Читать книгу Seewölfe Paket 28 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 38

5.

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Im Zeltlager der Türken wurde gelacht und gesungen. Grelle Frauenstimmen überlagerten die dunkleren Organe der Männer in Tonfolgen, die für Hasards Ohren disharmonisch und klagend klangen. Dennoch mußte es sich um Spottlieder handeln, denn nach jedem Vers brachen alle in grölendes Gelächter aus.

Längst war es dunkel geworden. Flammen prasselten. In der Mitte des großen Platzes war ein Feuer entfacht worden. Große Fleischbrocken wurden an Spießen gedreht. Hasard hatte es gesehen, als die Frauen ihn zuletzt mit Essen versorgt hatten.

Zu dem Zeitpunkt waren draußen die Vorbereitungen getroffen worden. Inzwischen wurde gegessen und getrunken. Von den Glaubensgrundsätzen ernsthafter Muselmanen schien hier niemand etwas zu halten.

Der Seewolf streckte sich auf seinem Deckenlager aus und faltete die Hände hinter dem Kopf. Es war kein besonderes Fest, das da gefeiert wurde. Er wußte es von den Frauen. Nicht einmal die Vorfreude auf die Rückkehr Gökhüyüks und auf die Übernahme der Ladung der „Santa Barbara“ war der Grund für die Ausgelassenheit.

Für Hasard bedeutete der Trubel dennoch keine Ungereimtheit. Üzürgül mußte seine Horde bei Laune halten. Er konnte ihnen nicht wochen- und monatelang ein Lagerleben ohne die geringste Abwechslung zumuten. Da spielte es nicht einmal eine Rolle, daß sie Frauen zur Verfügung hatten.

Die Zahl der Frauen war ohnehin zu gering, so daß nicht jeder der Kerle ständig zu seinem Recht kam. Üzürgül hatte zweifellos Schwierigkeiten damit, geeigneten und ausreichenden weiblichen Nachschub herbeizuschaffen.

Hasard blickte zum Zeltdach hoch, und er sah doch nichts von seiner Umgebung. Nicht die rauhe Unterseite der Häute, nicht die mit winziger Flamme blakende Öllampe, die am Mittelpfosten des Zelts aufgehängt war. Draußen stieg die Stimmung. Die Gesänge wurden lauter, schriller und scheinbar klagender. Das Gelächter steigerte sich zu kindlicher Albernheit.

Die Gedanken des Seewolfs wanderten zu Günel, diesem rätselhaften jungen Wesen, das ihn vom ersten Moment an fasziniert hatte. Immer wieder, bei jeder Begegnung, hatte sie ihn mit Blicken spüren lassen, was sie empfand.

So unverhohlen und ohne Scheu sie dies auch tat, so wenig vulgär waren doch zugleich ihre angedeuteten Gefühlsäußerungen. Ihre Blicke, die kleinen Berührungen ihrer Hände und die hastigen Gesten, die keine der anderen mitbekam, mochten bei jeder anderen Frau billig und primitiv wirken.

Nicht so bei Günel. Sie hatte eine Art von Stolz und Vornehmheit, die dem Seewolf unvergleichlich erschien. Nie zuvor hatte er eine Frau kennengelernt, die auf diese gelassene Weise unnahbar blieb und doch gleichzeitig nichts dabei fand, ihre geheimsten Wünsche zu äußern.

Mit Worten hatte sie das nicht getan. Noch nicht.

Der Zelteingang wurde geöffnet. Eine flackernde Lampenflamme glitt aus der Dunkelheit herein. Hinter dem kleinen Lichtkreis war Günels Gesicht wie hinter einem durchscheinenden Schleier erhellt, und das Dunkel umrahmte dieses Gesicht, als hätte ihr ein Maler auf der Leinwand einen mystischen Schwarzton als Hintergrund gegeben.

Sie zog die Rinderhaut vor dem Eingang wieder zu und richtete sich auf.

Hasard hatte sich aufgesetzt.

„Kannst du Gedanken lesen?“ sagte er lächelnd.

Sie löschte die Lampe und stellte sie auf den Boden.

„Nein“, antwortete sie leise und näherte sich ihm. „Aber ich habe meinen eigenen Gedanken Kraft verliehen und gehofft, daß du an mich denken wirst.“

„Dazu brauchtest du keine Gedankenkraft aufzuwenden. Du hast mich auch so beeindruckt. Es ist fast unmöglich, nicht an dich zu denken.“

„Verspotte mich nur“, sagte sie mit einem spitzbübischen Lächeln. Sie trat in das schwache Licht der aufgehängten Lampe. Unter dem dunkelblauen Seidengewand, das sie trug, zeichneten sich die Linien ihres schlanken Körpers wie von Meisterhand modelliert ab.

