Читать книгу Seewölfe Paket 24 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 29

5.

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In einem der Kanus stand aufrecht der Häuptling Coanabo. Er blickte noch finsterer als seine Krieger und starrte düster und drohend zu dem Kanu hinüber.

Coanabo war ein reinblütiger Arawak-Indianer, genauer gesagt ein Lucayaner vom Inselstamm. Er war bereits über sechzig Jahre alt, aber er sah schlank und drahtig aus, und er war zäh. Vor etwa dreißig Jahren war es ihm gelungen, von Bord eines spanischen Sklavenseglers zu fliehen, nachdem er jahrelang bei den Dons in einem Bergwerk auf Hispaniola geschuftet und gelitten hatte. Von dieser Zeit rührte auch sein Haß auf die Spanier her.

Aber sie hatten seine flüchtige Bekanntschaft ja schon in der Nacht genossen.

Jetzt blickte er sie finster an, und seine Krieger warteten nur auf einen Befehl von ihm.

Sehr harmlos sind die alle, dachte der Profos voller Zorn. Diesen Kutscher mit seinen Verharmlosungen mußte man wohl mal kräftig unter Wasser tunken, damit sich sein Verstand schärfte. Die Kerle lauerten doch nur darauf, ihnen die Haut abzuziehen und sie in den Töpfen zu schmoren.

Old Donegal wiederum ärgerte sich mächtig, daß er nicht sofort durchgeblickt hatte, weil er so in den Anblick der Hütten versunken gewesen war. Dabei hatte er doch nur an seine Rutsche gedacht und gar nicht mitgekriegt, daß sie wieder an ihrem Ausgangspunkt angelangt waren.

Er brachte aber doch noch so etwas wie ein lahmes Grinsen zustande und wandte sich – äußerlich sehr freundlich – an den Häuptling. Dabei bediente er sich der englischen Sprache.

„Ho, wir sind sehr erfreut, euch wiederzusehen, Häuptling“, sagte er grinsend. „Wir haben heute nur mal eine kleine Spazierfahrt unternommen, verstehst du? Wir wollten mal die Umgebung kennenlernen. War wirklich sehr hübsch da draußen. Aber jetzt reicht es, ist ja auch fürchterlich heiß geworden. Ja, und dann wollten wir natürlich das Kanu wieder zurückbringen, falls es noch gebraucht wird!“

Coanabo starrte den Alten unverwandt an. Kein Muskel zuckte in seinem scharfgeschnittenen Gesicht. Aber seine Blicke bohrten sich in die von Old O’Flynn und erdolchten ihn fast.

Doch so was beeindruckte den Alten nicht im mindesten. Wenn es ein Chickcharnie gewesen wäre – ja dann! Er machte weiterhin freundliche Nasenlöcher und grinste wie ein alter Kobold.

„Habt ihr dazu nichts zu sagen?“ fragte er erstaunt. „Oder seid ihr nicht froh, daß wir wieder zurück sind?“

Der Kutscher schüttelte unmerklich den Kopf.

„Was faselst du denn da für einen Unsinn, Donegal? Der Häuptling versteht doch von dem Geseire kein Wort.“

„Wenn er ein echter Arwenack ist, versteht er Englisch“, sagte der Alte, der sich wieder mal zu den unmöglichsten Behauptungen verstieg.

„Das sind Arawaks und keine Arwenacks, Mann! Das habe ich dir schon ein paarmal verklart und verklickert, aber du nimmst das ja nicht zur Kenntnis.“

„Diese alte Spillspake kapiert überhaupt nichts mehr“, brummte der Profos, „der hat in England wohl an jeder Straßenecke nur noch Indianer gesehen. Es ist schon ein Kreuz mit ihm.“

„Na gut“, murrte Old Donegal, „dann kann er mich mal. Ist ja nicht meine Schuld, wenn er noch nicht in England war. Soll er doch in seinen verdammten Sumpflöchern Eier ausbrüten.“

Jetzt war er wieder richtig gallig und giftig und gab den Blick des Häuptlings auch keineswegs freundlich zurück.

„Arsch mit Ohren“, sagte er zu dem Häuptling, aber das verstand der genausowenig wie den anderen Quatsch, den Old O’Flynn hin und wieder zu verzapfen pflegte.

