Читать книгу Seewölfe Paket 4 - Roy Palmer - Страница 11
7.
ОглавлениеHasard hatte sich schweren Herzens dazu durchgerungen, die Rote Korsarin vom Schicksal seiner beiden Leute zu unterrichten. Immer wieder plagten ihn die Gedanken an Carberry, der hoffnungslos in der Falle saß.
Er meldete sich durch lautes Klopfen und Rufen.
Das Luk des Laderaumes wurde spaltbreit geöffnet.
„Ruhe, da unten!“ brüllte ein bärtiger Kerl, den Siri-Tong Juan genannt hatte.
„Ich will die Korsarin sprechen!“ verlangte Hasard.
Juan grinste ihn an. „Mal sehen, ob sie gute Laune hat“, sagte er.
Sein Schädel verschwand, Hasard hörte ein paar Worte, dann kehrte Juan wieder zurück. Diesmal grinste er noch mehr.
„Euch haben wir ja ziemlich schnell kleingekriegt, was? Der Seewolf kann an Deck steigen, aber nur allein.“
Hasard hangelte sich hoch.
Sie stand auf dem Achterkastell, lässig, die rote Bluse immer noch zwei Knöpfe geöffnet, den Degen locker in der Hand, und sie tat ganz so, als wäre die „Isabella“ ihr Schiff, was in gewisser Weise ja auch zutraf, wie der Seewolf grimmig feststellte.
Ihre Mandelaugen sahen ihn an, kühl abschätzend, etwas herablassend, so wie der Sieger den Besiegten ansieht.
In Wirklichkeit war sie neugierig auf den Seewolf. Der große, harte Mann imponierte ihr, seine eisige Ablehnung hatte ihr imponiert, sein Stolz, seine Art, wie er sich gab.
Ein angenehmer Schauer lief über ihren Rücken. Nach außen hin blieb sie jedoch weiterhin reserviert und zugeknöpft.
Hasard war mit ein paar Schritten auf dem Achterkastell. Sofort erhob sie spielerisch ihren Degen.
„Sie haben es sich überlegt, Seewolf“, stellte sie mit einem letzten abschätzenden Blick fest. „Sie wollen mir das Schiff ganz offiziell übergeben.“
„Irrtum“, sagte Hasard kalt. „Ich denke nicht daran.“
Ihre Augen verdunkelten sich noch mehr. Wieder stieg leichte Röte ihren Hals hoch und zog bis in die Wangen.
„Was wollen Sie dann?“
Er sah, wie sie ihren Zorn niederkämpfte, wie ihr Degen sich in die Holzplanken bohrte und wie sie versuchte, sich zu beherrschen. Die wüsten Kerle standen in respektvollem Abstand herum. Zwei hatten ihre Pistolen gezogen und auf Hasard gerichtet.
„Ich habe eine Bitte an Sie!“
Verwundert hoben sich ihre Augenbrauen.
„Der Seewolf hat eine Bitte“, spottete sie. „Wollen Sie mich darum bitten, Ihr Schiff behalten zu dürfen?“
Der Spott traf Hasard nicht, er prallte an ihm ab.
„Einer meiner Leute ist in eine Felsspalte gefallen“, erklärte er. „Wir konnten ihn nicht bergen, deshalb schickte ich jemanden an Bord, um Taue zu holen. Leider haben Sie das verhindert. Einen zweiten Mann ließ ich bei meinem Profos als Wache zurück.“
„Sie sind trickreich, wie ich gehört habe. Was versprechen Sie sich davon? Wollen Sie uns überrumpeln?“
„Es ist die Wahrheit. Ich möchte, daß man den Profos aus seiner Lage befreit.“
Ihr Näschen krauste sich ein wenig, als Hasard ihr ruhig in die Augen blickte. Sie sah auf die Planken, hob dann wieder den Blick, sah den Seewolf an und lächelte flüchtig.
