Читать книгу Seewölfe Paket 4 - Roy Palmer - Страница 9
5.
ОглавлениеEdwin Carberry war wirklich am Ende seiner Kräfte. Seine Hände waren nicht mehr in der Lage, zuzupakken, seine Lungen pumpten mit aller Gewalt Luft. Nicht mehr lange, und er mußte loslassen und würde irgendwo in diesem Höllenloch da hinten verschwinden und ersaufen.
Hasard konnte es nicht mehr länger mitansehen. Wenn Dan nichts zugestoßen war, was sollte dann passiert sein? Dan O’Flynn war nicht der Typ, der herumtrödelte, wenn man ihn brauchte.
Das Gurgeln und Rauschen war leiser geworden, auch der nachhallende Gong dröhnte nicht mehr so laut.
Hasard sah, daß das Wasser in der Kaverne nicht mehr mit der gleichen Gewalt dahinschoß, daß sich der Lauf beruhigt hatte und der ausgepumpte Profos verzweifelte Anstrengungen unternahm, sich auf eine leicht aus dem Wasser ragende Plattform zu ziehen, die er gerade eben entdeckt hatte.
Wenn ihm das gelang, war er zwar vorerst in Sicherheit, aber aus der Felsspalte kam er immer noch nicht heraus. Genausogut konnte das Wasser auch wieder weiter steigen, und niemand wußte, wann das der Fall sein würde.
Etwas auf dieser Insel stimmte jedenfalls nicht, redete der Seewolf sich ein. Hier lauerten versteckte Gefahren, die nicht nur aus unterirdischen Kavernen bestanden. Hier lag etwas Geheimnisvolles in der Luft.
„Ich habe keine Ruhe mehr“, sagte er zu den Männern. „Dan hätte längst zurück sein müssen. Vielleicht steckt er auch in so einer Felsenfalle. Wir brechen auf, während Matt Davies bei Carberry zurückbleibt. Wir brauchen so schnell wie möglich Taue. Du bleibst solange bei Ed zurück, Matt!“
„Selbstverständlich“, erwiderte Matt, dessen rechte Hakenprothese im Sonnenlicht wie ein scharfgeschliffener Dolch blitzte.
„Dann los, beeilt euch“, forderte Hasard die anderen auf.
In aller Eile kehrten sie zum Strand zurück. Der Weg war nicht schwierig zu finden, er ließ sich erahnen, wenn man ein gutes Gespür für die Richtung hatte, und das hatten sie alle, so etwas gehörte zu einem guten Seemann.
„Achtet auf den Boden!“ schärfte Hasard ihnen ein. „Ich möchte nicht noch einen zweiten Mann in einer Felsspalte sitzen haben.“
Der Boden wurde jedoch fester, je näher sie der Bucht kamen. Sie näherten sich von der Seite, die auch Dan gewählt hatte, nur entdeckten sie eine Stelle, von der aus man nicht unbedingt ins Wasser springen mußte.
Tucker und Batuti schoben das Boot ins Wasser. Sie hatten alle Platz, wenn es auch etwas eng war.
Die Männer legten sich in die Rieman und zogen kräftig durch.
Hasard stand im Boot und blickte zur „Isabella“ hinüber. An Deck rührte sich nichts, alles blieb ruhig.
„Verdammt! Das gefällt mir gar nicht, sagte er laut. „Wo sind denn die Kerle geblieben?“
„Die werden sich in die Sonne gelegt haben und pennen“, sagte Ben Brighton und spähte ebenfalls angestrengt zur Galeone hinüber.
„Das kann ich mir kaum vorstellen“, sagte der Seewolf. „Vielleicht hocken sie auch nur unten und verputzen den Fisch, den der Kutscher gebacken hat.“
Er glaubte selbst nicht so richtig daran. Sie alle waren darauf getrimmt, daß mindestens einer Wache ging, selbst wenn überhaupt nichts los war, selbst wenn hier kein anderes Schiff hineinsegeln konnte.
„Und Dan?“ fragte er weiter, ohne eine Antwort zu erwarten. „Der weiß doch, um was es geht, der setzt sich jetzt doch nicht hin und schlägt sich den Bauch voll!“
Das glaubte allerdings auch niemand. Dazu war Dan viel zu gewissenhaft. Er hätte nie einen Mann aus der Crew einfach im Stich gelassen.
Immer wieder warf Hasard mißtrauische Blicke hinüber.
„Schneller!“ feuerte er die Ruderer an. „Los, los, pullt! Ich muß wissen, was da los ist.“
Stenmark richtete sich auf.
