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8.

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„Hier muß es sein“, sagte Roskill. „Nur noch ein paar Yards. He, Matt!“ schrie er gleich darauf.

Von Matt Davies erfolgte keine Antwort. Auch der Profos war nicht zu hören.

Die drei Männer sahen sich an. Morgan grinste verzerrt.

„Der gute Matt will uns wohl erschrecken, was?“

Sie gingen noch ein paar Schritte weiter, bis sie an die Stelle gelangten, wo das poröse Lavagestein bröckelte.

„Legt mir mal ein Tau um die Schulter“, sagte Jeff Bowie. „Ich will nicht auch noch dort unten landen.“

Vorsichtig arbeitete er sich über den tückischen Boden, bis er das Loch erreichte, durch das Carberry gestürzt war. Die beiden anderen hielten das Tau und gaben langsam Lose.

„Davies, Carberry!“ brüllte Jeff nach unten. Er legte sich auf den Bauch, um besser in die Tiefe sehen zu können.

„Was ist?“ fragte Morgan ungeduldig. „Siehst du sie?“

„Nein, verdammt. Alle beide sind verschwunden.“

„Das gibt es doch nicht! Hier kann doch nicht einer nach dem anderen verschwinden, Mann!“

„Dann glotz doch selbst runter! Sie sind nicht mehr hier. Vielleicht hat Matt den Profos befreit, und sie sind längst unterwegs.“

„Dann hätten wir sie treffen müssen.“

„Die können auch einen anderen Weg genommen haben.“

Morgan hielt sich nicht länger mit Reden auf. Er handelte. Hand über Hand zog er Jeff zu sich heran, löste das Tau und schlang es sich selbst um den Körper.

„Ich werde nachsehen, was da los ist. Gebt mir eine der Fackeln!“

Roskill schlug mit Stahl und Flintstein ein paar Funken, bis die Lunte schwelte. Dann blies er und entzündete die Fackel.

„So, und jetzt laßt mich vorsichtig ’runter. Und eins sage ich euch gleich: Bleibt hier stehen und wartet, bis ich wieder zurück bin. Ich habe keine Lust, euch auch noch verschwinden zu sehen. Die anderen beiden reichen mir.“

Da war es wieder, das Bedrückende dieser unheimlichen Insel. Wo, bei allen Teufeln, konnten die beiden nur stecken?

Vorsichtig seilten sie Luke Morgan ab. Ein Stück des Bodens gab nach und polterte in die Tiefe. Morgan fluchte. Es klang dumpf und hohl und von irgendwo warf ein Echo seine Flüche wieder zurück.

„Alles trocken hier unten!“ hörten sie ihn brüllen. „Vor mir befindet sich ein Gang. Ed und Matt sind hier unten entlanggegangen.“

„Woher will er das so genau wissen?“ fragte Roskill.

„Fußspuren, du Riesenroß“, sagte Jeff. „Das heißt also, daß Matt ebenfalls hinuntergestürzt ist, dann haben die beiden sich aufgerafft und sind weitergegangen, als wir nicht mehr auftauchten.“

„Werft mir noch eine Fackel ’runter!“ schrie Morgan.

Die Fackeln hatten sie heimlich mitgenommen und eingesteckt. Jeff warf die zweite in den dunklen Schlund.

Morgan steckte sie ein, hielt die andere mit der Hand hoch und leuchtete unsicher in den Gang hinein.

Im Untergrund wimmelte es von kleinen Krebsen, die der Flutstrom hereingetragen hatte.

Deutlich zeichneten sich die Fußspuren zweier Männer vor ihm ab, und mit Hilfe der Fackel konnte er den Weg, den sie zurückgelegt hatten, mühelos verfolgen. Zügig ging er voran.

Ein paarmal sah er, daß die beiden sich verlaufen haben mußten, denn die Spuren endeten plötzlich vor einer Wand.