Abgelehnt, dachte Hasard. Sie vermutete eine Falle oder eine List. Sie glaubt mir nicht.
Wieder begegneten sich ihre Blikke, brannten sich sekundenlang ineinander fest, bis einer aus der Crew über beide Ohren zu grinsen begann und seinem Nebenmann den Ellbogen in die Rippen stieß. Dabei zwinkerte er bedeutungsvoll mit dem rechten Auge.
„Gut“, sagte sie zu Hasards großer Überraschung. „Drei Leute aus Ihrer Crew können gehen und den Mann befreien. Natürlich bleiben sie unbewaffnet. Suchen Sie drei Männer aus. Jetzt gleich!“
„Vielen Dank“, sagte Hasard knapp. „Ich hoffe, meine Leute werden es noch rechtzeitig schaffen.“
Er ging zum Laderaum hinüber und beugte sich etwas vor.
„Roskill, Bowie, Morgan!“ rief er hinunter. „Kommt an Deck, ihr werdet den Profos holen.“
„Aye, aye, Sir“, klang es erleichtert hinauf.
Alle drei enterten hoch, stellten sich erwartungsvoll an Deck und musterten die Piraten aus schmalen Augen.
Siri-Tong schritt vom Achterkastell zur Kuhl hinunter. Vor den drei Männern blieb sie stehen.
„Falls ein Trick dahinterstecken sollte“, begann sie sehr sanft, „wird euer Kapitän sterben. Geht jetzt und holt Taue.“
Kurz darauf kehrten sie, mit Tauen bewaffnet, zurück.
„Keine Einzelaktionen“, bat Hasard sich aus. „Sobald ihr Carberry befreit habt, kehrt ihr zum Schiff zurück, einschließlich Matt. Wir werden eine andere Lösung finden, also keine Gewalt! Habt ihr das alle drei verstanden? Du auch, Luke?“
Morgan, dessen hitziges Temperament oftmals mit ihm durchging, nickte. Er dachte flüchtig daran, wie er auf der Azoreninsel Graciosa den Seewolf angesprungen hatte, nur wegen einer Äußerung, die Morgan bis aufs Blut gereizt hatte.
„Ich habe mich in der Gewalt“, sagte er.
„Das will ich hoffen! Und sagt auch dem Profos, daß er sich auf keine Sachen einläßt. Ihr kehrt unverzüglich zurück. Los jetzt!“
Bowie, Roskill und Luke Morgan sprangen in das Boot, Morgan legte sich kräftig in die Riemen.
„Zufrieden?“ fragte Siri-Tong spöttisch.
„Zufrieden bin ich erst, wenn die Männer mit dem Profos wieder zurück sind. Und im übrigen kann von Zufriedenheit bei mir keine Rede sein, augenblicklich jedenfalls nicht.“
„Warum übergeben Sie das Schiff nicht?“ fragte sie weiter.
„Warum soll ich es offiziell übergeben?“ fragte Hasard zurück. „Sie haben es doch.“
„Stimmt, ich habe es. Aber wenn Sie es nicht nach altem Kaperbrauch übergeben, wird es kein Glück bringen, und wenn ich Ihre Leute töte, wird es verflucht sein.“
„Es ist ohnehin verflucht“, sagte Hasard. „Hier, an der Rah des Fockmastes, hat kürzlich ein Toter gehangen. Niemand weiß, wer ihn aufgehängt hat.“
Damit landete er bei der Roten Korsarin nicht. Sie lächelte nur:
„Auf meinem Schiff haben schon Piraten an der Gaffelrute gehangen. Sie hatten es verdient.“
Das Schiff! Über diese Frage wollte Hasard ohnehin noch einmal sprechen, auch über ihre eigenartige Bemerkung, als er erwähnt hatte, sie könne hier nie mehr hinaussegeln.
„Wo, zum Teufel, ist denn Ihr schönes Schiff?“ fragte er.