„Sieht aus, als wäre niemand an Bord“, sagte er mißtrauisch. „Aber das andere Boot liegt doch neben der „Isabella“. Diese verdammte Insel“, fluchte er gleich darauf. „die wird mir immer unheimlicher. Das ist ja fast schlimmer als im Meer der toten Seelen. Nicht mal die Totenlichter haben mich so erschreckt.“
Aus dem Rumpf der Galeone hörten sie einen leichten Schlag. Vermutlich befand sich jemand in der Vorpiek, dachte Hasard.
Da platzte Ferris Tucker der Kragen, diese entsetzliche Stille ging ihm langsam, aber sicher auf die Nerven.
„Verdammt und zugenäht!“ brüllte er hinauf. „Werft gefälligst ein Tau herunter, aber dalli, sonst ...“
Den Rest ließ er unausgesprochen, aber die anderen konnten sich bestimmt denken, was mit dem „sonst“ gemeint war.
Totenstille! Niemand gab Antwort.
Das Boot stieß an die Bordwand und immer noch rührte sich auf der „Isabella“ nichts.
Ben Brighton kniff mißtrauisch die Augen zusammen. Er sah zur Bordwand hoch und schüttelte den Kopf.
„Da stimmt doch etwas nicht“, meinte er leise.
„Wir entern auf!“ befahl Hasard.
Er erklomm die Leiter als erster, zog sich hoch und flankte über das Schanzkleid auf Deck.
Und dann traf ihn glatt der Schlag. Wie benommen blickte er die wilde Schönheit an.
Ihr Degen zuckte blitzschnell vor, in einer so geschmeidigen, blitzschnellen Bewegung, daß sein Auge sie kaum wahrnahm. Die Degenspitze bohrte sich leicht in seine Halsgrube.
Als er vorsichtig einen Schritt zurückwich, folgte sie ihm elegant und schnell. Hasard stand am Mast und konnte nicht mehr weiter.
Dann geschahen mehrere Dinge gleichzeitig.
Hinter dem Schanzkleid erhoben sich Piraten, die mit Musketen, Pistolen und Messern bewaffnet waren. Hasard zählte mindestens zehn Mann. Ihre Läufe ragten über das Schanzkleid und richteten sich auf die Männer im Boot, die der Überraschungsschreck förmlich gelähmt hatte.
In Hasards Kopf überschlugen sich die Gedanken, als einer nach dem anderen blitzschnell und kampflos entwaffnet wurde.
Dieses wilde, stolze Weib hätte seine ganze Crew mühelos umbringen können, überlegte er weiter, aber sie hatte es nicht getan.
Erst jetzt fand er Zeit, sie anzusehen. Ihre rote Bluse, die eng anlag, die mehr betonte als verhüllte, ihre schlanken Beine, die in blauen Schifferhosen steckten.
Und ihr verdammt hochmütiger Blick aus diesen leicht geschlitzten Augen, der ihn zur Weißglut brachte und vor Zorn erbeben ließ.
Es war eine Mischung aus Überlegenheit, unglaublichem Hochmut und spöttischer Verachtung, die aus diesen schwarzen Mandelaugen sprach. Und wie geschickt ihre schlanke, gebräunte Hand den Degen hielt. Da gab es für den Seewolf keinen Spielraum zum Ausweichen, und das steigerte seine Wut noch mehr.
Kühl und herrisch klang ihre Sprache, mit einem Timbre darin, das Hasard nur noch mehr reizte.
„Ich verlange die Übergabe der „Isabella“!“ herrschte sie ihn an. „Ihr seid meine Gefangenen.“
Hasards eisblaue Augen blitzten sie zornig an. War dieses Weib verrückt geworden? Wer war sie, wie war sie hierher gelangt? Stammten die Feuerstellen am Strand von ihrer Piratenbande?
Der Seewolf versuchte, eiskalt zu bleiben. Er empfand es als die größte Schande, von einer Frau so hereingelegt zu werden.
„Wer sind Sie überhaupt?“ fauchte er.
Wieder traf ihn dieser spöttische Blick. Einer der wüst aussehenden Kerle gab die Antwort.
„Du sprichst mit Siri-Tong, du Bastard, mit der Roten Korsarin! Benimm dich anständig zu ihr, oder du lernst mein Messer kennen!“
Hasard warf dem Kerl einen Blick zu. Den würde er sich noch einmal vorknöpfen, wenn sich das Blatt gewendet hatte.
