Читать книгу Seewölfe Paket 4 - Roy Palmer - Страница 18
3.
ОглавлениеDie Inspektion des Capitan Don Pedro hatte ein katastrophales Ergebnis gebracht. Der Sturm war in seinen Auswirkungen noch ärger gewesen, als der Capitan angenommen hatte. Brecher hatten die schweren Bohlentüren, die ins Innere des Achterkastells führten, eingedrückt und das Wasser bis weit ins Schiffsinnere gespült. Auch in die Pulverkammer.
Don Pedro sah sich die Verwüstungen an. Zorn erfaßte ihn, denn niemand an Bord der „Santa Magdalena“ schien daran gedacht zu haben, Türen und Luken gegen die Gewalt der überkommenden Brecher zu sichern. Praktisch bedeutete das, daß die „Santa Magdalena“ fast wehrlos sein würde, wenn Piratenschiffe sie angriffen.
Der Capitan stürmte an Deck. Er mußte jetzt retten, was noch zu retten war. Jeder Mann, der von den Pumpen abgezogen werden konnte, mußte in die Pulverkammer. Das noch trockene Pulver mußte in Fässer gefüllt werden, das nasse Pulver über Bord. Dann sollte der Segelmacher Kartuschen nähen, damit die Geschütze rasch nachgeladen werden konnten.
Capitan Don Pedro hastete zum Achterdeck hoch. Er hatte fünf Leute im Sturm verloren, für die anstehenden Arbeiten war jetzt jede verfügbare Hand nötig.
Ein boshaftes Grinsen umzuckte seine Lippen. O ja – jede Hand! Auch dieser Laffe von Passagier, der sich vorhin ihm gegenüber so aufgespielt hatte, würde jetzt lernen, was Arbeit unter Deck war.
Don Pedro befahl seinen Ersten Offizier zu sich.
„Senor Rodriguez, Sie werden sofort jeden verfügbaren Mann zusammen mit dem Waffenmeister und Segelmacher in die Pulverkammer schicken. Auch Senor Gonzales, den wir als Passagier an Bord genommen haben. Uns bleibt keine Wahl, unsere Pulvervorräte sind zum größten Teil von Seewasser verdorben, wir müssen retten, was zu retten ist, und das schnell!“
Rodriguez hob die Brauen.
„Senor Capitan, ich möchte doch zu bedenken geben, daß Senor Gonzales und seine Verlobte …“
„Sie tun, was ich befohlen habe!“ schnitt der Capitan ihm das Wort ab. „Ich verantworte das, sofern das erforderlich werden sollte. Wir befinden uns in einer Notlage, das rechtfertigt jede Maßnahme, solange sie der Sicherheit unseres Schiffes dient.“ Der Erste Offizier salutierte, dann verließ er das Achterkastell. Im stillen verwünschte er diesen Auftrag, denn er wußte, daß es jetzt gleich Ärger geben würde. Verdammt noch mal, wie kam dieser Capitan nur auf die Idee, den Neffen des Gouverneurs von Havanna zu solchen Arbeiten heranzuziehen? Hatte den Capitan denn der Teufel geritten?
Senor Rodriguez überquerte das Quarterdeck. Weiter vorn, zwischen den Geschützen, im Windschatten des Schanzkleides und der schweren Lafetten, sah er die beiden stehen, das junge, in seinen Augen recht hübsche Mädchen und den etwas stutzerhaften Senor Gonzales.
Unwillkürlich blieb er stehen. Diesen Capitan sollte der Teufel holen. Der Kerl mußte komplett verrückt sein, wenn er das von ihm verlangte. Überhaupt war der Alte schon seit einiger Zeit recht merkwürdig. Allein schon dieses eigensinnige Beharren auf das sofortige Auslaufen trotz der Warnung des Hafenkapitäns, trotz der drohenden Anzeichen für diesen Sturm, der ja dann auch prompt mit aller Macht über sie hergefallen war.
Doch dann hob Senor Rodriguez die Schultern und ging weiter. Befehl war Befehl, oder er brachte sich selber in Teufelsküche!
Dicht vor dem jugen Gonzales blieb er stehen und salutierte.