„Sollen wir den Kerl nicht wieder unter Deck sperren, Madame?“ fragte Juan, und ein anderer Pirat, der so groß und breit war wie Ferris Tukker, nickte beifällig.
Wütend funkelte sie ihn an.
„Die Befehle gebe ich! Und ich sage euch, wann er wieder unter Deck gesperrt wird. Verstanden?“
„Aye, aye, Madame“, versicherten beide unisono.
Hasard hatte die Hände auf den Rücken verschränkt und wanderte in der Kuhl auf und ab. Sobald er jemanden aus Siri-Tongs Crew zu nahe geriet, verzog sich derjenige, obwohl er bewaffnet war. Sie alle hatten eine unerklärliche Angst vor ihm, wie er feststellte. Da schienen ja ganz schöne Schauergeschichten über ihn im Umlauf zu sein.
„Wo mein Schiff liegt?“ wiederholte sie seine Frage. „Nun, es liegt nur ein paar hundert Yards von hier entfernt. Wir sind vor ein paar Stunden durch die Passage gesegelt.“
Hasard glaubte, nicht richtig zu hören.
„Es liegt hier in der Bucht?“ fragte er fassungslos.
„Selbstverständlich. Diese Bucht ist mein Schlupfwinkel. Sie sind der erste, der es geschafft hat, hier hereinzusegeln, dazu noch mit dieser herrlichen Galeone. Sie haben dem Teufel ein Ohr abgesegelt, Seewolf!“
Hasard wollte es immer noch nicht glauben.
Als sie seinen Gesichtsausdruck sah, lachte sie silberhell. Sämtliche Piratengesichter wandten sich ihr daraufhin zu. So hatten sie Madame noch nie lachen hören.
„Juan!“ befahl sie ihrem Bootsmann. „Nimm das andere Boot und zeige dem Kapitän, wo unser Schiff liegt. Er scheint es nicht zu glauben.“
„Sie scheinen viel Vertrauen in mich zu setzen, Korsarin“, sagte Hasard spöttisch. „Jetzt sind wir sechs Leute, die frei sind!“
„Ich habe mitgezählt, Seewolf“, sagte sie herablassend. „Vergessen Sie nicht, daß Ihre Männer eingesperrt sind. Sie sind nicht der Mann, der seine Crew im Stich läßt. Nicht einen einzigen würden Sie verlieren wollen, das ist Ihr schwacher Punkt. Aus diesem Grund konnte ich Sie auch so leicht kapern. Ihre Crew hält zusammen wie Pech und Schwefel, und eher lassen sie sich gefangennehmen, als daß sie einen ihrer Kameraden opfern. Habe ich recht?“
„Die Weisheit der Götter steht in Ihrem Gesicht geschrieben, Madame“, sagte Hasard höflich.
Ihre Brauen zogen sich leicht zusammen, in ihre Pfirsichhaut schoß zarte Röte, und wieder einmal wunderte sich der Seewolf, daß diese abgebrühte Korsarin rot werden konnte, wenn er sie ansah oder eine entsprechende Bemerkung sagte.
Eine Funke schlug auf ihn über. Etwas von ihrer rätselhaften Ausstrahlung zog ihn mit aller Gewalt an. Und dieser Funke knisterte spürbar zwischen ihnen beiden, das fühlte er deutlich.
Ob es ihr auch so erging? Er brauchte diese Frage nicht zu stellen, er sah es an ihrem Gesicht, ihren Gesten, und er sah es daran, daß, wenn sie sich ertappt fühlte, schlagartig ihre Stimmung wechselte.
So wie jetzt.
„Sehen Sie sich jetzt das Schiff an“, sagte sie schroff. „Damit Sie sich nicht einbilden, nur Sie könnten durch die Passage segeln.“
Hasard stieg ins Boot, zusammen mit dem Bootsmann, der unentwegt grinste. Schnell ruderte er ihn ein paar Yards weiter, achtern an der „Isabella“ vorbei, wo die spitzen Felsen im Wasser standen.
