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3.

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Nichts ließ sich mehr rückgängig machen oder aufhalten, die Dinge nahmen ihren fatalen Verlauf. Don José de Zavallo verständigte sich nur kurz mit seinem Kommandanten an Bord der Führungsgaleone. Dem schien wieder einmal alles recht zu sein.

Und es war keineswegs falsch, die beschlagnahmte Karavelle nach St. Augustine zu bringen. Der Festungskommandant würde es begrüßen, ein weiteres Schiff als Verstärkung seiner Patrouillen zu erhalten. Und dies wiederum warf ein günstiges Licht auf den Verbandsführer.

Noch zehn Seesoldaten setzten sich mit einer zweiten Jolle zur „Goldenen Henne“ in Bewegung. Sie enterten an Bord, um mit den anderen zusammen die Deutschen zu „bewachen“. De Zavallo blieb gleich an Bord des requirierten Schiffes, die überrumpelten „Handelsfahrer“ mußten sich zähneknirschend seinen Befehlen beugen.

Die Seeleute der Führungsgaleone beobachteten genau, was sich an Bord der „Goldenen Henne“ abspielte.

„So“, sagte Lombardez gedämpft. „Jetzt sind wir den Hund von einem Teniente erst mal los. Ihr solltet froh darüber sein.“

„Bist du’s vielleicht nicht?“ zischte El Rojo ihm zu.

„Doch, natürlich.“

„Ich wünsche ihm nur das eine“, sagte Pedro Tores mit finsterer Miene. „Daß die Kerle dort drüben, wer immer sie auch sind, ihm die Gurgel durchschneiden.“

„Den Gefallen werden sie dir nicht tun“, raunte der Decksälteste. „So dumm können sie nicht sein. Wenn sie sich zur Wehr setzen, eröffnen wir das Feuer auf sie.“

„Mit unseren Leuten an Bord der Karavelle?“ fragte der Einarmige. „Das glaube ich aber nicht.“

„Wenn die Männer der Karavelle was unternehmen, werden sie den Teniente und die Soldaten höchstwahrscheinlich zu den Fischen befördern“, erklärte Lombardez ruhig. „Das wiederum bedeutet für uns, daß wir das Schiff in Stücke schießen können.“

„Und wenn sie den Schweinehund als Geisel nehmen?“ fragte Tores. „Was dann?“

Lombardez lächelte ein wenig. „Dann liegt die Bewertung bei unserem Kommandanten. Was ist ihm wichtiger, de Zavallos Leben oder das Schiff?“

„Für das Schiff würde er de Zavallo hopsgehen lassen“, sagte El Rojo leise. „Ganz klar. Hoffen wir, daß es soweit kommt.“

Doch so gespannt sie auch darauf warteten – an Bord der „Goldenen Henne“ geschah nichts dergleichen. De Zavallo führte den Befehl, das Schiff schien bereits ihm zu gehören oder seinem Kommando zu unterstehen. Alles beugte sich seiner Gewalt.

Insgeheim schalt sich Renke Eggens einen kompletten Narren und Anfänger. Welcher Teufel hatte ihn geritten, diesem Hundesohn von einem Teniente die Karavelle gewissermaßen anzubieten? War er verrückt?

Nein. Es hatte ja wirklich niemand ahnen können, was passieren würde. Renke traf keine eigentliche Schuld. Er hatte nicht wissen können, daß ein Mann wie dieser de Zavallo an Bord erschien. Und daß die Spanier zu solchen Mitteln wie diesem griffen, um sich Schiffe anzueignen.

Hinterher war man immer klüger.

„Wir hätten ausreißen können“, murmelte Hein Ropers. „Gleich, als wir die drei Kriegsschiffe sichteten.“

„Irgendwie war mir das Ganze gleich nicht geheuer“, sagte Karl von Hutten leise. „Aber ich habe auch nicht ahnen können, was kommt.“

„Scheiße“, sagte Jean Ribault nur.