Morgan lief wieder zurück und folgte ihnen. Ed und Matt schienen sich hier mehr als einmal verirrt zu haben. Kein Wunder, wenn sie in fast totaler Finsternis hier herumgelaufen waren.

Da hatte er es wesentlich leichter und müheloser, sich zu orientieren.

„Ed!“ brüllte er ab und zu und dann wieder: „Matt!“

Nur das Echo ertönte von den Wänden. Auf sein Brüllen erhielt er keine Antwort. Er lief weiter, rannte mitunter, wenn die Ganghöhe es zuließ und gelangte zu dem künstlich behauenen Stollen.

Morgan hatte keine Angst, nur ein unerklärliches Gefühl ergriff von ihm Besitz. Immer wieder sah er sich um, hielt die Fackel hoch, leuchtete die Wände ab, befühlte scheu das Schlangenzeichen und entdeckte dann den unterirdischen Tempel mit dem Schlangengott.

Sein Herz hämmerte, er blieb stehen und traute sich nicht weiter.

Minutenlang stand er da und blickte auf die große Statue, die sich windende Schlange, die sich im Licht der Fackel wie eine Spirale um die Indianerin zu drehen schien.

Mit hämmerndem Herzen lief er weiter, vorbei an dem fürchterlich anzusehenden Gott, der so unheimlich wirkte und ihm ständig entgegenblickte, bis er ihn hinter sich gebracht hatte.

Er fand den Ausgang, zündete erleichtert die zweite Fackel an und blickte in die Runde.

Keine Spur von den Männern. Aber Morgan konnte sich jetzt denken, daß sie von hier aus, zwischen den Klippen, den Rückzug angetreten hatten.

Nein, der Weg zwischen den Felsen war ihm zu beschwerlich. Er nahm seine Fackel und lief zurück. Diesmal rannte er, keuchend und stolpernd, bis er an seinen Ausgangspunkt zurückgekehrt war.

„He!“ brüllte er hinauf. „Zieht mich hoch! Ich habe die beiden Kerle nicht gefunden.“

Sie zogen ihn hoch, und Jeff Bowie hätte ihn in diesem Augenblick fast wieder fallen lassen.

„Ich werde glatt verrückt“, sagte er. „Da sind die beiden ja. Und wir suchen hier herum!“

Carberry und der Profos schnauften heran, gerade als Morgan hochgezogen wurde und wieder festen Boden erreichte.

Dann wurde erzählt, und was der Profos erfuhr, warf ihn fast um. Auch Matt Davies sah die anderen ungläubig an.

„Eine Piratin?“ ächzte er fassungslos. „Und die hat ganz einfach die, ‚Isabella‘ gekapert? Das ist ein Witz!“

„Leider nicht, denn als wir Taue holen wollten, meldete sich auf dem Schiff niemand. Hasard enterte auf, und schon saß ihm eine Degenspitze an der Kehle. Wir wurden im Nu entwaffnet. Überall hinter dem Schanzkleid hockten wüste Burschen, mit Pistolen und Musketen bewaffnet. Wir konnten nichts unternehmen.“

Der Profos schlug die Hände vors Gesicht. Er schüttelte seinen mächtigen Schädel und setzte sich auf den Boden.

„Das geht mir nicht ’runter“, sagte er immer wieder. „Ein Weib kapert unser Schiff und kassiert die Besatzung. Ein Weib!“ schrie er wütend. „Das darf ums Verrecken nicht sein!“

„Nichts dran zu ändern, Ed“, beschwichtigte ihn Davies. „Wir müssen es nun einmal so nehmen, wie es ist.“

„So nehmen, wie es ist?“ schrie der Profos, außer sich vor hilfloser Wut, „laß mich nur an Bord sein, der werde ich ihren Babyarsch einpökeln, darauf könnt ihr euch verlassen.“

Vergessen war in diesem Augenblick der Schlangentempel, vergessen war der Marsch durch die schroffen Felsen. Alles zählte nicht mehr, nur daß die „Isabelia“ in der Hand von Piraten war, das hatte Vorrang vor allem.