„Hör auf damit!“ sagte der Kutscher. „Ihnen dumme Reden zu halten oder sie zu beleidigen bringt ebenfalls nichts ein.“

Sir John, inzwischen wieder knochentrocken, plusterte sich auf, sagte laut, kurz und völlig zutreffend: „Hummerarsch“ und flog davon, dicht an dem verdutzten Profos vorbei. Er strich ab und segelte in langem Bogen zu den Pfahlbauten. Dort ließ er sich irgendwo im Geäst eines Baumes nieder.

Jetzt war es mit der Unterhaltung allerdings vorbei, denn nun waren die Indianer an der Reihe, die den Worten stumm gelauscht hatten.

Coanabo stieß einen scharfen Befehl aus.

Die Zwillinge hielten schon die Luft an, denn sie glaubten, daß die Arawaks jetzt mit Pfeilen auf sie schießen würden. Auch der Profos sah sich schon mit diesen gefiederten Dingern gespickt und wollte mit einem verzweifelten Satz in das Kanu des Häuptlings hechten, um ihm wenigstens noch die Faust an den Schädel zu knallen.

Der Kutscher hingegen blieb wieder völlig ruhig und musterte die Indianer so gelassen, wie sie ihn oder die anderen musterten.

Kaum hatte Coanabo die Worte hervorgestoßen, da drängten drei, vier Kanus blitzartig vor. Die Indianer hielten ihre Bogen auf die Männer gerichtet und forderten sie durch Kopfbewegungen und Zeichen der Bogen auf, in Richtung Land zu paddeln, ganz in die Nähe der Stelle, wo die Pfahlhütten standen.

„Nur keine Aufregung“, sagte der Kutscher gelassen. „Wir sollen dort zu dem Strand hinüberpaddeln. Also tun wir, was sie wollen, damit es keinen Ärger gibt.“

„Ärger ist gut“, brummte Carberry. „Sieht auch gar nicht danach aus. Sie wollen uns nur verhätscheln.“

„Sie tun uns nichts“, versicherte der Kutscher. Aber daran glaubte längst niemand mehr, denn die Arawaks sahen augenblicklich alles andere als friedlich aus.

Sie folgten jedoch der Aufforderung und zogen die Paddel durchs Wasser.

Die anderen Kanus folgten dichtauf. Coanabo ließ die Weißen keinen Augenblick aus den Augen.

Der Profos schielte nach Sir John, doch der war nicht zu sehen. Er hockte immer noch irgendwo im Geäst der Bäume und ließ sich nicht blicken.

Im Gegensatz zu den meist vorherrschenden Mangrovenufern befand sich auf der linken Seite des Sees ein langer Sandstrand. Dorthin paddelten sie jetzt, scharf bewacht von den anderen Kanus. Hinter dem Strand wuchsen Bäume, ein paar Palmen, Buschwerk, und danach begann undurchdringliches Gestrüpp.

Aus den Hütten blickten Indianer, neugierig, verstohlen starrten sie auf die weißen Männer.

Als das Kanu auf den Strand lief, wurde ihnen bedeutet auszusteigen. Das alles geschah durch schnelle Kopfbewegungen oder Handzeichen.

„Immer schön folgsam bleiben“, sagte der Kutscher mit unerschütterlicher Ruhe. „Keine Gegenwehr, es hätte keinen Zweck, denn hier gelangen wir allein nicht heraus.“

Kaum befanden sie sich auf dem Streifen Sandstrand, da wurden sie auch schon von allen Seiten von Indianern umringt. Wie durch Zauberei tauchten Lianenseile in den Händen der Arawaks auf.

Der Kutscher wurde blitzschnell gefesselt, über den Strand geschleppt und an einen Baum gebunden.

Carberry war bereits von vier, fünf Kerlen umringt und knirschte vor Wut mit den Zähnen, als sie ihn fesselten und ebenfalls über den Strand zu einem Baum schleppten. Dort banden sie den Profos fest, der nur noch sehr mühsam seine Wut unterdrückte.

Dann waren auch die Zwillinge an der Reihe, die beiden Dänen, Martin Correa und schließlich Old O’Flynn, der grimmige Flüche ausstieß und alle zur Hölle wünschte.

Innerhalb kürzester Zeit standen alle gefesselt an den Bäumen.

