, daß dies die Begleitumstände seines Erwachens waren.

Mit unendlicher Mühe gelang es ihm, die Augenlider zu öffnen. Doch nichts änderte sich. Nach wie vor war er von schwärzester Finsternis umgeben. Nur das Dröhnen in seinem Schädel ließ ein wenig nach, wenn auch die Schmerzen unverändert blieben.

Schlagartig setzte seine Erinnerung wieder ein.

Die verfluchten Kerle, die die „Empress“ gekapert hatten. Sein vergeblicher Versuch, das Schiff zu verteidigen. Das Hohngelächter der Hundesöhne, als sie ihn mit den Riemenblättern niedergeknüppelt hatten. Alles zusammen reichte, um kochende Wut in ihm aufsteigen zu lassen.

Er verspürte den Geruch von Tauwerk. Also hatten sie ihn ins Kabelgatt gesperrt. Daher auch die Dunkelheit. Alles wurde nach und nach erklärlich. Nur die Frage nicht, wie es den Mistkerlen gelungen war, ihn zu überrumpeln. Er war versucht, sich selbst in den Hintern zu treten, wenn das nur möglich gewesen wäre.

Erst in diesem Moment wurde ihm bewußt, daß er sich nicht rühren konnte.

Sie hatten ihn gefesselt.

Eine neue Woge der Wut brandete durch sein eben erwachtes Bewußtsein. Er lag auf der Seite. Vergeblich zerrte er an den Stricken, die seine Handgelenke umschlossen. Sie hatten ihm die Arme auf den Rücken gebunden, und sie hatten ganze Arbeit geleistet. Auch sein gesundes linkes Bein und die Prothese hatten sie zusammengeschnürt.

Nur einen Knebel hatten sie ihm nicht in den Mund gestopft. Old Donegal war versucht, ein erbittertes Lachen auszustoßen. Darauf, ihn zum Schweigen zu bringen, konnten sie sehr wohl verzichten. Erstens würde ihn kaum jemand hören, wenn er im Kabelgatt Gebrüll anstimmte. Und zweitens hatten sie ohnehin alle Vorteile auf ihrer Seite.

Denn selbst wenn Arkana und die anderen irgendwann mit ihrer Suche fertig waren und am Ufer auftauchten, würden sie doch herzlich wenig ausrichten. Old Donegal verfluchte sich selbst dafür, daß er sämtliche Drehbassen geladen hatte. Arkana und die fünf Männer waren dagegen mit ihren Pistolen hoffnungslos unterbewaffnet.

Unvermittelt waren Stimmen zu hören.

Minutenlang horchte der alte O’Flynn auf den rauhen Wortwechsel, der sich mehr und mehr zum Gebrüll steigerte. Er hörte heraus, daß sie sich darüber stritten, wer zur Schaluppe hinüberpullen sollte.

Aber ein anderer Umstand war von entscheidender Bedeutung: Die Halunken befanden sich achtern. Also war er vorerst ungestört. Und wenn sie wirklich die Idee hatten, sich auf das Vorschiff zu begeben, dann würde er durch ihre Schritte rechtzeitig gewarnt werden.

Er atmete tief durch. Dann schob er sich behutsam rückwärts über die Planken, indem er sich abwechselnd krümmte und wieder streckte. Als er mit dem Kopf gegen eine Taurolle stieß, hielt er inne. Der schwierigere Teil der Arbeit begann.

Erneut verstärkte sich das Dröhnen und Stechen in seinem Schädel, denn die Kraftanstrengung, mit der er sich jetzt an der Taurolle hochschob, war fast zuviel. Einen Moment hatte er das Gefühl, wieder das Bewußtsein zu verlieren. Feurige Ringe begannen vor seinen Augen zu tanzen, und die aufwallende Schwärze war tiefer und intensiver als die Dunkelheit des Kabelgatts.

Aber er bezwang die drohende Ohnmacht. Und er schaffte es, sich an der Kabelrolle halb aufzurichten, so daß er sich im Sitzen krümmen konnte.