„Wo sind die Halunken so überraschend hergekommen?“ wollte der Profos wissen, der es immer noch nicht glauben konnte, daß man die gesamte Crew mühelos einkassiert hatte.

„Die Korsarin behauptet, sie wäre durch die Passage gesegelt. Hasard hat das Schiff gesehen, ein Zweimaster mit blutroten Lateinsegeln, von Caligu in einem Gefecht schwer beschädigt.“

„Ich verstehe die Welt nicht mehr“, sagte Carberry. „Da kreuzt so eine verlauste kleine Hafenhure auf, klaut uns das Schiff, überfällt die Männer hinterhältig und legt sich zu allem Überfluß auch noch mit Caligu, dem verfluchten Piraten, an. Und keiner hat etwas gemerkt?“

„Nein, niemand“, antwortete Morgan niedergeschlagen. „Die Kerle und das Weib müssen ans Schiff geschwommen sein, als nur ein oder zwei Mann an Deck waren.“

„Jetzt hört mal her“, sagte der Profos. Er stand auf und stemmte die Hände in die Hüften. Sein Narbengesicht war zerfurcht, sein mächtiges Kinn weit vorgeschoben. Er sah aus wie ein Gladiator, der gegen einen Löwen kämpfen sollte, und der genau wußte, daß der Löwe nur noch ein paar Minuten zu leben hatte.

„Diese verlauste kleine Hure kaufen wir uns. Wir sind fünf Mann, und uns wird verdammt etwas einfallen, wie wir diesem Babyarsch die Haut in Streifen abziehen. Ich werde ihr so den Hintern vollhauen, daß sie in ihrem ganzen Leben nie mehr sitzen kann.“

Wütend ballte der Profos die mächtigen Hände zu Fäusten und erhob sie drohend in Richtung der „Isabella.“

„Jetzt wissen wir auch, was die verdammten Feuerstellen am Strand zu bedeuten haben“, schimpfte er. „Da haben die Piraten gelagert, die waren sicher schon öfter hier, denn von den Indianern ...“

„Was für Indianer?“ fragte Roskill.

„Ach, das habe ich vor lauter Aufregung noch gar nicht erzählt, aber das ist jetzt nicht weiter wichtig.“

„Ich habe eure Spuren in dem Schlangentempel gesehen“, schaltete sich Morgan ein, während Bowie und Roskill verständislos von einem zum anderen blickten.

„Verdammt, was geht hier eigentlich vor?“ schnaubte Roskill. „Ihr quasselt euch die Mäuler fusselig, und wir beide verstehen kein einziges Wort.“

Der Profos hob beschwichtigend die Hand.

„Immer der Reihe nach, Leute. Matt stürzte ab, als der Boden nachgab und wir hockten solange auf dem Felsen, bis mein Hintern ganz kalt – äh – ich meine, bis das Wasser abgelaufen war. Dann zogen wir los, durch Hunderte von Gängen und Höhlen. Später gelangten wir in einen Gang, den man künstlich angelegt hat, und der das gleiche Schlangenzeichen aufweist wie die Felswände hier oben. Gleich darauf entdeckten wir eine Art Tempel in deren Mitte der Schlangengott steht, der sich um eine aus Bronze gegossene Indianerin windet. Wir waren höllisch erschrocken und marschierten weiter. Etwas später gelangten wir ins Freie, und zwar auf der anderen Seite der Insel zwischen den Klippen. Das ist alles.“

„Ja, und ich bin euch nachgegangen und habe das gleiche entdeckt, den Tempel, den Ausgang. Dann bin ich zurückgelaufen, und im selben Moment tauchtet ihr auf“, berichtete Luke Morgan.

„Und wie ist es euch gelungen, die ‚Isabella‘ zu verlassen?“ forschte der Profos mit gerunzelten Brauen.

