Читать книгу Seewölfe Paket 28 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 26

3.

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Sie tauchten vor dem gefürchteten Außenriff an der Nordostspitze von Quatar, wo die kleine Tartane vor Anker lag.

Der Himmel war seidig-blau, und die Sonne schickte sengende Strahlen auf das Wasser. Aber das Meer war heute ganz besonders unruhig. Immer wieder fuhr ein heißer Windstoß darüber hin.

Der schmächtige Junge mit den braunen Augen saß auf den Planken und trank einen Schluck Dattelwein, der stark mit Wasser verdünnt war.

Zwölfmal war er heute getaucht und hatte keine einzige Muschel gefunden. Darüber war Selim sehr enttäuscht, Ahmed selbst aber auch. Er hatte lediglich ein paar Schwämme mit nach oben gebracht.

„Hier hat es keinen Zweck mehr“, sage Selim. „Vielleicht haben schon andere hier gesucht und alles abgegrast. Wir werden weiter ans Außenriff gehen und dort tauchen.“

Ahmed sah seinen Onkel furchtsam an.

„Am Außenriff taucht aber niemand“, sagte er, „dort ist das Meer tausend Männer tief, wie die anderen Fischer sagen. Es ist sehr gefährlich. Wenn man abgleitet, verschwindet man für immer.“

„Aber es sind Zaubergärten“, erwiderte Selim, „richtige Zaubergärten, in denen es von Muscheln nur so wimmelt. Du wirst Wunder schauen, wie du sie noch nie gesehen hast.“

Der Onkel verstand es, Ahmed zu überzeugen. Wenn etwas gefährlich war, dann strich er mit der Hand durch seinen dunklen Bart, lachte und machte sich darüber lustig.

Von anderen Fischern hatte Ahmed aber gehört, daß es an jener Stelle von Haien und anderen Riesenfischen nur so wimmelte. Es gab da auch eine Strömung, die einen in den finsteren Abgrund zog, wenn man in den Sog geriet. Außer den Fischen aber sollte es da noch andere sehr schreckliche Ungeheuer geben.

Ahmed unterbreitete dem Onkel seine Bedenken, aber der winkte nur lachend ab.

„Die anderen haben nur Angst“, sagte er abfällig. „Deshalb haben sie auch nichts gefunden. Wir aber werden dort die Schwarzen Tränen Allahs finden. Natürlich findet man die Perlen nicht leicht, sonst wären sie ja nicht so kostbar. Aber wer es in seinem Leben zu etwas bringen will, der muß auch eine Kleinigkeit riskieren.

„Auch sein Leben?“ fragte Ahmed zaghaft.

Der Onkel strich wieder durch seinen Bart. Aus den wenigen Silberfäden waren jetzt schon viel mehr geworden.

„Was ist schon – genaugenommen – ein Leben? Es ist nur ein kurzer Augenblick, den Allah uns auf Erden gewähren läßt. Das richtige Leben fängt erst später an, wenn man seine sterbliche Hülle abgelegt hat. Dann wird man von Allah ins Paradies aufgenommen, wo niemand Hunger oder Durst leiden muß. Dort warten die schönsten Mädchen auf einen, dort herrschen Frieden, Ruhe und Überfluß.“

Der Onkel geriet richtig ins Schwärmen und malte Ahmed aus, was ihn alles im Paradies erwarte. Er selbst schien es aber nicht so eilig zu haben, dorthin zu gelangen.

Ahmed selbst hatte es auch nicht eilig, aber er mochte dem Onkel nicht widersprechen, weil der ihn ja durchfütterte – unter großen Entbehrungen, wie er öfter betonte.

Aber da war die Angst vor diesen Tieren, die er nicht kannte, und auch die Zaubergärten fürchtete er, obwohl sie andererseits wieder seine Neugier weckten. Unbehaglich zog er die schmalen Schultern hoch.

Der Onkel erzählte ihm wieder von dem wundersamen schwarzen Riesenvogel, der sich tagsüber im Wasser aufhielt, aber nachts emporstieg und sich in die Lüfte erhob. Wenn man diesen Vogel sah, würde man eine der Schwarzen Tränen Allahs finden, denn der Vogel war der Wächter dieser Tränen.

Bisher hatte Ahmed den wundersamen, unter Wasser lebenden Vogel noch nie gesehen. Nur gehört hatte er von ihm. Es mußte ein mächtiges Tier mit gewaltigen Schwingen sein, die es im Wasser elegant bewegte. Vermutlich war es halb Fisch, halb Vogel, und es gab einige Fischer, die ihn schon mal gesehen hatten. Aber darüber hatten sie sich so erschreckt, daß sie die Suche nach den Schwarzen Tränen vergessen hatten.