Natürlich hatten ihm die Strolche den Cutlass abgenommen. Aber zu mehr waren sie mit ihrem beschränkten Verstand gottlob nicht fähig gewesen. Denn daran, daß es die Beinprothese des alten O’Flynn im wahrsten Sinne des Wortes in sich hatte, hatten sie nicht gedacht. Bei oberflächlichem Betrachten war dies ohnehin nicht zu erkennen. Man mußte schon sehr genau hinsehen, um das Geheimfach zu entdecken, das in den Schaft der Prothese eingearbeitet war.

Ferris Tucker hatte dieses Meisterwerk vollbracht, und Old Donegal hätte ihn in diesem Augenblick wieder einmal dafür umarmen können.

So weit es nur ging, zog er das gesunde Bein und die daran festgeschnürte Prothese an die Oberschenkel heran. Zum Glück konnte er die Finger bewegen, und er hatte einen Freudenschrei ausstoßen mögen, als er den Schaft der Prothese mit den Fingerspitzen ertastete.

Jetzt war es fast ein Kinderspiel, die Einkerbung zu finden und die Abdeckung des Geheimfachs herauszuheben. Als das lange Holzstück sich löste, hielt er es sorgsam fest und ließ es sacht zu Boden gleiten. Er hatte nicht vor, die Kerle durch ein unbeabsichtigtes Geräusch zu alarmieren.

Die schwierigere Aufgabe stand jedoch noch bevor.

Bevor er sich mit den Handfesseln befassen konnte, brauchte er etwas mehr Beweglichkeit. Deshalb packte er das Stilett, das in dem Hohlraum verborgen war, mit den Fingern. Es gelang ihm, die rasiermesserscharfe Klinge an die Seilwindungen der Fußfesseln heranzubringen. Wenige Schnitte mit leichtem Druck genügten, und die Fesseln fielen ab.

Aufatmend streckte Old Donegal das linke Bein aus.

Ohne viel Zeit zu verlieren, ließ er sich von der Taurolle auf die Planken gleiten und legte sich auf die Seite. Behutsam drehte er den Messergriff in den Fingern, bis die lange Klinge nach oben zeigte. Es geriet zu einem schweißtreibenden Bemühen, den scharfen Stahl zwischen den Handgelenken unter die Fesseln zu schieben. Und es ließ sich auch nicht vermeiden, daß er seine Haut dabei an mehreren Stellen ankratzte.

Er biß die Zähne zusammen und begann, die Klinge auf und ab zu bewegen. Naturgemäß konnte er hierbei viel weniger Druck anwenden als bei den Fußfesseln, und so dauerte es entsprechend länger. Dann jedoch, nach endlosen Minuten, spürte er, wie die erste Hanffaser zerplatzte. Weitere folgten, und schließlich ging es Schlag auf Schlag. Prickelnd und stechend setzte seine Blutzirkulation wieder ein, als die zertrennten Stricke wegfielen.

Old Donegal atmete tief durch und richtete sich halb auf. Als erstes verstaute er das Stilett wieder im Hohlraum, den er mit der Holzabdeckung verschloß. Dann horchte er.

Die Kerle befanden sich noch immer auf dem Achterdeck, hatten ihr Palaver aber beileibe noch nicht abgeschlossen.

„So eine verdammte Schufterei!“ rief einer. „Ausgerechnet jetzt, bei diesem Sturm. Können wir nicht wenigstens warten, bis das Wetter sich beruhigt hat?“

„Faule Ausreden“, entgegnete der Sargento Wütend. „Die Schaluppe wird abgewrackt und damit basta. Sturm oder nicht Sturm, ich will, daß wir so schnell wie möglich seeklar sind. Ich habe nämlich das Gefühl, daß hier noch einiges im Busch ist.“

Worauf du dich verlassen kannst, dachte Old Donegal und grinste sich eins. Er bemerkte jetzt, daß ein dünner Lichtstreifen durch das Schott zum Mitteldeck hereinfiel. Anscheinend war das Schott nur angelehnt. Einen größeren Gefallen hatten ihm die Strolche nicht tun können.

„Was meinst du denn damit?“ erkundigte sich einer der Kerle in einfältigem Tonfall.

Die Halunken waren faul wie die Sünde, folgerte Old Donegal. Sie taten alles nur Erdenkliche, um ihren Anführer im Gespräch hinzuhalten – alles, um die Arbeit an Bord des zerrupften Einmasters so lange wie möglich hinauszuschieben.