Drei Indianer wandten sich jetzt der Wolfshündin Plymmie zu, welche die Zähne fletschte und bedrohlich knurrte. Die Indianer zögerten, denn sobald sie näher herantraten, drang aus der Kehle der Wolfshündin ein gefährliches Knurren, und sie zeigte ihr scharfes Gebiß.

„Hau ab, Plymmie, verschwinde!“ rief Hasard junior. „Los, los, verzieh dich!“

Einer der Arawaks hob den Bogen und spannte ihn. Da verschwand die Hündin mit ein paar langen Sätzen im Gestrüpp. Ein Rascheln, nochmals ein heiseres Knurren, dann war sie verschwunden.

Die Zwillinge atmeten auf, denn es hatte ganz so ausgesehen, als wollte der Indianer sie töten. Jetzt ließ er den Bogen sinken, als Coanabo zwei Worte ausstieß.

„Das hat sie ja kapiert“, sagte Philip erleichtert.

Niemand unternahm Anstalten, der Hündin zu folgen.

Über Carberry war ein leiser Flügelschlag zu hören. Sir John hatte seinen Standort gewechselt und flog ins Geäst des Baumes, an den der Profos gefesselt war. Dort blickte der Papagei mit schiefgeneigtem Kopf hinunter und stieß schnalzende Laute aus.

Die Indianer schenkten ihm keine Beachtung, was der Profos ebenfalls mit einem erleichterten Aufatmen zur Kenntnis nahm.

„Immer schön folgsam bleiben“, höhnte er biestig, „dann tun sie uns auch nichts.“

Er kam einfach nicht darüber hinweg, daß sie ihn wie einen Hund angebunden hatten und er sich nicht einmal zur Wehr setzen konnte. Aus den Augenwinkeln hielt er Ausschau nach den Fleischtöpfen und Kochkesseln, aber er sah keine. Die haben sie vielleicht in den Hütten, dachte er, wo immer wieder hungrige Gesichter auftauchten und die Szenerie am Strand beäugten.

„Das hätten wir uns alles ersparen können“, sagte der Kutscher ungehalten. „Wenn man auf mich gehört hätte, wäre das alles nicht passiert. Jetzt, da wir geflüchtet sind und wieder eingefangen wurden, sind die Indianer natürlich sauer.“

„Ich bin auch sauer“, sagte der Profos. „Wir haben lediglich noch eine Galgenfrist. Wenn es nach dir gegangen wäre, dann hätten uns diese Kerle schon am frühen Morgen massakriert.“

„Deshalb riet ich ja auch, den Sonnenaufgang zu genießen“, bemerkte der Kutscher verärgert. „Man weiß leider nie, wann es der letzte sein wird.“

Carberry warf einen Blick auf Old O’Flynn, der gefesselt am Baum stand und ein wüstes Grinsen im Gesicht hatte. Sieht so aus, als habe der Alte etwas vor, dachte er, doch das war bloßes Wunschdenken. Old Donegal konnte überhaupt nichts unternehmen.

„Was grinst du denn so dämlich?“ fragte Carberry. „Dir haben wir doch den ganzen Mist zu verdanken. Du hast das alles vermurkst.“

„Ha!“ tönte der Alte grimmig. „Das ist alles halb so schlimm. Heute nacht werde ich wieder mein Stilett aus dem Holzbein zaubern.“

„Und dann?“

„Dann befreie ich euch. Wir schnappen uns ein Kanu und türmen erneut damit.“

„Sehr lustig“, meinte Carberry, „aber das haben wir schon mal versucht, falls du dich erinnerst. Das kannst du dir aus deinem Querkopf schlagen. Die Kerle haben uns im Nu wieder eingefangen.“

„Nicht, wenn ich das in die Hand nehme“, versicherte Old Donegal. „Wir werden türmen, aber wir nehmen eine Geisel mit. Außerdem versenken wir die anderen Kanus. Und diese Geisel wird uns gefälligst zur ‚Empress‘ lotsen, sonst werden diese räudigen Bastarde mich mal von einer recht üblen Seite kennenlernen.“

„Dann haben wir ja noch mindestens zwölf Stunden Zeit“, sagte Carberry höhnisch. „Jetzt ist erst Mittag, und bis deine Befreiungsaktion anläuft, sind wir verhungert.“

„Ich krieg’ das schon hin, auch wenn ich gefesselt bin.“

Das hörte sich zwar gut an, überlegte Ed, aber es würde wahrscheinlich nicht viel einbringen, denn in dieser Nacht würde man sie sicher scharf bewachen, und da konnten sie jeden Gedanken an Flucht gleich aufgeben.