Ob das alles so genau stimmte, wußte Ahmed nicht. Er konnte es auch nicht beurteilen. Aber es wurde viel darüber erzählt, abends, wenn die Fischer oder Perlentaucher am Strand beim Essen zusammensaßen.

Selim schreckte ihn aus seinen Gedanken.

„Los, Ahmed, wir segeln hinüber. Ich glaube, heute ist unser ganz großer Glückstag. Heute werden wir sie finden, die Schwarzen Tränen, und dann sind wir reich.“

Der Onkel deutete lachend ins Wasser.

„Das Meer ist heute etwas wild“, sagte er, „aber das braucht dich nicht zu ängstigen. Du bist ja sowieso die meiste Zeit unten, wo es still und ruhig ist. Ich muß da viel mehr Angst haben als du.“

Und wieder strich er lachend durch seinen dunklen Bart.

Eine halbe Stunde später befanden sie sich ganz außen am Riff. Vom Boot aus sah man nicht viel, nur eine helle grünliche Fläche, die jäh durch eine pechschwarze Zone unterbrochen wurde. Das Grün hörte übergangslos auf, und direkt daneben ging es so tief hinunter, daß man die Tiefe nicht einmal ahnen konnte.

Ahmed hatte eine Gänsehaut, als er in das schwarze Wasser blickte. Trotz der Hitze stieg eine Kältewelle nach der anderen in seinem Körper hoch.

„Du mußt dich immer am Ankertau entlangtasten“, riet der Onkel. „Dann kann gar nichts passieren.“

Ahmed nickte kläglich, nahm den Muschelkorb und sah nach, ob das Messer an seiner Hüfte richtig saß. Nachdem er tief Luft geholt hatte, sprang er ins Wasser.

Er hatte noch nie am Außenriff getaucht – ebenso wie die anderen Fischer, die nach Perlen suchten. Sie alle hatten Angst vor der wilden Strömung, der fürchterlichen Tiefe und den gräßlichen Untieren, die das Riff bevölkerten.

Am Ankertau stieg er langsam tiefer ab und sah sich um. Links vor sich gewahrte er eine schwarze drohende Wand. Sie war mit bunten Nesseltieren besetzt, deren Arme sich in der Strömung hin und her bewegten. Finstere Löcher gähnten in der Wand. Nach einem letzten Vorsprung fiel sie steil in die Tiefe ab wie ein gewaltiger Berg, von dessen hohem Grat man schaudernd hinabblickte.

Die Schönheit dieser Welt entschädigte Ahmed allerdings für seine Angst. Am Außenriff war es ganz anders als an den kleinen Korallenbänken. Aber dort war das Wasser auch nicht so tief.

Es war wirklich ein riesiger Zaubergarten, in den er geriet, und er sah sich mit neugierigen Augen um.

Da gab es farbenprächtige Fische, die nicht die geringste Scheu zeigten, als er sich ihnen näherte. Sie wichen erst dann ein Stück aus, wenn er die Hände ausstreckte.

Er erreichte den Stein, der als Anker diente, und hielt sich immer noch an dem Tau fest. Vor ihm befand sich eine wellige Zone aus hellgrünen Gräsern. Sie bewegten sich, als streiche unaufhörlich der Wind darüber. Alles war hier in pausenloser fließender Bewegung.

Wie gewohnt, sah er sich sofort nach Muscheln um. Das hatte Selim ihm immer wieder gepredigt. Er sah jedoch keine einzige, und so ließ er das Tau los und schwamm unter Wasser ein Stück weiter.

Eigenartige Tiere bewohnten diesen welligen Garten. Sie sahen wie kleine Aale aus, waren aber ganz bunt gemustert. Ahmed schwamm ihnen aus dem Weg, denn es gab kleine Seeschlangen, die ungeheuer giftig waren. An ihrem Biß starb man innerhalb kürzester Zeit.

Auch den Abgrund mied er sorgfältig, weil er dort immer das Gefühl hatte, in endlose Tiefen zu stürzen. Er schwamm dicht über den welligen Gräsern und tauchte dann auf, um Luft zu holen.

An der Oberfläche schüttelte er den Kopf, damit Selim wußte, daß er nichts gefunden hatte. Der Onkel nickte enttäuscht zurück.

Beim zweiten Tauchgang stöberte er einen jungen Hai auf, der erst erschreckt die Flucht ergriff, dann aber seine Neugier nicht bezähmen konnte und wieder umkehrte.

Ahmed nahm das Messer zur Hand und verhielt sich ruhig und abwartend. Sein Herz klopfte überlaut in der Brust, als der Hai sich ihm noch weiter näherte. Dann verschwand er ganz überraschend in einem riesigen klaffenden Loch in der Felswand.