„Ja, seid ihr denn von gestern?“ rief der Sargento dröhnend. „Glaubt ihr im Ernst, daß der alte Knacker dieses hübsche Schiffchen allein führt? Seine Leute müssen an Land sein. Egal, was sie da treiben, wir können nur hoffen, daß der Sturm abflaut, bevor sie zurück sind.“

„Die schießen wir doch in Stücke“, sagte einer der Kerle im Brustton der Überzeugung. „Mit all den Drehbassen haben wir hier eine richtige kleine Festung.“

Leider wahr, dachte Old Donegal grimmig. Er hörte nicht weiter hin, richtete sich vorsichtig ganz auf und tastete sich geräuschlos durch die Enge des Kabelgatts. Zum Glück hatten sich die Galgenstricke nicht die Mühe bereitet, genauer nach dem Rechten zu sehen. Daher wußten sie auch nicht, daß das Kabelgatt gleichzeitig als Reserve-Waffenkammer diente.

In einer Ecke, hinter Taurollen verborgen, stieß er tastend auf die Halterung mit den Musketen und anderen Langwaffen. Er entschied sich für einen Blunderbuss, den er vorsichtig aus der Arretierung löste. Schwarzpulver und gehacktes Blei füllte er behutsam in den trichterförmigen Lauf und benutzte den schweren Ladestock, um die Ladung zu sichern. Mit Daumen und Zeigefinger überzeugte er sich, daß das Steinschloß in Ordnung war. Der Flint war bombenfest in den Hahn gespannt, der Reibstahl knochentrocken, wie es für einen einwandfreien Zündvorgang unerläßlich war.

Mit der geladenen Waffe schlich Old Donegal zum angelehnten Schott. Das Palaver der Kerle tönte noch immer über das Mitteldeck. Eine beruhigende Tatsache. Solange sie nichts unternehmen, arbeitete die Zeit gegen sie. Denn irgendwann mußten ja auch Arkana, Batuti und die anderen mit der Wurzelsuche fertig sein. Wahrscheinlich, so überlegte der alte O’Flynn, hatten sie aber auch den Drehbassenschuß gehört, wenn sie nicht ganz taub waren. Er spürte es an einem deutlichen Kribbeln in seinem Holzbein, daß sich die Dinge sehr bald entscheidend ändern würden.

Er erreichte das Schott, verharrte und horchte angestrengt. Geduld war jetzt am Platze.

Nach etlichen Minuten gelangten die Halunken endlich zu einer Einigung. Der Sargento konnte sich durchsetzen. Zwei von ihnen erhielten Order, zur Schaluppe hinüberzupullen und zunächst ihre Habseligkeiten zu holen. Danach sollten sie Verstärkung erhalten, damit auch Leinen, Trossen, Segeltuch und andere Ausrüstung geborgen werden konnten. Zum Schluß sollte die Schaluppe angebohrt und auf Grund gesetzt werden.

Die Deserteure waren bestrebt, ihre Spuren zu verwischen.

Old Donegal packte den Blunderbuss fest mit beiden Fäusten. Den Geräuschen nach begaben sich die beiden Spanier jetzt ins Beiboot. Nur noch drei befanden sich folglich an Bord der „Empress“.

Wenn sie günstig auf dem Achterdeck standen, war es keine Schwierigkeit, sie mit dem Blunderbuss abzuräumen.

Harte Furchen bildeten sich in Old O’Flynns Mundwinkeln. Er war entschlossen, sein Schiff zurückzuerobern. Diesen Bastarden sollte es nicht gelingen, sich die „Empress of Sea“ unter den Nagel zu reißen. Noch viel weniger sollten sie es schaffen, Gotlindes Leben in ernsthafte Gefahr zu bringen.

Batuti tauchte als erster an der Steuerbordseite der Schaluppe auf. Wassertretend verharrte er und bewegte den Kopf ruckartig nach beiden Seiten, um sich das Wasser aus den Augen zu schütteln. Im nächsten Moment war Jack Finnegan auch schon neben ihm.

Der Engländer grinste kampflustig.

Batuti nickte und entblößte sein perlweißes Gebiß. Er hob die Rechte aus dem kabbeligen Wasser und stieß den Daumen senkrecht hoch. Es war das Zeichen.