„Hasard sprach mit der Korsarin, die ihm erlaubte, drei Männer loszuschicken.“

„Hat er gesagt, wo wir wären?“

„Nur, daß ein Mann in eine Felsspalte fiel“, berichtete Jeff Bowie. „Genaueres hat er nicht gesagt.“

„Gut, ich verlange von euch strengstes Stillschweigen, ist das klar? Niemand verliert auch nur ein Wort über den Tempel und die unterirdischen Höhlen. Vermutlich haben die verlausten Piraten sie noch nicht entdeckt. Ihr sagt auch zu Hasard nichts, er wird das von mir noch ausführlich und rechtzeitig erfahren. Geht das in eure verdammten Schädel rein?“

„Sicher, Ed, niemand sagt ein Wort“, erwiderte Roskill. „Und jetzt gehen wir an Bord zurück, oder?“

„Spinnst du?“ grollte Carberry. „Jetzt werden wir uns etwas aushekken und diese verdammte Brut zum Teufel jagen. Ich habe da auch schon eine Vorstellung, wie wir das ...“

Morgan schob sich vor den Profos.

„Hör zu, Ed! Hasard hat ausdrücklich verboten, etwas zu unternehmen. Sobald ihr befreit seid, sollen wir geschlossen unverzüglich an Bord zurückkehren.“

„Da spiel ich nicht mit“, fluchte Carberry. „Das hat Hasard sicher nicht so gemeint. Wir müssen unsere Leute da heraushauen.“

Carberry war nur sehr schwer zu überzeugen, daß Hasard es wirklich ernst gemeint hatte. Er wollte es nicht glauben, und er versuchte, sich in Hasards augenblickliche Lage zu versetzen. Leider gelang ihm das nicht ganz, weil ihm der Überblick fehlte.

„Sei vernünftig, Ed!“ herrschte Morgan ihn an. „Wir haben es Hasard versprochen, und wir halten es auch. Wenn wir etwas unternehmen, schlitzen sie dem Seewolf den Hals auf.“

„Aber vielleicht hat Hasard doch nur so ...“ Der Profos sträubte sich noch immer, es widerstrebte ihm zutiefst, sich einfach an Bord in die Gefangenschaft zu begeben.

„Hasard hat es ernst gemeint, verflucht noch mal. Er ist auf der Stelle ein toter Mann, wenn wir nicht gehorchen. Geht das jetzt endlich in deinen Dickschädel?“ schrie Morgan.

„Verdammte Scheiße!“ fluchte Carberry. „Aber diesem Miststück von einem Weib zieh ich die Hosen aus, und dann wird sie mich mal von meiner übelsten Seite kennenlernen. Ich wüßte, wie man sie überlisten könnte“, meinte er nachdenklich.

Morgan raufte sich fast die Haare. Himmel, wenn der Profos sich einmal etwas in seinen Schädel gesetzt hatte, dann wollte er am liebsten durch die Wand rennen, auch wenn die Wand aus Granit war.

Schließlich gab er klein bei. Aber er motzte so lange herum, bis sie unten am Strand waren. Dort blieb er stehen, ging ein paar Yards nach rechts und blieb wieder stehen, bis er den roten Segler zwischen den Felsen entdeckte.

„Nicht zu fassen“, hörten sie ihn murmeln. „Eine Frau, ich kapier das einfach nicht.“

Kopfschüttelnd wandte er sich ab. Sein Gesicht war verschlossen und mürrisch, sein Rammkinn stach wie ein gewaltiger Amboß in die Luft, und seine Lippen waren verkniffen. Wütend starrte er zu der „Isabella“ hinüber, auf deren Deck ein paar fremde Gestalten zu erkennen waren.

Morgan pullte los, bis sie an der Bordwand anlegten.

Der Seewolf blickte erleichtert hinunter, aber der Profos sah noch andere Visagen, und die gefielen ihm gar nicht.