„Dort vorn liegt es!“ Juan deutete mit ausgestrecktem Finger zu den Felsen hin.
Hasard prägte sich das Bild tief ein.
Es war kein großes Schiff, das dort zwischen zwei Felsen vertäut war, aber es war ein schlanker, schneller Zweimaster mit Lateinertakelung. Mit blutroter Takelung, verbesserte er sich in Gedanken.
Natürlich waren die Segel aufgegeit, aber er konnte sich lebhaft vorstellen, wie der Zweimaster aussah, wenn er unter vollen Segeln dahinbrauste.
Leider war er stark beschädigt. Caligu mußte ihm fast eine ganze Breitseite verpaßt haben. Einer der beiden Masten war angebrochen, im Schanzkleid befanden sich kopfgroße Löcher, das Vorschiff war in Deckshöhe zersplittert und im Achterkastell hatte es ebenfalls eingeschlagen.
Schweigend nahm er das Bild in sich auf. Ja, das paßte zu ihr, dieser Zweimaster mit den roten Segeln. Wahrscheinlich zog sie vor jedem Angriff die Totenkopfflagge hoch.
Eine unwahrscheinliche Frau, dachte er, als Juan ihn wieder zurückpullte und er aufenterte.
Siri-Tong empfing ihn mit über der Brust verschränkten Armen.
„Jetzt wissen Sie, warum ich die ‚Isabella brauche“, sagte sie.
Ja, jetzt wußte er es. Und sie war von ihrem Vorhaben auch nicht mehr abzubringen.
„Es steht kein Name am Bug“, sagte Hasard.
„Ich brauche keinen Namen. Ich bin in den Kariben bekannt, und jeder geht dem roten Segler aus dem Kurs, wenn er ihn sieht.“
„Nur Caligu nicht“, sagte Hasard und grinste.
Er sah wie ihre Gesichtszüge hart wurden, wie sie die kleinen Hände zu Fäusten ballte und wie abgrundtiefer Haß in ihr Gesicht trat.
„Heute abend stirbt der erste Mann aus Ihrer Mannschaft“, sagte sie kalt. „Und jede weitere Stunde stirbt ein anderer, solange bis Sie das Schiff übergeben.“
„Das sind einundzwanzig Tote“, rechnete Hasard. „Nur unseren Affen Arwenack habe ich noch nicht mitgezählt.“
„Ja, genau einundzwanzig“, sagte sie scharf. „Und Sie sind der Letzte, der zur Hölle fährt.“
Hasards Stimme triefte vor Hohn.
„So gehört es sich, der Kapitän geht als letzter von Bord!“
„Sie glauben mir nicht?“ schrie sie ihn an. In ihren weichen Zügen erschien hilflose Wut. Sie wurde mit diesem schwarzhaarigen Kerl einfach nicht fertig, der lästerte selbst dann noch, wenn er in der Hölle gelandet war.
Oder nahm er sie nicht ernst? Bisher hatte jeder Mann vor ihr gezittert, manche hatten auf den Knien gelegen und um ihr Leben gewinselt. Für die Sorte hatte sie nur Verachtung übrig.
Aber der Seewolf? Er kränkte ihren Stolz, er hatte die erste Runde verloren, doch es schien ihn nicht zu berühren. Er lachte über sie, und das hielt ihr Temperament nicht aus. Als sich sein spöttischer, fast verletzender Blick nicht änderte, ging die Leidenschaft mit ihr durch.
Blitzschnell zuckte ihre Degenklinge durch die Luft, so schnell, daß Hasard die Bewegung kaum sah. Mit einer Präzision, die er bei diesem blitzschnell geführten Schlag nicht erwartet hatte, schlitzte sie sein Hemd an der Brust auf. Die Klinge ratschte über seine Haut und hinterließ dort eine schmale rötliche Spur, aus der vereinzelt Blutstropfen drangen.