„Senor, darf ich Sie für einen Moment bitten? Ich habe Ihnen einen Befehl des Kapitäns zu überbringen.“
Gonzales runzelte die Stirn.
„Einen Befehl?“ brauste er auf. „Senor, was soll das bedeuten? Hier an Bord hat mir kein Mensch etwas zu befehlen, ich werde mich sofort beim Capitan beschweren …“
In diesem Moment wurde ihm das Unsinnige seiner Worte klar.
Der Erste Offizier war einen Schritt zurückgetreten und hatte die Hand an seinen Degen gelegt.
„Senor Gonzales, ich verbiete Ihnen, in diesem Ton mit einem Offizier Ihrer Allerkatholischsten Majestät zu sprechen. Wenn Sie sich nicht mäßigen, muß ich das leider als eine schwere Beleidigung auffassen und Sie um Genugtuung bitten!“
Auch er spürte, wie der Zorn über diesen jungen Gecken in ihm aufwallte. Vielleicht hatte der Capitan doch recht, wenn er diesen Burschen mal ein wenig zusammenstauchte. Plötzlich sah Senor Rodriguez die Dinge in einem völlig anderen Licht, zumal auch ihm aufgefallen war, was für ein selbstherrliches, arrogantes Pärchen da zu ihnen an Bord gestiegen war.
Senor Rodriguez wurde dienstlich, seine Miene eine einzige, eisige Unnahbarkeit.
„Also gut, Senor, wenn Sie nicht wollen, dann werde ich Ihnen eben hier im Beisein Ihrer Verlobten mitteilen, was mir der Capitan aufgetragen hat.“
Er legte eine Pause ein, um seinen Worten noch mehr Nachdruck zu verleihen, während Gonzales, die Hand immer noch am Degen, ihn aus schmalen Augen anstarrte. Die junge Frau, Dona Elvira, schob sich näher an die beiden heran, damit ihr nur ja kein Wort entging.
„Also, was haben Sie mir vom Capitan mitzuteilen? Um was läßt er mich ersuchen?“ Dieser Satz war in einem so arroganten Ton gesprochen worden, daß dem ersten Offizier das Blut in den Kopf schoß.
„Er läßt Sie um nichts ersuchen, Senor!“ zischte er den überraschten Gonzales an. „Der Capitan hat mich beauftragt, Ihnen seinen Befehl zu übermitteln, daß Sie sich sofort in die Pulverkammer zu verfügen haben, um dort dem Segelmacher und dem Waffenmeister und einigen anderen Männern zu helfen, die Pulvervorräte zu sortieren, weil Seewasser in die Pulverkammer eingedrungen ist.“
Gonzales glaubte, nicht richtig gehört zu haben. Seine Rechte umkrampfte den Griff des Degens, sein Gesicht war bei den Worten des ersten Offiziers kreidebleich geworden.
„Was hat mir der Capitan beföhlen?“ fragte er leise und glaubte es noch immer nicht. „Ich soll in die Pulverkammer, um dem Segelmacher und dem Waffenmeister und einigen anderen Männern …“
Erst in diesem Moment wurde ihm bewußt, welch eine Ungeheuerlichkeit, welch eine tödliche Beleidigung dieses Ansinnen für ihn darstellte.
Wie in Trance hörte er die Worte des ersten Offiziers, während sich plötzlich vor seinen Augen rote Kreise zu drehen begannen. Gonzales litt unter regelrechten Anfällen von Jähzorn, und jetzt packte er ihn von einer Minute zur andern. Die bereits zuvor auf dem Achterkastell erlittene Demütigung durch den Capitan trug in diesem Moment auch noch ihren Teil dazu bei.
„… unser Schiff befindet sich in einer Notlage, das gibt dem Capitan das Recht, jede ihm erforderlich scheinende Maßnahme zur Sicherheit der „Santa Magdalena“ zu ergreifen. Ich darf Sie daher bitten, dem Befehl unverzüglich Folge zu leisten …“
Mehr hörte Senor Gonzales nicht. Seine Rechte fuhr mit dem Degen hoch. Die lange, spitze Klinge zischte durch die Luft und bohrte sich dem völlig überraschten Senor Rodriguez in die Brust.