Die Welt um ihn herum wurde immer bizarrer und wundersamer. Er bemerkte Fische, wie er sie noch nie gesehen hatte, Korallen von unglaublicher Farbenpracht und Größe.

Jedesmal, wenn er auftauchte, sah er, wie sich die kleine Tartane immer heftiger auf dem Wasser bewegte. Die Gestalt seines Onkels tanzte hin und her, und es gab immer einen Ruck, wenn das Schiff an der Ankertrosse zerrte.

Eigentlich war es Zeit, jetzt vom Außenriff abzulaufen und in die geschützte Bucht zu segeln. Aber Selim gab ihm kein Zeichen, und so tauchte er weiter und entfernte sich auch weiter vom Schiff.

Hier wuchsen überall kleine und große Felsen vom Grund nach oben. Es gab finstere Höhlen, Löcher und Spalten. Als er an einer vorbeischwamm und den Meeresboden absuchte, glotzten ihn zwei funkelnde Augen an. Die Augen sah er ganz deutlich, den Leib aber nicht, der war weiter hinten in der Höhle verborgen.

Ahmed schrak heftig zusammen. Ohne große Bewegungen zog er sich ganz langsam zurück. Dabei sah er, daß die Augen immer noch auf ihn gerichtet waren, als verfolgten sie aufmerksam jede seiner Bewegungen.

Schließlich wand sich unendlich langsam ein monströser, schenkelstarker Riesenleib aus der Grotte. Der häßliche Kopf pendelte hin und her, ein Maul mit spitzen scharfen Zähnen öffnete sich klaffend.

Jetzt zog sich Ahmed so schnell zurück, wie er nur konnte. Es war eine riesige Muräne, die ihn anstarrte.

Oben angelangt, war die See noch bewegter. Es sah nach einem handfesten Sturm aus, und ein heißer Wind stieß ihm in das Gesicht.

Onkel Selim dachte immer noch nicht daran, aufzugeben. Er saß nur da und blickte gedankenverloren über das Wasser.

Beim achten Tauchgang schwamm er durch ein Gewirr von Felsen, Korallen und dunklen Tangwäldern. Die Umgebung wirkte gespenstisch und unheimlich. Zwischen den Korallen gab es stachelige und große Seeigel. Auch bläuliche Seesterne bewegten sich auf dem Grund. Über ihm schwebten wie leuchtende Wolken zwei kopfgroße violette Quallen.

Gleich darauf spürte Ahmed etwas auf, das sein Herz härter schlagen ließ. Er konnte es anfangs nicht glauben, als er den mächtigen Schatten im Wasser sah.

Das erste, was er verspürte, war nackte Angst, fast Panik. Im ersten Impuls wollte er sofort auftauchen. Aber dann packte ihn doch die Neugier, und er schaute wie gebannt zu dem mächtigen Tier im Wasser.

Es hatte sich anscheinend vom Grund erhoben, wo es ausgeruht oder etwas gejagt hatte.

Jetzt glitt es langsam und majestätisch davon. Es war eine Riesenmanta mit einer Spannweite von mehr als fünf Yards, es war der schwarze Riesenvogel, der tagsüber durchs Wasser schwebte und nachts fliegen konnte, wie die Fischer sagten.

Ahmeds Angst war plötzlich wie weggeblasen. Er schwamm dicht über dem Grund und starrte dem „Vogel“ nach.

Ja, es schien wahrhaftig ein Vogel zu sein. Er hatte mächtige und ausladende Schwingen, und er bewegte sich so, als fliege er. In gleichmäßiger und ruhiger Folge bewegten sich seine Schwingen. Er schien keine Eile zu haben.

Ahmed folgte ihm fast instinktiv. Er brauchte sich nicht anzustrengen und konnte dem schwarzen Vogel mühelos hinterherschwimmen. Das große Tier schien harmlos zu sein und griff keine Menschen an. Ahmed hoffte nur, daß er lange genug die Luft anhalten konnte, um dem Vogel auch weiter zu folgen.

Dann fiel ihm siedendheiß ein, was der Onkel gesagt hatte. „An dem Tag, an dem du den schwarzen Vogel siehst, wirst du eine der Schwarzen Tränen Allahs finden.“ So ungefähr hatte er sich ausgedrückt.

Er schluckte vor Aufregung. Wenn das wahr war, wenn das wirklich stimmte, waren sie reich und brauchten sich lange Zeit keine Sorgen mehr zu bereiten.

Seine Luft war verbraucht, er mußte wieder nach oben. Diesmal beeilte er sich, so schnell er konnte, um den Riesenvogel nicht aus den Augen zu verlieren.