Jetzt mußte er klein beigeben, dachte sie, oder wenigstens tödliches Erschrecken zeigen.
Der Seewolf dachte jedoch nicht daran. Er war um keine Fingerbreite zurückgewichen, er stand noch so da und lächelte, herausfordernd, überlegen und spöttisch. Dabei war in seinen eisblauen Augen etwas zu lesen, das sie nicht ganz begriff.
„Abgekühlt, Madame?“ fragte er spöttisch.
Sie ließ den Degen sinken. Nein, der Kerl dachte nicht daran, zu kuschen, der erschrak nicht einmal. Der erschrak so wenig wie ein Eisblock oder ein Granitfels, den konnte einfach nichts erschüttern.
Gar nichts? überlegte sie. Und wenn man ihn an seiner verdammten Ehre packte? Oder seinem verfluchten Stolz? Wie würde er dann wohl reagieren?
„Sie beweisen Mut“, sagte sie widerwillig. „Es kostet ja auch nichts. Ich wette nur, daß Ihr Mut Sie bald verlassen würde, wenn es hart auf hart geht.“
„Tut’s ja nicht“, sagte Hasard grinsend.
„Das habe ich mir gedacht. Tut’s ja nicht! Stellen Sie sich zu einem ehrlichen Zweikampf?“
„Um die Galeone?“
„Um die Galeone“, erwiderte sie.
„Angenommen“, sagte Hasard knapp.
„Sie wissen ja gar nicht, um was es geht.“ Die Enttäuschung, daß er sich so schnell dazu bereit erklärt hatte, las Hasard von ihrem Gesicht ab.
„Ich nehme jeden Zweikampf an“, sagte der Seewolf.
„Es bleibt Ihnen keine andere Wahl. Aber die Bedingungen stelle ich.“
„Wie Sie wünschen. Was schlagen Sie vor?“
Sie triumphierte, die Rote Korsarin. Jetzt war sie in ihrem Element. Sie hatte seinen Stolz getroffen. Und wenn er die Wette annahm, hatte er schon jetzt verloren, das war sicher. Außerdem war sie die unangenehme Angelegenheit los, einundzwanzig wehrlose Männer töten zu lassen.
„Ein Mann aus Ihrer Crew tritt gegen einen meiner Männer an. Sie sollen mit dem Bogen schießen. Gewinnt dieser Mann aus eurer Crew, lasse ich die gesamte Besatzung frei.“
Hasard dachte an Old Shane und an Batuti, die Experten im Bogenschießen. Er nickte.
„Einverstanden“, sagte er. „Ist das alles?“
Siri-Tong ging auf und ab. Ihr Blick war auf die Männer ihrer Besatzung gerichtet. Da gab es hervorragende Kerle, die mit Bogen, Messer und Axt umzugehen verstanden wie kein anderer.
„Einen Kampf mit der Axt oder dem Entermesser. Bleiben wir bei der Axt. Sollte auch dieser Mann gewinnen, erhalten Sie das beschädigte Schiff, sind frei und können segeln, wohin Sie wollen.“
Ferris Tucker, dachte der Seewolf. Der würde das Problem mit der Axt schon lösen. Er sah einen der Piraten an, der in der Statur dem Schiffszimmermann ähnlich war. Vermutlich war es der, der den Kampf bestreiten sollte. Das würde Ferris nicht leicht sein.
„Auch angenommen“, sagte der Seewolf. „Und die dritte Bedingung?“
Sie lächelte überlegen. Die „Isabella“ würde sie in jedem Fall behalten. Selbst wenn die Männer zwei Siege errangen, den dritten schafften sie nicht.
„Ein Wettschwimmen“, sagte sie. Es klang ganz harmlos, und der Seewolf nickte sofort, offenbar begeistert von der Idee.