„Es ist kein Spott“, widersprach Hasard. „Es ist die Wahrheit, und du weißt es.“

Ihr Blick vertiefte sich in den seinen.

„Ich habe es mir gewünscht“, flüsterte sie. „Wissen konnte ich es wirklich nicht. Du bist ein Mann, der auf dieser Welt alles gesehen hat. Warum solltest du dich ausgerechnet für eine wie mich interessieren? Eine, die sich anbietet. Noch dazu in dieser Situation.“

„Setz dich zu mir“, bat er.

Sie folgte der Aufforderung, und er spürte die Wärme und die Straffheit ihres Körpers.

„Sag jetzt nicht, daß ich mich irre“, hauchte sie und blickte ihm von der Seite her in die Augen.

Er strich über ihr schwarzes Haar, das so seidenweich war wie der Stoff ihres Gewandes.

„Ich sage, was ich denke“, entgegnete er. „Und ich denke, daß du nur in einem Punkt recht hast. Ich habe tatsächlich auf der Welt alles gesehen. Aber das schließt nicht aus, daß man immer noch Neues entdecken kann. Du bist so eine Entdeckung.“

„Schmeichler!“

„Unsinn“, sagte er mit gespieltem Tadel. „Ich interessiere mich nicht für dich. Ich lehne es innerlich ab, mich überhaupt mit dir zu befassen. Und du kannst mir glauben, daß ich die Kraft dazu habe. Trotzdem gelingt es dir, dich in mein Bewußtsein zu drängen. Es ist kein Sich-Anbieten. Wenn es so wäre, würde es mir leichtfallen, dich zu ignorieren.“

Atemzüge lang sah sie ihn schweigend an.

„Es ist wie ein Traum“, murmelte sie dann. „Ich habe immer und immer wieder davon geträumt, einen Mann so reden zu hören wie dich – jetzt, in dieser Minute. Aber ich weiß, daß der Traum nie Wirklichkeit sein wird.“

„Er kann es nicht sein.“

„Ich weiß. Ich gebe mich auch keinen Illusionen hin.“

„Ich bin froh, daß du so vernünftig bist.“

„Es sind eher die Tatsachen, die mich dazu zwingen.“ Günel seufzte. „Alles, was du gesagt hast, ändert doch nichts an dem, was ich bin. Ich befinde mich in der Gesellschaft von Halunken. Selbst wenn ich händeringend beteuern würde, daß mich noch keiner von ihnen auch nur berührt hat, würdest du es mir wohl nicht glauben.“

Hasard zog überrascht die Brauen hoch.

„Ich gebe zu, daß es mir schwerfallen würde.“

„Siehst du.“ Sie nickte. „Äußerlich sieht man mir nicht an, daß ich unter Üzürgüls Schutz eine Sonderstellung genieße. Er hat mich in Kuweit entführt, weil er von meinen Fähigkeiten beeindruckt war. Ich kann lesen und schreiben, und ich beherrsche mehrere Sprachen. Es hat ihn fast umgeworfen, so etwas an einer Frau festzustellen.“

Hasard schüttelte verständnislos den Kopf.

„Er scheint alles zu entführen, was ihn interessiert. Wie ist das geschehen – in Kuweit?“

„Ich arbeitete dort in einem Kontor, bei guten Freunden, mit denen ich auch außerhalb der Arbeitszeit engen Kontakt hatte. Sie haben mir geholfen, mich vom Joch meiner Familie zu befreien. Meine Eltern sind strenggläubig. Ich konnte das nie ertragen. Deshalb habe ich sie verlassen, um meine eigenen Wege zu gehen. Das einzige, was ich ihnen verdanke, ist eine gute Bildung. Ich stamme aus Ankara, mußt du wissen.“

„Und Üzürgül ist dir zufällig über den Weg gelaufen?“

„Nicht gerade zufällig. Er tauchte eines Tages bei uns im Kontor auf, um Gewürze einzukaufen. Während er warten mußte, hat er mich beobachtet und gehört, wie ich mit meinen Freunden sprach. Er hat mir hinterher gesagt, daß er hingerissen gewesen sei und große Mühe gehabt hätte, sich nichts anmerken zu lassen. Später hat er mir dann auf dem Heimweg aufgelauert und mich verschleppt. Ehe ich mich versah, befand ich mich auf einem Segelschiff. Meine Freunde in Kuweit wissen bis heute nicht, was aus mir geworden ist.“

Der Seewolf sah sie ernst an.