Der Häuptling ließ sich Zeit er schien überhaupt keine Eile zu haben, denn erst jetzt landete er mit seinem Kanu auf dem Strand. Noch sechs andere Arawaks waren bei ihm – Unterhäuptlinge offenbar, wie der Kutscher annahm, denn sie waren anders herausgeputzt als die Indianer mit den Bogen.

Coanabo musterte die Gefesselten. Er sah in grimmige Gesichter, wandte sich dann ab und hockte sich mit den Unterhäuptlingen etwas abseits von den Gefangenen auf den Boden.

Ein ziemlich lautes und erregtes Palaver begann. Coanabo blickte starr über den See und hörte zu. Hin und wieder nickte er zustimmend.

Der Kutscher beobachtete alles sehr aufmerksam und gespannt. Ihm fiel auf, daß einer der Unterhäuptlinge sehr erregt war und ständig auf das Kanu deutete, mit dem sie geflohen waren. Offenbar gehörte es ihm, und er war sehr empört, daß man es entwendet hatte.

„Der soll sich bloß nicht ins Hemd kacken wegen seines alten Torfkahns“, flüsterte Carberry. „Der tut ja geradeso, als hätten wir eine ganze Kriegsgaleone geklaut.“

„Das dürfte hier ungefähr das gleiche bedeuten“, sagte der Kutscher. „Sie sind jedenfalls sehr ungehalten.“

„Ich auch“, sagte der Profos trocken. „Die Hundesöhne nicken alle so eifrig. Die Stimmung ist unverkennbar feindlich. Die Kerle können es gar nicht erwarten, uns abzuschlachten.“

„Nun mal langsam. Ihre Erregung ist verständlich. Ein Kanu bedeutet hier anscheinend eine ganze Menge und ist ein persönlicher Besitz, an dem man sich nicht vergreifen darf.“

Der Kutscher wollte noch etwas sagen, doch Coanabo erhob sich, sah die Gefangenen der Reihe nach an und trat dann vor den überraschten Old Donegal, den er genau musterte.

Er deutete auf sich und sagte: „Häuptling Coanabo. Ihr Spanier?“

Old Donegal runzelte verblüfft die Stirn, denn der Häuptling hatte einwandfreies Spanisch gesprochen. Er war so verdattert, daß er eine Weile mit der Antwort brauchte.

Doch der Kutscher kam ihm schnell zuvor.

„Nein, wir sind keine Spanier“, sagte er ebenfalls auf spanisch. „Wir sind Engländer und Feinde der Spanier.“

Coanabo sah den Kutscher lange und nachdenklich an. Dann schüttelte er unmerklich den Kopf.

„Was ist Engländer? Ihr seid Spanier, denn ihr sprecht Spanisch, und so müßt ihr Spanier sein.“

Für Coanabo waren das durchaus logische Gedankengänge. Dieser schmalbrüstige Mann sprach Spanisch, also mußte er auch ein Spanier sein.

„Das stimmt nicht“, sagte der Kutscher ruhig. „Wir sind wirklich keine Spanier, aber wenn man einen Feind bekämpft, dann muß man unter anderem auch seine Sprache beherrschen und sprechen. Nur so kann man ihn besser bekämpfen.“

Der Häuptling sagte nichts, er musterte den Kutscher nur schweigend, der gleich ein weiteres Argument zur Hand hatte.

„Du sprichst auch die Sprache der Spanier, Häuptling Coanabo. Und trotzdem bist du kein Spanier.“

Coanabo wurde unschlüssig. Er krauste die Stirn und nickte unentschlossen. Was dieser Mann sagte, das stimmte. Er sprach Spanisch und war kein Spanier, und das behauptete dieser schmalbrüstige Mann ebenfalls von sich und den anderen. Sehr merkwürdig war das.

Während er die anderen ansah, erklang von den Pfahlhütten im See ein Ruf. Drei, vier Indianer standen auf der Plattform einer Hütte und deuteten auf den Creek. Coanabo drehte sich um. Die „Empress“-Leute wandten ebenfalls die Köpfe und blickten in die Richtung.