Aus dem Laderaum dröhnte Dans Stimme. Sie hatten unten jedes Wort mitgehört, die Köpfe geschüttelt, sich gewundert und dann beraten.
„Ich biete mich als Schwimmer an, Hasard“, rief Dan mit seltsam dumpfer Stimme.
Siri-Tong lehnte sofort ab.
„Niemand aus der Besatzung wird schwimmen. Nur der Kapitän selbst, also der Seewolf.“
„Und gegen wen?“ fragte Hasard.
„Gegen mich! Wenn Sie mich schlagen, gehört die ‚Isabella‘ wieder Ihnen, aber das ist nicht alles. Gewinnen Sie den Kampf wirklich, dann werde ich Ihnen zeigen, wie Sie mit der Galeone hier heraussegeln können. Ist das ein ehrlicher Vorschlag?“
Unter Deck brüllten die Männer vor Freude. Endlich tat sich etwas. Das Eingesperrtsein und die Ungewißheit zerrten an ihren Nerven. Der Kampf Mann gegen Mann reizte sie und brachte Abwechslung. Dem Mädchen würden sie es zeigen, die war ja so höllisch von sich eingenommen!
Hasard war tief beeindruckt. Anfangs hatte er einen schmutzigen Trick hinter dem Vorschlag vermutet, doch es gab keinen. Es war ein ehrlicher Kampf, allerdings ein Kampf auf Leben und Tod, das stand für ihn fest, denn die Kerle der Roten Korsarin wollten ihr bestimmt beweisen, wie gut sie waren.
„Gut, ich nehme an“, sagte er.
Sie schürzte verächtlich die Lippen.
„Sie nehmen an!“ wiederholte sie empört. „Niemand zwingt Sie dazu. Ich will Ihnen nur beweisen, daß Sie nicht jeden Kampf gewinnen.“
„Ich verstehe.“
„Sie werden erst noch verstehen lernen, dann nämlich, wenn Sie mit etwas Glück die Crew frei haben. Ich bezweifle, daß Sie auch noch den Zweimaster gewinnen, von der Galeone ganz zu schweigen.“
Hasard ahnte, daß sie etwas in Reserve hatte, das er noch nicht kannte. Andererseits kannte sie aber auch nicht Tucker, Shane, Batuti. Und im Schwimmen traute Hasard sich eine ganze Menge zu.
Genauso dachte die Rote Korsarin. Sie war noch nie in ihrem Leben von einem Mann im Schwimmen geschlagen worden. Noch nie! Und sie hatte viele gute Schwimmer gekannt, mit denen sie sich gemessen hatte. Alle hatten verloren, allen war sie auf und davon geschwommen.
Das war der Grund, weshalb der Seewolf seine Galeone nicht mehr erhalten würde. Er konnte sie nicht schlagen. Bestenfalls mochte es ihm gelingen, die beiden anderen Wettkämpfe zu gewinnen. Dann sollte er sich den Zweimaster nehmen und mit seiner Crew davonsegeln.
So oder so – sie behielt die Galeone in jedem Fall.
Hasard wußte nicht, was in ihrem hübschen Köpfchen vorging, er hätte zu gern ihre Gedanken erraten, denn wieder lag dieses unergründliche, geheimnisvolle Lächeln um ihre Lippen.
„Warten wir ab“, sagte er. „Wann beginnen wir mit den Kämpfen?“
Sie dachte kurz nach, überlegen, selbstsicher.
„Morgen früh, nach Sonnenaufgang. Bestimmen Sie jetzt die Männer, die kämpfen sollen.“
Hasard brauchte nicht lange zu überlegen.
„Ferris Tucker soll mit der Axt kämpfen, natürlich nur, wenn er will.“
„Der große Rothaarige?“ fragte sie.
