Читать книгу Seewölfe Paket 4 - Roy Palmer - Страница 7
3.
ОглавлениеEin ellenlanger Fluch zerriß die Stille. Er hörte sich wild und dumpf heulend an, und er versuchte den Gong und das Pfeifen und Gurgeln zu übertönen.
„Das ist doch der Profos!“ schrie Brighton. „Er flucht! So kann nur Ed fluchen, aber wo, zum Teufel, steckt er?“
Hasard verzichtete auf eine Antwort. Er hatte gehört, von wo das wilde Brüllen und Fluchen ertönte. Er wirbelte herum und lief ein Stück zurück, gefolgt von der ganzen Meute.
Was er dann sah, weigerte sich sein Verstand zu glauben.
Er starrte in ein riesiges Loch, und aus diesem Loch erklang Carberrys lautstarkes Fluchen. Er befand sich irgendwo tief unter ihnen.
Hasard sah, daß eine der Felsenplatten unter Carberrys Gewicht nachgegeben hatte und geborsten war. Und der Profos war mitsamt der Platte nach unten in die Tiefe gestürzt.
Aus dieser Tiefe drangen außer Carberrys unanständigem und pausenlosem Gefluche auch die merkwürdigen Töne – der Gong, das Rauschen, Pfeifen und Gurgeln.
Mit einem wilden Satz sprang der Seewolf zurück, als die Felsplatte unter seinen Stiefeln weiter abbrökkelte und ihn ebenfalls in die Tiefe zu reißen drohte.
„Kommt nicht näher heran“, warnte er die Männer. „Bleibt da stehen, wo ihr jetzt seid. Ich werde nachsehen.“
Auf dem Bauch kroch er näher.
Er brauchte ein paar Sekunden, bis sich seine Augen an die Finsternis da unten gewöhnt hatten. Sprachlos blickte er hinunter.
Ein Wasserwirbel schoß in rasender Fahrt dahin wie ein wilder Bach. Es schäumte und gurgelte, pfiff und sang. Und immer wieder dröhnte der unheimliche Gong dazwischen.
Hasard hatte jetzt die Erklärung. Der Gong wurde durch Wogenschlag in einem hohlen Felsen verursacht und pflanzte sich durch die Felswände wie ein Echo fort. Das Rauschen und Gurgeln rührte von dem wild dahinschießenden Wasser her.
Und unten in dem dunklen Abgrund hockte der Profos. Naß wie eine große Ratte hockte er an einem stalagmitartigen Felsen, an dem er sich mit beiden Händen verzweifelt festklammerte. Sein Unterkörper hing im Wasser, das wirbelnd an ihm vorbeischoß und ihn mitzureißen drohte.
„Kannst du mich hören, Ed?“ schrie der Seewolf hinunter.
„Ja!“ brüllte Carberry hohl zurück. „Was ist denn das für eine verdammte Scheißinsel? Ich kann jeden Moment ersaufen. Verfluchter Mist!“
Die Seewölfe, erleichtert darüber, daß der Profos noch so stimmgewaltig fluchen konnte, schoben sich vorsichtig von der anderen Seite der Felsen näher und blickten in den finsteren Schlund.
Immer wieder zog das Wasser Carberrys Beine fort. Sein Gesicht war ein heller, verschwommener Fleck mit zwei wild rollenden Augen.
„Bist du verletzt, Ed?“ rief der Seewolf.
„Scheiß auf die Verletzung, ich will hier raus!“ fluchte Ed.
„Ich weiß nicht, wie wir dich raufholen sollen. Du bist mindestens fünf Yards tief gefallen!“
„Das merke ich an meinen Knochen, verdammt! Dieser verfluchte Gong regt mich langsam auf!“
„Versuche, dich höher hinaufzuziehen, Ed!“
„Gleich lach ich mich tot!“ ertönte es wild grollend von unten. „Ich bin froh, daß ich den verdammten Felsen überhaupt erwischt habe. Das Wasser reißt zu stark. Ich kann mich nicht bewegen.“
Diesmal fluchte der Seewolf ausgiebig. Den Profos mußten sie hier so schnell wie möglich herausziehen, sonst würde er von dem reißenden Strom gepackt und in die unterirdische Kaverne mitgezerrt werden. Und was Carberry dann blühte, konnte sich jeder ausrechnen.
Hasard faßte seinen Entschluß.