Dort wurde gerade ein Kanu herangepaddelt, besetzt mit acht Indianern. Einer stand aufrecht im Boot und winkte.

Der Häuptling drehte sich um und rief etwas über das Wasser. Daraufhin änderte das Kanu den Kurs und näherte sich dem Strand.

„Was hat das zu bedeuten?“ fragte Martin Correa.

„Abwarten, ich weiß es nicht“, murmelte der Kutscher. „Aber ich glaube, wir haben schon einen Pluspunkt verbuchen können. Sie scheinen nicht mehr so feindlich zu sein.“

„Der sieht immer nur das Gute im Menschen“, murrte der Profos, „selbst wenn es die größten Menschenfresser sind.“

Das Kanu wurde auf den Strand gepaddelt. Aus der Nähe sahen sie, daß es mit allerlei Dingen beladen war.

Dem Kutscher schwante schon etwas. Er kniff die Lippen zusammen und linste aufmerksam hinüber.

Die Arawaks begannen jetzt aufgeregt zu schnattern, deuteten auf das Kanu, dann auf die gefesselten Männer. Ein paar der angekommenen Indianer grinsten und schienen sich köstlich zu amüsieren. Einer von ihnen deutete mit ausgestreckter Hand auf Old O’Flynn und lachte laut.

„Witzbolde“, knurrte Old Donegal verärgert. „Möchte wissen, was es da so dämlich zu lachen gibt.“

„Vielleicht grinsen sie über dein Holzbein, Granddad“, sagte Philip, „das hat sie doch gestern so beeindruckt. Sie kamen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.“

„Ein Holzbein ist keine lächerliche Sache“, schnaubte Old Donegal.

„Heiliger Strohsack“, sagte Martin, „das sind ja unsere Sachen. Die Halunken haben unser Schiff ausgemistet.“

Mit knirschenden Zähnen sahen die Männer zu, wie das Kanu entladen wurde. Waffen kamen zum Vorschein, Pistolen und Musketen, und wurden in den Sand gelegt. Dann folgten Messer, Taue, Segeltuch, schließlich Kochtöpfe und Pfannen aus der Pantry. Auch eine größere Kiste war dabei.

Als das alles am Strand lag, wurde es ausgiebig bestaunt und begutachtet. Auch der Häuptling nahm sich davon nicht aus. Er stierte hier herum, sah dort nach und nickte.

Offenbar hatten die Arawaks jetzt gute Laune, denn sie begannen, Späße auf Kosten der anderen zu treiben, und die anderen waren diesmal die Gefangenen.

Der eine Arawak, der lachend auf Old O’Flynn gezeigt hatte, war hier anscheinend der Witzbold vom Dienst. Er ging zu dem Kanu hinüber und holte etwas heraus.

Die Männer linsten jetzt noch aufmerksamer, ganz besonders Old O’Flynn, der noch nicht wußte, daß er jetzt kräftig veräppelt werden sollte.

Der Kerl hielt einen Ölhut hoch und lachte wieder.

„Das ist ja meiner“, sagte Old Donegal wütend. „Die machen sich gleich ins Hemd, wenn wir ihr Kanu klauen, aber die Halunken haben bei uns noch viel mehr geklaut.“

Eine merkwürdige Prozedur folgte. Der Indianer sagte etwas zu einem anderen, woraufhin der das rechte Bein nach hinten anwinkelte. Ein anderer band es ihm mit einer Leine fest. Ein weiterer befestigte am Oberschenkel einen dicken Holzprügel und band ihn ebenfalls fest. Es sah aus, als hätte er jetzt ebenfalls ein Holzbein. Dann stülpte er sich den Ölhut auf und begann mit seinem nachgeahmten Holzbein herumzuhüpfen.

Er imitierte Old O’Flynn, lachte immer wieder schrecklich, deutete auf Donegal und hüpfte im Sonnenlicht mit Holzbein und Ölhut über den Sand.

Der indianische Clown erregte jede Menge Heiterkeit. Die Arawaks lachten und hielten sich die Bäuche, wenn der Witzbold mit verzerrtem Gesicht herumhüpfte.

Einmal fiel er dicht vor Old Donegal in den Sand, weil er das Hüpfen nicht so gewohnt war. Die anderen halfen ihm wieder auf, und dann ging das lustige Holzbeintänzchen munter weiter.