Aus weitaufgerissenen Augen starrte er seinen Mörder an. Seine Lippen öffneten sich zu einem Schrei, aber Rodriguez brachte keinen Laut heraus. Ein Blutschwall drang aus seinem Mund, dann stürzte er auf die Planken des Decks.
Dona Elvira, die diese Wahnsinnstat ihres Verlobten beobachtet hatte, taumelte entsetzt zurück und prallte gegen den Hauptmast, der sich nur wenige Schritte hinter ihr befand. Sie begriff in diesem Moment gar nichts, sie nahm nicht einmal wahr, daß Senor Gonzales bereits über das Hauptdeck aufs Achterkastell zujagte, den gezückten Degen in seiner Rechten. Sie sackte vielmehr am Großmast zusammen und blieb dort bewegungslos liegen.
Gonzales hatte die Stufen erreicht, die zum Achterkastell hochführten. Er jagte sie hoch. „Was?“ schrie er dabei. „Mir, dem Neffen des Gouverneurs von Havanna, eine solche Beleidigung? Das kann nur mit Blut abgewaschen werden!“ Seine Stimme überschlug sich, und das war der Moment, in dem er auf das Achterkastell sprang.
Capitan Don Pedro stand wie erstarrt, er konnte nicht glauben, daß das geschehen war, was er mit eigenen Augen hatte ansehen müssen.
„Sie Wahnsinniger!“ brüllte er auf, als er den jungen, jähzornigen Spanier auf sich zustürmen sah, Schaum vor dem Mund.
Er riß seine Pistole aus seinem Gürtel, statt nach dem Degen zu greifen.
Mit einer Handbewegung spannte er den Hahn, riß die Waffe hoch und drückte ab.
Aber nur ein leises Klicken erklang, das Pulver war naß, die Pistole versagte.
Seine Rechte fuhr zum Degen und ließ die nutzlose Pistole fahren, die polternd auf die Planken fiel. Aber es war bereits zu spät, denn der Rasende war heran.
Noch bevor der Capitan seinen Degen ganz aus der Scheide hatte, fuhr dem Capitan die lange, spitze Klinge seines Gegners in den Leib.
Capitan Don Pedro schrie auf. Mit einem Ruck riß er den Degen aus seinem Körper, preßte seine Hände vor die Wunde und taumelte gegen das Schanzkleid des Achterkastells.
Aber Gonzales war jetzt wie in einem Rausch. Er drang auf den tödlich Verwundeten ein, stieß dabei unartikulierte Laute aus und stemmte ihn mit furchtbarer Kraft über das Schanzkleid.
Capitan Don Pedro erkannte die Gefahr, seine starken Seemannshände griffen zu, erwischten den Tobenden am linken Arm und zogen ihn unbarmherzig mit in den Sturz hinein.
Verzweifelt wehrte sich Gonzales, der in diesem Moment aus seinem Jähzorn erwachte, aber es half ihm nichts. Der Capitan rutschte über das Schanzkleid, in wildem Schmerz krümmte er sich zusammen und warf gleichzeitig den Oberkörper zurück.
Das gab den Ausschlag. Mit einem gellenden Schrei verschwand Gonzales zusammen mit seinem zweiten Opfer hinter dem Backbordschanzkleid. Sekunden später schlugen die beiden Körper ins Wasser.
Der Capitan ging sofort unter, und er zog seinen Mörder mit sich in die Tiefe. Nicht einmal im Tode ließ er ihn los.
Auf der „Santa Magdalena“ herrschte Totenstille. Die Männer, die das grausige Geschehen beobachtet hatten, begriffen dennoch nicht sogleich, was passiert war. Als erster erwachte der Steuermann, ein breitschultriger Spanier mit etlichen Narben im Gesicht, aus seiner Erstarrung. Seine Stimme dröhnte über Deck, er jagte die Männer in die Wanten.
„Mann über Bord – alles klar bei Halse!“ schrie er, und jetzt erst schienen auch die schwerfälligsten der Seeleute zu kapieren, was geschehen war.