„Ich weiß, daß du mir helfen wirst, hier herauszukommen.“

„Ja, das werde ich tun.“

„Dann bringe ich dich zurück nach Kuweit.“

„Wenn es uns beiden gelingt, am Leben zu bleiben.“

„Sprich nicht so, Günel, es gibt keinen Grund dafür. Wir werden es schaffen.“

Sie lächelte wieder.

„Deine Zuversicht ist wundervoll. Ich habe von meinem Traum gesprochen. Du erinnerst dich?“

„Natürlich.“

„Wenn er nur für einen kurzen Moment Wirklichkeit wird, ist es für mich schon etwas, das mir mehr bedeutet als der kostbarste Schatz.“

Hasard verspürte einen Druck in der Kehle. Diese junge Frau brachte ihn mit ihrer Offenheit in einen seltsamen seelischen Zustand. Ein Schwanken zwischen dem Wunsch, sie an sich zu reißen, und der Befürchtung, daß er ihre Sehnsüchte letztlich doch enttäuschen mußte.

Er glaubte ihr jedes Wort, das sie gesagt hatte. Sie genoß in der Tat die Sonderstellung, von der sie gesprochen hatte. Es gab keinen Grund, daran zu zweifeln. Hasard hatte beobachtet, welchen Respekt die anderen Frauen ihr entgegenbrachten.

Und Üzürgül war haargenau so, wie sie ihn geschildert hatte. Ein Mann, der sich von seiner Gier treiben ließ. Der aber auch Grundsätze entwickelte, auf deren Einhaltung er mit allen Mitteln seiner Macht achtete.

Günel schmiegte sich an den großen Mann, der aus einer Welt stammte, von der sie unendlich viel gehört und gelesen, die sie selbst aber nie gesehen hatte. Es war eine Welt, die in ihrer Vorstellungskraft existierte. Sicher waren ihre Eindrücke davon präziser und besser als die manches simplen Menschen, der wirklich in jener Welt lebte.

„Ich bringe dich nach Kuweit“, sagte Hasard und wies sie nicht von sich. „Mehr kann ich dir nicht versprechen.“

Sie blickte mit ihren großen dunklen Augen zu ihm auf.

„Es ist nicht so, daß ich von dir eine Gegenleistung für irgend etwas erwarte.“

Er fühlte sich beschämt.

„Ich wollte dich nicht kränken“, sagte er. „Ich will nur, daß zwischen uns Klarheit besteht.“

„Absolut.“ Sie lächelte. „Der Traum, der für ein paar Stunden wahr wird. Nicht mehr und nicht weniger. Das hat nichts mit unserer Flucht zu tun. Das eine ist nicht vom anderen abhängig. Ich würde dir auf jeden Fall helfen.“

„Ich glaube dir.“

„Dann ist es gut. Ich könnte den Gedanken nicht ertragen, daß du mich für berechnend hältst.“

Er schüttelte sacht den Kopf.

„Wir sollten aufhören, uns gegenseitig etwas zu beteuern. Was ist mit dem Posten draußen vor dem Zelt?“

Günel schob ihren weichen Arm um die Schulter des Seewolfs, und ihre Hand erreichte seinen Nacken.

„Ich habe gewisse Privilegien, die man zu respektieren hat. Ein einfacher Mann würde nie wagen, mir in irgendeiner Weise etwas vorzuschreiben, solange er nicht von Üzürgül ausdrückliche Weisung dazu erhalten hat.“

„Du hast das Fest bewußt abgewartet?“ sagte Hasard.

Sie nickte.

„So etwas geschieht hier öfter. Ich wußte nicht, wann es sein würde. Aber es wird bis in die späte Nacht dauern. Auf den günstigsten Zeitpunkt müssen wir noch warten.“

„Was mir nicht schwerfallen wird“, entgegnete der Seewolf und lächelte.

Sie erwiderte sein Lächeln. Damit stand fest, daß sie ihre Beziehung von der heiteren, lebensfrohen Seite sehen und nicht in Schwermut versinken würde, sobald die Stunde des Abschieds schlug. Sie hatte sich selbst zum Wahrwerden eines Traums verholfen. Es war ihre freie Denkart, die das ermöglicht hatte. Sie würde den Traum dieser Nacht in ihrer Erinnerung bewahren. Unerschütterlich.

Hasard nahm sie in seine Arme.

Seewölfe Paket 28

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