Old O’Flynn selbst lief fast die Galle über. Mit zornverzerrtem Gesicht stand er am Baum und war knallrot als dieser Kerl an ihm vorübersprang, Faxen machte und schrecklich lachte. Dabei zeigte er immer wieder auf das Holzbein und den Ölhut.

„Dieser Indianerarsch!“ brüllte er voller Wut. „Hoffentlich fällt er ordentlich aufs Maul, dieser lausige Bastard!“

Das Tänzchen ging aber lustig weiter, weil sich die anderen Arawaks an den Verrenkungen nicht satt sehen konnten. Schließlich mußte auch der Profos grinsen, aber Old O’Flynn sah es und wurde noch biestiger.

„Mußt du dämlicher Ochse auch noch darüber lachen?“ schrie er. „Nur weil so ein indianischer Hanswurst hier herumhüpft und meinen wasserdichten Hut aufhat? Hoffentlich äffen sie deine fürchterliche Visage auch mal nach, dann werde ich lachen.“

„Meine Visage ist einmalig“, sagte der Profos, „die kann man nicht nachäffen.“

Nach einer Weile hatten sie von der Parodie genug und feuerten Holzbein und Ölhaut in den Sand. Damit war die Scherzeinlage beendet, denn jetzt erregte die Holzkiste, die sie aus dem Kanu geschleppt hatten, ihre ganze Aufmerksamkeit.

Diesmal wurde der Kutscher rabiat, ein Umstand, der nur selten auftrat. Aber wenn er rabiat wurde, dann gleich richtig.

„Mein Besteck!“ brüllte er. „Laßt die Finger von meinem Arztbesteck, sonst holt euch verlauste Hurenböcke der Teufel! Das ist nicht für eure Griffel, verdammt noch mal. Haut ab!“ brüllte er noch lauter. „Ihr könnt damit nichts anfangen!“

Vor ohnmächtiger Wut knirschte er mit den Zähnen. Dann begann er sich in den Fesseln zu winden und lief rot an. In diesem Augenblick sah er völlig unbeherrscht aus.

Zu Recht allerdings, obwohl Carberry nur noch staunte. Denn jetzt hatten die Arawaks die Kiste geöffnet und holten alles heraus, was sich darin befand.

Einer hielt staunend eine funkelnde Schere hoch, ein anderer hantierte unwissend mit einem scharfen Skalpell, während ein dritter völlig verständnislos eine Knochensäge betrachtete und damit in der Luft herumfuchtelte.

„Saubande!“ brüllte der Kutscher, außer sich vor Wut. „Leg das Verbandszeug in die Kiste zurück, du aufgetuchtes Rübenschwein! Und du nimm die Griffel von der Salbe, du Jauchetreter!“

Der Profos schluckte trocken, als er das hörte. Er starrte den Kutscher an und kriegte das Maul vor Staunen nicht mehr zu. Das waren ja ganz liebliche, aber vom Kutscher nur selten gehörte Töne. Der legte vielleicht los, der beleidigte die ganze Ahnenreihe der Arawaks mit den übelsten Schimpfnamen und wünschte ihnen allen die Pest an den Hals.

Als er so lostobte, drehte sich der Häuptling erstaunt um.

„Laß das Zeug liegen, du Oberschnapphahn!“ brüllte der Kutscher. „Ihr kapiert doch nicht, was das ist. Mann, wenn ich hier loskomme, dann gibt’s Senge nach allen Seiten! Und in deinen Indianerhals schlag’ ich fünf Knoten!“

Dem Profos stand immer noch die Futterklappe offen. So zornig hatte er den Kutscher noch nie gesehen. Wenn der so weitertobte, dann riß er glatt den Baum aus, an den er gefesselt war.

Sogar Sir John war ganz verstört, als der Kutscher brüllte. Erschrocken flatterte er höher in die Astkrone des Baumes.

„Junge, Junge“, murmelte Carberry heiser, „wer hätte das von dem lieben Kutscherlein gedacht!“

Aber dem war jetzt alles egal. Es ging um sein Besteck, und da war ihm alles gleich. Erneut begann er loszubrüllen und zu toben, daß die Indianer erschrocken zusammenfuhren. Völlig perplex starrten sie auf den krebsrot angelaufenen Mann, der ihren ehrwürdigen Ahnen mitleidlos die Knochen abfluchte.

Seewölfe Paket 24

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