„Dan!“ rief er. „Lauf, so schnell du kannst, an Bord. Bring Tauwerk mit, oder eine Jakobsleiter, ein Seil. Aber es muß schnell gehen, beeile dich. Nimm den Weg hier herunter an den Felsen vorbei. Du wirst dort unten auf die Bucht stoßen.“
„Aye, aye!“
O’Flynn stellte keine weiteren Fragen. Wie ein Blitz sauste er los. Er wußte, was von ihm abhing, deshalb mußte er so schnell wie möglich wieder zurück sein.
Unterdessen redeten die anderen dem Profos zu.
„Seine Lage ist höllisch beschissen“, sagte Ben. „Wenn er sich nicht halten kann, reißt ihn das Wasser für alle Zeiten fort. Woher kommt die verdammte Brühe nur?“
„Das wird mit der Passage zusammenhängen“, sagte Old Shane. „Das Wasser schießt schwallartig herein, in einem ganz bestimmten Zeitabstand, dann gurgelt es hier durch und verliert sich wieder in der Bucht.“
„Eine gute Antwort“, sagte Hasard. „Jedenfalls würde das so manches erklären.“
Er wandte sich wieder dem Profos zu, der den oberen Felsenteil so leidenschaftlich umarmte, als hätte er eine Frau vor sich.
„Ed, halte aus. Dan ist unterwegs, um Taue zu holen. Anders kriegen wir dich nicht da raus!“
„Hoffentlich beeilt sich der Kerl, sonst ziehe ich ihm die Haut in Streifen von seinem verdammten Affenarsch!“
„Er kann eben nie auf seinen Lieblingsspruch verzichten“, sagte Morgan grinsend. „Selbst wenn er bis zum Hals in der Scheiße steckt!“
Ein paar lachten dröhnend, trotz der ernsten Lage. Carberry würde es schon noch eine Weile aushalten, der hatte Kraft für zehn Männer.
Trotzdem wurde es immer bedenklicher. Der Sog des reißenden Wassers verstärkte sich noch und damit verstärkte sich auch gleichzeitig Carberrys Fluchen, der jetzt langgestreckt am Felsen hing, die Beine weit hinter sich im Wasser.
„Verdammt“, sagte Hasard inbrünstig. „Wenn man ihm doch nur helfen könnte. Ed!“ schrie er dann wieder hinunter, „du mußt versuchen, hinter den Felsen zu gelangen, dort treibt das Wasser nicht so stark.“
„Weiß ich, aber ich schaffe es nicht. Wenn ich eine Hand loslasse, bin ich weg!“
Die Zeit verging. Hasards Ungeduld nahm zu, und der Profos hing wie ein Schiffsjunge an der Rah, der sich zum erstenmal auf den Mast getraut hatte.
Wo, zum Teufel, blieb Donegal Daniel O’Flynn?
„Wann, verdammt, kommt dieser Höllenhund denn endlich?“ keuchte der Profos. „Der ist doch schon seit einem halben Jahr weg!“
„Er wird gleich da sein, Ed, gleich. Jede Minute muß er auftauchen. Gib nicht auf!“
Der Profos schwitzte in dem kühlen Wasser. Der Schweiß lief ihm in Strömen über das Gesicht. Seine Muskeln versteiften sich, schließlich mußte er seinen eigenen schweren Körper schon länger als eine Viertelstunde festhalten. Und der scharfkantige Felsen scheuerte ihm langsam die Hände auf. Kein Wunder, daß seine Stimmung immer schlechter wurde. Sogar mit dem Fluchen hörte er allmählich auf. Bei Ed Carberry war das ein schlimmes Zeichen.
Hasard trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Er hatte die Lage der Insel ungefähr im Kopf und rechnete den Weg nach, den Dan genommen hatte. So lange konnte das doch gar nicht dauern!
War ihm etwas passiert? Hasard konnte sich das nicht vorstellen. Und immer wieder dröhnte der Gong über die ganze Insel, gurgelte das Wasser, schäumte und brodelte es um Carberry, der jetzt langsam daran war, die Nerven zu verlieren, wenn nicht bald Hilfe erschien. Er hatte Angst vor diesem schwarzen, niedrigen Loch hinter sich. Wenn er losließ, mußte er elend ertrinken, dort ging es wahrscheinlich direkt in die Erde – oder zur Hölle, jedenfalls war es ein verdammt langer schwarzer Schlund, der sich hinter ihm auftat.
Es verging fast noch einmal eine Viertelstunde. Carberry war total ausgelaugt und erschöpft.
Und Dan ließ sich nicht mehr blikken!