Zur Hölle mit den Spaniern! Die „Goldene Henne“ war ein schnelles Schiff, sie hätte den Verband mit einiger Sicherheit abgehängt, wenn die Spanier nicht sehr reaktionsschnell gehandelt hätten. Aber genau das hatte Ribault ja vermeiden wollen – daß man vor den Dons Reißaus nahm. Das hatte er nun davon!

Die „Goldene Henne“ wurde von den Schiffen des Dreierverbandes eskortiert. Als sie wieder Fahrt aufnahmen, segelte die Kriegskaravelle im Kielwasser der „Goldenen Henne“, und je eine der Galeonen befand sich an Backbord und Steuerbord. Der Kurs führte nordwärts, St Augustine entgegen.

De Zavallo hatte Renke Eggens unterdessen mit neuen Fragen überhäuft. Renke mußte auf alles antworten, es blieb ihm keine andere Wahl. Ja, Kolberg existierte wirklich. Es lag an der Ostsee. Und es gab auch das Handelshaus von Manteuffel mit einer Niederlassung in Havanna.

Renke mußte die Papiere vorzeigen – und das Logbuch. Ja, die Crew bestand ausschließlich aus Deutschen, von dem „Bastard“ Karl von Hutten abgesehen. Jean Ribault hieß jetzt Jan Rebauer und war der Erste Offizier der „Goldenen Henne“. So einfach war das.

Aber was nutzte es, daß de Zavallo zumindest darauf hereinfiel? Überhaupt nichts – sie waren ihm ausgeliefert.

Als de Zavallo begann, persönlich die „Henne“ zu inspizieren, hatten Renke Eggens, Jean Ribault und Karl von Hutten Gelegenheit, sich miteinander zu unterhalten. Zwar hatte de Zavallo den „Indianerbastard“ unter Arrest gestellt, doch das beschränkte sich vorläufig darauf, daß die Soldaten von Hutten im Auge behielten, wie sie auch die anderen Männer bewachten.

Ribault und von Hutten konnten immerhin unbehelligt das Achterdeck betreten. Dort standen zwei Soldaten mit den Musketen in den Fäusten, aber sie konnten nicht verstehen, was Renke mit den beiden Männern besprach.

„So“, flüsterte Renke. „Jetzt sitzen wir im Schlamassel. Tut mir leid, aber das ist meine Schuld.“

„Unsinn“, sagte Jean Ribault. „Dir wirft keiner etwas vor.“

„Es wäre besser gewesen, wenn ich mich unter Deck zurückgezogen hätte“, sagte von Hutten. „Dann wäre dieser Drecksack nicht auf mich aufmerksam geworden.“

„Er hat doch nur einen Vorwand gesucht, um die ‚Hen‘ zu beschlagnahmen“, murmelte Renke. „Er hätte schon was anderes gefunden, keine Sorge. Vielleicht hätte ihm meine Nase nicht gepaßt, weil sie spanienfeindlich ist.“

„So ungefähr“, sagte Jean Ribault. „Aber was passiert ist, ist nun mal passiert. Laßt uns lieber überlegen, was wir unternehmen können, statt Trübsal zu blasen.“

„Wie stehen unsere Chancen?“ fragte von Hutten. „Wenn wir die Dons jetzt aus ihren Brustpanzern stoßen, haben wir die drei Kriegssegler am Hals.“

„Man könnte zum Beispiel den Teniente als Geisel nehmen“, schlug Jean Ribault leise vor. „Wäre das nicht eine Idee?“

„Wir halten ihm eine Pistole an die Schläfe und erpressen auf diese Weise freie Fahrt“, sagte Renke. „Warum nicht?“

„Oder wir brechen nachts aus dem Verband aus“, flüsterte von Hutten.