Stocksauer enterte er auf, sah dann die Frau und blieb wie vom Donner gerührt stehen. Von überall drohten ihm Musketenläufe entgegen.

Hasard hatte diesen Gesichtsausdruck bei dem Profos noch nie gesehen, obwohl sie sich schon lange kannten. In dem Blick lag alle Verachtung dieser Welt.

„Ich bin froh, daß ihr heil zurück seid, Ed“, sagte Hasard.

„Ich nicht“, murrte Carberry. „Wenn ich diese verdammten Galgenvögel sehe, würde ich lieber weiterhin in der Felsspalte hocken.“

Einer der Piraten kreuzte seinen Weg.

„Ruhig Blut, Großer“, schnauzte er Carberry an. „Hier wird nicht gemekkert, kapiert?“

Carberry ging auf ihn zu, ungeachtet der vielen Läufe, die ihn bedrohten.

„Wenn du lausiger Hurenbock noch einmal die Schnauze aufreißt, stopfe ich sie dir!“ brüllte er unbeherrscht los.

Der Kerl wollte sich auf Carberry stürzen, aber ein Zuruf der Roten Korsarin stoppte ihn.

„Keinen Streit an Deck, wir haben uns geeinigt.“

Carberry ignorierte das „Miststück“, wie er Siri-Tong insgeheim nannte. Er wandte sich an Hasard.

„Was heißt hier geeinigt? Über was?“

Hasard erklärte es ihm. Als er mit seinem Bericht fertig war, fiel dem Profos die Kinnlade herunter. Davies, Bowie, Morgan und Roskill, die ebenfalls noch nichts davon wußten, waren platt.

„Wettkämpfe?“ echote der Profos ungläubig. „Und du glaubst, diese lausigen Kakerlaken werden sich daran halten?“

„Sie halten sich daran“, erwiderte Hasard.

„Und wenn wir verlieren, sind wir die Galeone los und erhalten dafür den lausigen Nachttopf mit den roten Segeln?“ fragte er weiter.

„So lautet die Abmachung.“

„Genug geredet“, fuhr Siri-Tong dazwischen. „Ihre Männer haben wieder unter Deck zu verschwinden, Seewolf!“

Siri-Tong trat näher und musterte Carberry.

„Sie sind der Profos der ‚Isabella‘?“

Carberry sah durch sie hindurch. Er gab keine Antwort.

„Ich habe sie etwas gefragt, Profos!“ sagte sie scharf. Und als Ed immer noch nicht antwortete, fuhr ihr Degen blitzschnell hoch und bohrte sich leicht in seine Brust.

„Schluß jetzt“, sagte Hasard gepreßt. „So kommen wir nicht weiter.“

Aber Carberry war nicht zu bremsen. Sein Arm fuhr hoch, flink und schnell, packte die scharfe Klinge und riß sie der verblüfften Korsarin aus der Hand. Noch bevor jemand reagieren konnte, zerbrach der Profos den Degen und warf die Reste auf die Decksplanken.

Das alles geschah in Sekunden. Sofort bohrten sich Carberry Musketenläufe ins Kreuz, und einer der Kerle sah aus, als ob er jeden Moment abdrükken würde.

Die Korsarin war fassungslos. Matt und die anderen standen herum und grinsten. Auch der Profos grinste wie ein Höllenhund.

„Unter Deck mit ihm Gebt auf den Kerl acht, das scheint ein ganz Wilder zu sein“, sagte sie.

Carberry blieb nichts anderes übrig, als zu verschwinden. Die anderen begleiteten ihn zähneknirschend. Nur der Seewolf stand noch da, die Lippen zusammengepreßt, die Augen drohend. Er wußte, Carberry konnte nicht anders, er mußte sich erst einmal abreagieren. Und das hatte er soeben getan. Jetzt fühlte er sich anscheinend wohler.

Unter Deck wurde der Profos mit Hallo begrüßt.