„Die Rote Korsarin?“ sagte er und lachte plötzlich.
Die Quittung erhielt er augenblicklich. Die Degenspitze bohrte sich so weit in seine Halsgrube, bis ein kleiner Blutstropfen hervorquoll.
„Ich kann es nicht leiden, wenn man mich auslacht“, sagte sie gefährlich leise.
„Und ich kann es nicht leiden, wenn man mich heimtückisch und hinterhältig überfällt, statt ehrlich zu kämpfen“, erwiderte der Seewolf.
„Um ein Schiff zu kapern, bedarf es keiner Regeln, das kann jeder halten, wie er will! Und jetzt übergeben Sie mir das Schiff!“
Hasards Ablehnung war so eisig wie nur möglich.
„Ich denke nicht daran!“
„Sie verweigern mir die Übergabe?“ fragte sie erstaunt, und ihre hübsch geschwungenen Brauen hoben sich leicht in die Höhe.
Wenn sie keine so verdammte Piratin gewesen wäre, konnte man sie direkt für eine außergewöhnliche Schönheit halten, dachte Hasard, eine Frau, die jeden Mann zur Raserei treiben konnte.
„Sie kriegen das Schiff nicht“, erwiderte er schroff.
Ihre Lippen verzogen sich leicht, das aufreizende spöttische Lächeln erschien wieder.
„Sie sind der erste Mann, der mir die Übergabe offiziell verweigert, obwohl Sie völlig wehrlos sind. Ich könnte Sie alle töten lassen, jetzt und hier! Es ist ein alter Brauch, dem Sieger das Schiff zu übergeben!“
„Nicht bei mir!“
Hasard nahm an, daß diese Sippschaft von Piraten hier vor kurzer Zeit gestrandet war und jetzt dringend ein Schiff benötigte, um die Insel wieder zu verlassen. Von dem Schiff mit den roten Segeln ahnte er genausowenig wie die anderen Seewölfe.
Die Degenspitze lockerte sich ein wenig. Siri-Tong schüttelte amüsiert den Kopf.
„Dann werde ich es mir eben nehmen“, sagte sie.
Hasard konnte sich ein zynisches Lachen nicht verkneifen.
„Und dann werden Sie es zerlegen und aus der Bucht tragen, was! Hier kommen Sie nicht mehr heraus! Die Galeone nutzt Ihnen nichts.“
Das neuerliche spöttische Lächeln und der Blick aus den unergründlichen schwarzen Samtaugen reizten ihn augenblicklich zur Weißglut.
„Glaubst du auch, was dieser Kerl sagt, Juan?“ fragte sie einen ihrer Männer.
Der Kerl grinste ebenfalls bis an die Ohren. Sein goldener Ohrring schlenkerte hin und her.
„Nein, Madame, ich glaube es nicht.“
Der Seewolf runzelte die Stirn. Er dachte an die niedrige Barriere, und dann grübelte er darüber nach, was sie mit ihrem letzten Satz wohl gemeint hatte.
„Wo sind meine anderen Männer?“ fragte er und dachte dabei an Dan, Smoky und die anderen.
„Die befinden sich in der Vorspiek!“ Sie lachte in Gedanken an ihren gelungenen Streich.
Und Carberry hockt in der Höhle, dachte der Seewolf. Jetzt konnten sie ihm nicht mehr helfen! Die Sorge um Ed und Matt Davies peinigte ihn, aber er ließ sich nichts anmerken. Nur im stillen verfluchte er seine eigene Sorglosigkeit.
Siri-Tongs Geduld war jetzt erschöpft. Plötzlich sprühten ihre Mandelaugen Blitze.
„Genug jetzt, bei diesem Gerede kommt nichts heraus. Das Schiff ist in unserer Gewalt. Ich werde euch allen jedoch eine letzte Chance geben.“
Die Seewölfe starrten sie an. Sie sahen in die Musketenläufe und Pistolenmündungen, und sie sahen auch Hasard, der am Mast stand und sich nicht rühren konnte, denn bei der geringsten Bewegung würde die Degenspitze in seinen Hals eindringen. Es war eine fatale, verteufelte Situation, die sie völlig überrascht hatte.
„Wer will, kann in meine Dienste treten“, sagte sie. „Ich brauche für die Galeone eine tüchtige Besatzung. Wie steht es mit Ihnen selbst, Mann?“ fragte sie den Seewolf.