Er war noch da, als er wieder hinuntertauchte. Einen Augenblick glaubte Ahmed, der schwarze Vogel hätte auf ihn gewartet und sei absichtlich langsamer geschwommen. Er sah, daß ein paar kleinere Fische den Großen begleiteten. Zwei hatten sich an seiner Unterseite mit Hilfe von Saugnäpfen angeheftet, zwei weitere schwammen dicht vor seinem Maul herum. Sie lebten von den Resten der Beute, die der schwarze Vogel übrigließ.

Ahmed merkte nicht, wie die Zeit verging. Seine größte Sorge war immer das Auftauchen und die Angst, den Fisch dann endgültig aus den Augen zu verlieren.

Es ging durch ein farbenprächtiges Labyrinth aus Korallen, kleinen Tangwäldern, leuchtenden Aktinien und über grasähnliche Flächen hinweg, wo überall Fische schwammen.

Dann tauchte ein riesiger Korallenstock auf, eine langgestreckte Barriere, die mit zahlreichen Höhlen durchsetzt war.

Der schwarze Vogel beschrieb eine spielerische und elegante Bewegung und segelte um die Barriere herum, wobei er einen ziemlich schmalen Durchschlupf wählte.

Ahmed traute sich da nicht hindurch. Womöglich lauerten in dem Spalt Muränen. Also stieg er etwas auf und schwamm darüber hinweg.

Als er die Barriere hinter sich hatte, war der große Vogel ganz plötzlich verschwunden. Enttäuscht stieg Ahmed auf, schnappte nach Luft und glitt wieder in die Tiefe. Doch von dem Riesenvogel fand sich keine Spur mehr. Vielleicht war er doch in die Lüfte gestiegen, wie die Fischer immer behaupteten.

Als er sich noch ratlos umsah, entdeckte er, daß der ganze Boden dicht mit Muscheln bewachsen war. Sie klebten auf einer flachen Korallenbank von mindestens zwei Schiffslängen Ausdehnung.

Der Junge starrte die Pracht fassungslos an. Er war davon überzeugt, daß ihm der schwarze Riesenvogel den Weg zu der Muschelbank gewiesen hatte. Schnell sammelte er Muscheln ein, bis der Korb gefüllt war. Diesmal war der Aufstieg weit schwieriger als sonst. Die See dünte noch stärker. Er hielt nach seinem Onkel Ausschau, der mit seiner Tartane weit entfernt war. Als Selim ihn entdeckte, hievte er den Steinanker hoch und segelte auf ihn zu.

Ahmed übergab den Korb. Die Muscheln wurden an Deck geschüttet.

„Sind da unten noch mehr?“ fragte Selim heiser.

„Ja, noch viel mehr. Ich habe den schwarzen Riesenvogel gesehen“, stieß Ahmed hervor. „Als er verschwunden war, fand ich die Perlen.“

Selim geriet außer sich vor Freude.

„Habe ich es dir nicht prophezeit?“ fragte er aufgeregt. „Ich bin sicher, daß wir Allahs Schwarze Tränen finden. Du mußt ganz schnell wieder hinunter und die anderen Muscheln holen.“

Ahmed nickte. Er war jetzt doch ziemlich erschöpft.

„Wollen wir nicht lieber morgen tauchen?“ fragte er zaghaft. „Es kommt ein harter Sturm auf. Ich habe mir den Platz gemerkt, wo die Muscheln liegen.“

Selim wehrte mit beiden Händen ab.

„Der Sturm wird nicht so schlimm werden, und die Perlen sind wichtiger. Wenn wir sie nicht heraufholen, dann tut es ein anderer, und wir haben das Nachsehen.“

Er gab Ahmed aus dem Lederschlauch etwas zu trinken und wartete ungeduldig, bis der Junge wieder in der Tiefe verschwand. Dann ging er in aller Eile daran, mit dem Messer die Muscheln zu öffnen. Er brach sie auf, warf voller Gier einen Blick hinein und feuerte sie dann, eine nach der anderen, enttäuscht in einen Holzzuber.

Ahmed brachte den nächsten Korb voll nach oben, dann den dritten. Nach dem achten Tauchvorgang war die Muschelbank geplündert und leer.

Der Junge brach vor Erschöpfung fast zusammen. Er wollte nur noch ausruhen, schlafen, sich ausstrecken. Aber Selim dachte trotz der immer höher gehenden See nicht daran, endlich nach Hause zu segeln. Wie besessen öffnete er eine Muschel nach der anderen.

Nach einer halben Stunde blickte er in das Fleisch einer Muschel und erstarrte. Dann stieß er einen unterdrückten Schrei aus, öffnete den Mund und blickte fassungslos auf eine schwarze Perle.

„Die Träne Allahs“, flüsterte er und begann am ganzen Körper vor Aufregung zu zittern.

Seewölfe Paket 28

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