„Jawohl! Genau der!“ brüllte Tukker aus dem Raum herauf. „Und ich werde ihn so zurichten, daß ...“
„Lassen Sie ihn heraufholen, Madame“, bat der wüst aussehende Kerl, dem das rechte halbe Ohr fehlte, und der eine riesige Narbe am Hals trug, als wäre ihm dort schon einmal eine Axt hineingefahren.
Tucker wurde geholt Die Piraten nahmen die Kämpfe ernst, aber auch aus Hasards Crew zweifelte niemand daran, daß es hier wirklich um Leben oder Tod ging.
Die beiden standen sich gegenüber. Zwei mächtige Kolosse, Tucker rothaarig, schwer gebaut mit einem Kreuz wie ein Rahsegel, der andere verschlagen grinsend, mit halbem Ohr, riesiger Narbe, ein Schrank von einem Kerl mit mächtigen Fäusten.
„Ich bin der Schlächter“, sagte er zu Tucker. „Und dir werde ich morgen deinen roten Schädel in zwei Teile spalten. Mit der Axt hat mich noch keiner besiegt.“
„Sei froh drum“, grollte Ferris. „Morgen kann immer das letzte Mal sein.“
„Ho, nimm dein Maul nicht so voll, du Wicht! Ich habe Kerle wie dich schon in zwei Teile gespalten. Mit einer Hand.“
„Und ich hab Kerlen wie dir schon die Haut in Streifen von ihren Affenärschen gezogen. Aus den Händen haben wir ein ganzes Segel zusammengenäht.“
Die Männer lachten und grölten wild durcheinander. Die rauhe Gesellschaft konnte den morgigen Tag kaum erwarten. Diesen Seewölfen wollten sie es zeigen! Die würden morgen ihren schwärzesten Tag erleben. Und ihre stolze, ranke Galeone waren sie auch los!
„Und der Bogenschütze?“ fragte Siri-Tong. „Wer will sich mit Bill im Schießen messen?“
Bill, der sogleich vortrat und sich in die Brust warf, war ebenfalls ein ganz schöner Brocken aus Muskeln und Sehnen. Er trug einen handtellergroßen Totenkopf aus Gold an einer groben Kette um den Hals. Im linken Ohr baumelte ein Ohrring, seine Hosen waren ausgefranst und gingen nur bis an die Knie. Dadurch wirkte er noch grobschlächtiger, als er schon war.
Hasard hatte sich für Batuti entschieden, obwohl er anfangs Big Old Shane den Vorzug hatte geben wollen. Aber Batuti war jünger, wendiger und konnte so prächtig mit den Augen rollen, daß die Piraten ihn immer wieder ängstlich anstarrten. Er sollte mit dem Bogen schießen, den er und Old Shane zusammen angefertigt hatten. Ein Bogen, größer als ein Mann, den auch nur ein sehr kräftiger Mann zu spannen vermochte.
Batuti kam herauf, maß seinen Gegner und grinste.
„Schwarzes Mann wird schießen bis auf Mond“, übertrieb er. „Und anderes Kerl wird nicht mal Mond treffen!“
„Pah“, sagte Bill verächtlich. „Soweit wie ich mit dem Bogen schieße, kannst du in drei Tagen nicht laufen.“
So überboten sie sich gegenseitig und prahlten, bis Siri-Tong dem Gerede ein Ende setzte.
„Schluß jetzt. Morgen wird sich herausstellen, wer der Bessere ist. Trotzdem fürchte ich, daß ihr eure Galeone bald entladen sollt, denn die werdet ihr nicht mehr zurückerobern.“
Hasard sah sie von der Seite an. Ja, sie war fest entschlossen, das Schiff zu erobern, daran gab es keinen Zweifel. Und die Himmelhunde aus ihrer Piratenbrut sahen weiß Gott nicht harmlos aus. Das waren hartgesottene Burschen, erfahrene Kämpfer, die wußten, um was es ging.
Um Leben oder Tod nämlich.