„Nur als Leiche“, gab Hasard kalt zurück. „Ehe ich mich dem Kommando einer roten Schlange unterstelle, sterbe ich lieber.“
Sie blitzte ihn empört an. Ihr Blick suchte Brighton.
„Was ist mit Ihnen?“
„Pah“ erwiderte Ben verächtlich. „Ich sterbe lieber mit!“
„Du da!“ Sie zeigte mit dem Finger auf Stenmark, den großen blonden Schweden.
„Du kannst mich mal“, sagte Stenmark kalt.
„Und du?“ Jeff Bowie war an der Reihe.
Demonstrativ hob er seine Hakenprothese hoch, die linke Hand hatten ihm die Piranhas abgefressen.
„Eher schlitze ich mir selbst den Hals auf“, sagte er abweisend.
Ferris Tucker platzte wieder einmal der Kragen. Er hatte genug.
„Wag dich nicht zu weit vor, du Rotznase“, brüllte er los. „Das wird sich der Seewolf nicht bieten lassen, auch wenn seine Chancen im Augenblick schlecht stehen.“
Einer der Piraten hieb ihm die Faust in den Magen. Siri-Tong lief dunkelrot an vor Wut.
Aber Tucker war nicht von gestern. Als der Hieb in seinem Magen landete, zuckte er mit keiner Wimper. Dafür schoß seine Rechte so hart und schnell heraus, daß der Pirat nicht mehr zur Seite treten konnte. Der Schlag schmetterte ihn ans Schanzkleid, wo er liegenblieb.
Zwei andere wollten sich auf Ferris stürzen, doch ein scharfer Zuruf der Korsarin stoppte die wilden Kerle.
„Der Seewolf?“ fragte sie gedehnt. „Sind Sie der Seewolf?“
„So nennt man mich“, erwiderte Hasard ungerührt.
Siri-Tong hatte vom Seewolf gehört, diesem eisenharten Kerl, der in der Karibik für die Spanier zum Alptraum geworden war.
Und ausgerechnet den und seine Höllenhunde hatte sie, so mir nichts dir nichts, gekapert?
Nachträglich setzte bei ihr ein unbestimmtes Angstgefühl ein. Sie glaubte, dieser Sache nicht ganz gewachsen zu sein, selbst wenn die Burschen alle entwaffnet waren.
Ihre Augen suchten Hasards Blick, brannten sich darin fest, und ihr war es sekundenlang, als sähe sie eiskalte Gletscherberge vor sich, schroffe eisblaue Zacken, die krachend zerbarsten. Ein Schauer lief über ihren Rücken. Langsam und zögernd senkte sie den Degen.
„Der Seewolf!“ Es war wie ein Flüstern, ein Raunen, das durch die Reihen der Männer ging. Sie krampften die Hände um ihre Waffen fester und wichen ein paar Schritte zurück.
Hasard lächelte unergründlich. Dieses Satansweib begann ihm auf eine unerklärliche Art zu gefallen. Sie hatte Mut und Schneid bewiesen, aber jetzt schien es ihm, als überziehe ein leichtes Erschrecken ihr ebenmäßiges Gesicht. Fast bewundernd streifte ihn ihr nachdenklicher Blick.
Hasard sah, wie sich ihre Pfirsichhaut mit fahler Blässe überzog, wie anschließend die Röte in ihr Gesicht zurückkehrte und wie sich ihre winzigen Nackenhaare aufrichteten.
Er trat einen Schritt auf sie zu und lächelte spöttisch.
„Bleiben Sie stehen!“ rief sie schrill und griff nach dem Degen.
Hasard wischte ihn lässig zur Seite.
„Lassen Sie uns vernünftig reden, Siri-Tong“, sagte er. „Mit dem Degen können Sie mich nicht bis in alle Ewigkeit festhalten. Und das Schiff kriegen Sie nur über unsere Leichen. Und auch die beißen nach dem Tod noch!“
„Rücken Sie mir nicht zu nahe“, rief sie. Aufgeregt blies sie sich eine Strähne schwarzen Haares aus dem Gesicht und sprang zurück. Ihr Degen zuckte wieder hoch, sie wurde unsicher, sah den Seewolf an und versuchte wieder, seinen Blick festzuhalten.
Die Piraten der Korsarin rührten sich nicht. Wohl paßten sie alle scharf auf, aber keiner näherte sich dem Seewolf. Lediglich ein Musketenlauf war auf ihn gerichtet, und selbst der aus respektvollem Abstand.