Einer der Spanier, der am Großmast vorbeirannte, versetzte der bewußtlosen Dona Elvira einen derben Tritt in die Kehrseite. Er hatte diese beiden arroganten Nichtstuer sowieso nicht leiden können.
Die „Santa Magdalena“ schwang herum. Schwerfällig ging sie auf Gegenkurs, und sie brauchte solange dazu, daß es dem Steuermann, der jetzt das Kommando übernommen hatte, wie eine Ewigkeit erschien.
Sie suchten die See ab, setzten trotz des immer noch hohen Seegangs ihre beiden Boote aus, aber sie fanden weder den Capitan noch seinen Mörder. Die See hatte sie verschlungen, und sie gab ihre Opfer nicht wieder frei.
Stunden später lag die „Santa Magdalena“ wieder auf ihrem alten Kurs. Sie wurde von dem starken Westwind näher und näher auf die nördlichen Ausläufer Hispaniolas zugetrieben, die zusammen mit dem gegenüberliegenden Cuba die schmalste Stelle der Windward Passage bilden.
Der Steuermann wußte, daß jetzt nur noch mühsames Kreuzen helfen würde, im ersten Anlauf schafften sie die Durchfahrt nicht mehr.
Wieder schwang die „Santa Magdalena“ herum. Dona Elvira, von der ganzen Mannschaft wie eine Aussätzige gemieden, stand am Schanzkleid des Achterkartells und starrte auf die See. Der Schock des Geschehenen steckte noch tief in ihr, und sie spürte und sah die feindseligen Blicke der Mannschaft, sobald einer der Männer in ihre Nähe geriet.
Aber sie traute sich nicht unter Deck, so gern sie sich verkrochen hätte. Irgendwie spürte sie, daß dies alles erst der Anfang allen Unheils war, das dem Schiff bevorstand. Und dunkel ahnte sie, daß sie Havanna nie mehr erreichen würde.
Den toten ersten Offizier hatte der Segelmacher eingenäht, er sollte gegen Abend, sobald sie die Windward Passage hinter sich gelassen hatten, auf Seemannsart bestattet werden. Es hatte nicht an Stimmen gefehlt, die vom Segelmacher und vom Steuermann gefordert hatten, jene Hexe, die mit dem Mörder an Bord gekommen war, auch gleich mit einzunähen.
Nur mit Mühe hatte sich der Steuermann gegen die aufgebrachten und von Furcht und Aberglauben heimgesuchten Männer durchsetzen und das Allerschlimmste verhindern können. Natürlich war das alles Dona Elvira auch nicht verborgen geblieben. Innerlich zitterte sie vor Angst.
Es war am Nachmittag. Die „Santa Magdalena“ hatte gerade wieder eine Halse zu einem neuen langen Schlag gefahren, da erschallte aus dem Ausguck der Galeone der Ruf: „Mastspitzen Steuerbord voraus!“
Der Steuermann, Pablo Sanchez, fuhr herum. Er starrte in die angegebene Richtung, und auch er sah sie Minuten später.
Er stieß einen ellenlangen Fluch aus, denn diese Mastspitzen, die. genau den Kurs seines Schiffes kreuzten, konnten nichts Gutes bedeuten.
„Klarschiff zum Gefecht!“ brüllte er, und im stillen beglückwünschte er sich jetzt, daß er den Segelmacher und den Waffenmeister jenen letzten Befehl Don Pedros noch hatte ausführen lassen, wegen dem es an Bord der Galeone drei Tote gegeben hatte.
Die Spanier starrten zu den Mastspitzen hinüber, die sehr schnell über die Kimm wuchsen und schon jetzt zwei jener Karavellen mit Lateinertakelung erkennen ließen, wie sie von den Piraten der Karibik bevorzugt wurden.
Einige der Männer bekreuzigten sich, ehe sie daran gingen, die Geschützpforten hochzuziehen und die fertigen Segeltuchkartuschen in die Rohre der Vierzehnpfünder zu schieben.
Sie bekreuzigten sich zu Recht, denn die beiden Schiffe, die die Galeone ebenfalls entdeckt hatten, gehörten zu Caligus Dreiergeschwader.