„Nimm’s nicht so tragisch“, versuchte ihn sein alter Freund Ferris Tucker zu trösten. „Wir haben uns auch nicht damit abgefunden, aber wenn morgen die Kämpfe stattfinden, werden wir es diesen Halunken schon zeigen.“

„Soll ich nicht lieber mit der Axt kämpfen?“ fragte Ed. „Ich habe genau die richtige Wut im Bauch, und ich werde diesen lausigen Bastarden schon zeigen, was los ist.“

„Überlaß das lieber mir, du bist noch zu hitzig. Dabei muß man kalt wie Eis bleiben.“

„Zumindest ist sein Hintern kalt wie Eis!“ rief Matt Davies lachend. „So langsam kühlt er am ganzen Körper ab.“

„Ach, halt die Schnauze“, knurrte Ed. „Das ist längst vergessen.“

Dan O’Flynn, der sich mit Old Shane unterhalten hatte, trat näher. Seinem Gesicht war anzusehen, wie es in ihm tobte. Sein Temperament war wieder am Überschäumen.

„Ich würde die ganze Brut am liebsten zusammenschlagen, Ed. Ein Jammer, daß wir beide nicht mitkämpfen können.“

„Du sagst es, Dan. Aber vielleicht ergibt sich eine Gelegenheit, doch noch mitzumischen. Wenn sich alle auf die Kämpfe konzentrieren, können wir uns ein paar Burschen schnappen.“

„Seewolf haben verboten“, sagte der riesige Gambia-Neger Batuti. „Sagen, Rote Korsarin haben alle am Leben gelassen, obwohl hätten abmurksen können alle.“

Naja, dachte Carberry niedergeschlagen. Warten wir den morgigen Tag ab, Hasard wird schon seine Gründe haben.

Von den Höhlen und dem Schlangentempel sagte er kein Wort. Auch die anderen schwiegen darüber, so wie es vereinbart war.

Nach einer Weile, die Dämmerung brach gerade über die Insel herein, kam auch der Seewolf unter Deck.

Im Laderaum wurden zwei Öllampen entzündet. Ihr flackernder Schein warf die Schatten der gefangenen Männer grotesk an die Wände.

„Versaut euch nicht gegenseitig die Stimmung“, sagte Hasard. „Mir paßt es auch nicht. Carberry hat die Stimmung unter den Piraten schon genügend angeheizt, als er den Degen zerbrach. Ruht euch aus, damit wir morgen frisch sind. Schließlich wollen wir unser Schiff behalten.“

„Und was ist mit dem Fisch, den der Kutscher gebacken hat?“ fragte Dan, der ewig Hunger hatte. „Fressen die Kerle den etwa selbst?“

Ein paar Männer lachten.

„Der ist sowieso längst kalt“, sagte Smoky.

Über ihren Köpfen trampelte es. Die Piraten lungerten auf der Kuhl herum, sie quatschten, soffen und grölten, während die Seewölfe vor Wut mit den Zähnen knirschten.

Doch etwas später begannen einige, ihre Meinung über die Rote Korsarin insgeheim zu revidieren. Das war dann, als das Luk geöffnet und der vom Kutscher gebackene Fisch heruntergereicht wurde. Dazu gab es vier Krüge Rotwein.

„Muß schon sagen“, murmelte Dan O’Flynn kauend, „so schlecht ist das Weib gar nicht. Jedenfalls scheint sie ihr Wort zu halten.“

Alle aßen, außer Carberry, der nicht dazu zu bewegen war. Für ihn war das alles noch zu neu, und wenn er an das Weibsstück dachte, stieg ihm die Galle hoch. Finster schmiedete er an einem Plan, wie man die Piraten doch noch überlisten konnte.

Nach dem Essen hauten sie sich hin, bewacht von den Piraten, die Wachen aufgestellt hatten und auf dem Schiff hin und her gingen.

Der Rest der Nacht verlief ruhig.

Seewölfe Paket 4

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