„Bringt die Kerle unter Deck!“ befahl Siri-Tong. „Einen nach dem anderen und mit der allergrößten Vorsicht!“
„Das sind alles Seewölfe“, sagte Hasard ironisch. „Die können Sie nicht einsperren, die fressen sich durch die Schiffsplanken und tauchen wieder auf.“
Sie war immer noch verunsichert, und sie versuchte es geschickt zu verbergen.
Einen nach dem anderen führten sie unter Deck. Zwei Mann zielten auf ihn, dann mußte er hinuntersteigen und der nächste war an der Reihe.
„Die schwarze Katze hat Angst vorm Seewolf“, sagte Roskill höhnisch, bevor auch er unter Deck verschwand.
„Klar, der frißt die doch mit Haut und Haaren“, rief ein anderer und lachte dröhnend.
Nur Tucker drehte sich noch einmal zu den Piraten um.
„Ihr werdet den Tag eurer Geburt noch einmal verfluchen“, drohte er. „Und dieser Tag wird verdammt bald kommen, ihr Hurenböcke, das schwöre ich euch!“
„Zum letzten Mal, Seewolf“, sagte die Korsarin. „Ich bestehe auf einer Einigung, ich habe das Schiff rechtmäßig gekapert. Ich brauche es dringend. Mein eigenes ist bei einem Gefecht mit dem verdammten Karibikpiraten schwer beschädigt worden.“
„Mit welchen verdammten Karibikpiraten?“ fragte Hasard.
„Er heißt Caligu, der Schrecken der Kariben.“
Caligu! Allein dieser Name ging dem Seewolf runter wie Schmierseife. Der Kerl trieb immer noch sein Unwesen, und diese schwarzhaarige Wildkatze hatte sich mit ihm angelegt! Daß sie davongekommen war, grenzte schon fast an ein Wunder. Der Seewolf selbst hatte ihn schon gejagt und ihn in Grund und Boden geschossen, und immer wieder war Caligu entwischt.
Sehr nachdenklich sah er das Mädchen an. Er gab jedoch keinen Kommentar dazu.
„Was ist jetzt?“ drängte sie, und ließ ihren Degen spielerisch durch die Luft zischen, immer dicht an Hasards Gesicht vorbei, der mit keiner Wimper zuckte. Erst als der Blick seiner eisblauen Augen immer drohender und kälter wurde, gab sie das Spiel auf, mit dem sie ihre lässige Überlegenheit demonstrieren wollte.
„Ich übergebe das Schiff nicht, das ist mein letztes Wort!“
Mit funkelnden Augen trat sie näher. Zornig blitzte sie Hasard an, der spöttisch die Lippen verzog. Dieser schwarzhaarige Teufel ärgerte sie, er war hochmütig und arrogant, aber er zog sie an wie ein Magnet, und sie fluchte insgeheim darüber.
„Dann werde ich euch alle töten lassen, einen nach dem anderen!“ drohte sie kalt.
„Das ist das Recht des Siegers“, sagte Hasard galant und deutete eine kleine, spöttische Verbeugung an. „Und wen belieben Madame als ersten abmurksen zu lassen?“
Ihre kleine rosarote Zunge fuhr hervor und befeuchtete ihre Lippen.
„Schafft mir diesen Kerl aus den Augen, ich kann ihn nicht mehr sehen!“ rief sie aufgebracht. „Oh, wie ich dich hasse, du – du – Seewolf!“
Hasard grinste ausgesprochen hinterhältig.
„Entweder fängt die Liebe so an, oder sie hört so auf“, sagte er, immer noch grinsend.
Aber dann mußte er sich blitzschnell ducken, denn ihr Degen pfiff durch die Luft und blieb dort im Mast stecken, wo sich eben noch sein Kopf befunden hatte.
„Alle Achtung“, murmelte Hasard verblüfft. „Wenn sie den Kurs auch so gut abstecken kann, dann habt ihr einen vorzüglichen Kapitän“, sagte er zu den Piraten, die ihn ratlos anstarrten.
Viel hätte nicht gefehlt und die Korsarin wäre mit den Krallen auf ihn losgegangen, so wild und aufgebracht war sie.
Hasard blieb nichts anderes übrig, er mußte ebenfalls unter Deck klettern. Diesmal zielten acht Läufe auf ihn.
Bevor sein Kopf verschwand, fing er noch einmal Siri-Tongs Blick auf.
Die ganze geheimnisvolle Welt der Karibik schien ihn anzublicken. Oder starrte er in den tiefen Abgrund eines feuerspeienden Vulkans? Er wußte es nicht genau.