Ohne zu zögern, enterte der herkulische Gambianeger als erster auf. Mit kraftvollem Ruck zog er sich hoch, packte das Schanzkleid und rollte sich flach hinüber. Indem er sich mit den Händen abstützte, landete er lautlos auf den Planken. Jack Finnegan folgte ihm wenige Sekunden später auf die gleiche Weise.

Atemlos verharrten die beiden Männer auf dem Mitteldeck des verwahrlosten Einmasters. Keine einzige Leine war ordnungsgemäß aufgeschossen. Reserve-Segeltuch lag in wirrem Durcheinander vor dem Mastfuß. Und es gab eine Reihe von Sturmschäden. Keiner der Kerle hatte sich dazu aufgeschwungen, auch nur einen Handschlag zu tun, um die Schäden auszubessern. Die beiden Männer dachten mit Entsetzen daran, wie die „Empress“ aussehen würde, wenn sie längere Zeit von diesen Faulpelzen mit Beschlag belegt worden war.

Unvermittelt waren durch das Heulen der Sturmböen eindeutige Geräusche zu hören.

Das Klatschen von Riemenschlägen.

Batuti und Jack Finnegan wechselten einen Blick. Die Rechnung des schwarzen Herkules ging auf. Die Spanier hatten sich endlich entschieden, ihre Sachen von der Schaluppe zu bergen.

Sehr eilig hatten sie es damit nicht. Der Takt der Riemenschläge war träge und widerwillig.

Die beiden Männer verloren keine Zeit. Lautlos robbten sie bis zur Backbord-Verschanzung und warteten.

Es dauerte noch etliche Minuten.

Dann schließlich stieß das Beiboot mit dumpfem Laut gegen die Außenbeplankung.

„Du zuerst“, sagte einer der Spanier.

„Damit du hier im Boot hockst und ich die ganze Arbeit erledige?“ empörte sich der andere.

„Quatsch nicht! Ich werfe dir den Tampen zu, du sicherst die Nußschale, und schon bin ich bei dir. Du wirst dich schon nicht überanstrengen, Amigo.“ Ein meckerndes Lachen folgte.

Batuti sah zu Jack Finnegan hinüber. Ein Blick genügte zur Verständigung. Sie wußten jetzt, daß sie es nur mit zwei Gegnern zu tun hatten.

Der Gambianeger zog sein Entermesser und spannte die Muskeln.

Schabende Geräusche waren zu hören, als der erste Spanier aufenterte. Seine Hände erschienen auf dem Schanzkleid, im nächsten Moment mit Schwung sein Oberkörper. Durch seine Ungeschicklichkeit drohte er das Gleichgewicht zu verlieren und vornüber auf die Decksplanken zu kippen.

Batuti ließ ihm keine Zeit, seine Balance wiederzufinden.

Der Spanier fiel in das Entermesser des Gambianegers, der sich nur halb aufgerichtet hatte und zum tödlichen Stoß ausholte. Ohne einen Laut von sich zu geben, sackte der Deserteur in sich zusammen. Batuti fing ihn rechtzeitig auf und bettete ihn vorsichtig auf die Planken. Der Mann war bereits tot.

„He, Jorge, wo bleibst du?“ ertönte es aus der Jolle. „Was ist los?“

Jack Finnegan, der gleichfalls sein Entermesser gezogen hatte, sah Batuti fragend an. Sollten sie auf Spanisch antworten, um den Mann in Sicherheit zu wiegen? Aber aus dieser unmittelbaren Nähe würde er den ungewohnten Klang der Stimme zweifellos bemerken.

Während sie noch zögerten, wurden sie einer Entscheidung enthoben.

Fluchend entschied sich der zweite Kerl, nach dem Rechten zu sehen. Wieder erschienen Hände auf dem Schanzkleid. Als der Oberkörper des Mannes auftauchte, federte Jack Finnegan bereits hoch.

Entsetzt riß der Spanier die Augen auf. Er sah seinen leblosen Kumpan, und er sah die mächtige Klinge, die auf ihn zuraste. Der eigene Schwung trieb ihn vorwärts. Er konnte nicht mehr zurück.

Sein Gesicht verzerrte sich in Todesangst, weit öffnete sich sein Mund, und der gellende Schrei drang tief aus seiner Kehle.

Erst einen Atemzug später brachte ihn das Messer Jack Finnegans zum Verstummen.

Seewölfe Paket 20

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