Jean Ribault schüttelte den Kopf. „Alles Mist. Witzlos. Die Dons kennen ja unser Ziel. Sie können uns nach Havanna folgen.“

„Was ist, wenn wir nicht nach Havanna segeln?“ fragte von Hutten.

„Darüber habe ich auch schon nachgedacht“, erwiderte Jean Ribault. „Aber welchen Sinn hätte es? Wenn wir zur Cherokee-Bucht segeln, schaffen wir uns mit Hilfe unserer Freunde zwar die Dons vom Hals, aber Arne bleibt in Havanna weiterhin im Ungewissen, wo wir unseren neuen Stützpunkt anlegen.“

„Und das geht nicht“, sagte Renke. „Da gebe ich dir recht. Wenn Arnes Beobachtertätigkeit in Havanna überhaupt einen Zweck haben soll, dann muß er schleunigst wissen, wo er uns per Brieftauben erreichen kann.“

„Logisch“, sagte von Hutten. „Und die Brieftauben müssen sowieso erst auf die neue Flugroute eingetrimmt werden.“

„Pech auf der ganzen Linie“, sagte Jean Ribault. „Fatal in diesem Zusammenhang ist eben auch, daß wir nur mit der ‚Golden Hen‘ nach Havanna segeln können, mit keinem anderen Schiff.“

„Weil niemand unsere ‚Henne‘ kennt“, brummte Renke. „Ja, das war alles so schön ausgedacht und eingefädelt, und die Tarnung als deutsches Handelsschiff war perfekt. Beim Donner, warum mußte das schiefgehen?“

„Wegen dieses idiotischen Teniente“, sagte von Hutten. „Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen. Wir sind die einzigen, die Arne unterrichten können. Und wir müssen es tun, so schnell wie möglich. Die ‚Wappen von Kolberg‘ und die ‚Pommern‘ können Havanna ja erst etwa im August wieder anlaufen, weil sie offiziell am 13. Februar Kuba mit Kurs Kolberg verlassen haben.“

„Da haben wir nun das Problem“, sagte Jean Ribault wütend. „Wie sollen wir es lösen?“ Er ärgerte sich auch über sich selbst. Er hätte dem spanischen Kriegsschiffverband wohl doch besser ausweichen sollen. Doch was nutzte es jetzt noch, sich Vorwürfe zu machen?

Von Hutten sagte: „Vielleicht wäre es aus dieser Sicht doch besser gewesen, wenn ihr auf meinen Vorschlag eingegangen wäret.“

Renke blockte diesen Einwand sofort ab. „Nein! Ich habe das doch schon mal gesagt: Die Dons wollen das Schiff, nicht dich. Die haben nur einen fadenscheinigen Grund gesucht, unsere ‚Henne‘ zu beschlagnahmen. So, und jetzt nimm sie ihnen mal wieder weg.“

„Diese Hundesöhne“, sagte Jean Ribault. „Aber es ist klar – sie brauchen dringend Schiffe. Wie viele eigentlich? Wollen sie sich in St. Augustine eine Flotte zulegen? Na, wir werden ja sehen.“

„Besser wär’s, wenn wir St. Augustine gar nicht erst sehen würden“, sagte Renke. „Wenn es uns vorher gelänge, abzuhauen.“

„Wir hauen auf jeden Fall ab“, murmelte Jean Ribault.

„Aber wie?“ raunte von Hutten.

„Uns wird schon was einfallen“, brummte Renke.

Don José de Zavallo war mit sich selbst und der Welt zufrieden. „Goldene Henne“ war zwar ein verdammt komischer Name für ein Segelschiff, aber was kümmerte ihn das? Viel wichtiger war, daß es sich um eine solide Karavelle neuer Bauart handelte. Sehr alt konnte sie noch nicht sein, höchstens vier, fünf Jahre. Das zählte. Nichts war morsch und wurmstichig, nirgends war ein Leck zu entdecken. Das Schiff war gut in Schuß, das mußte man diesen deutschen Tölpeln lassen.

Als erstes nahm sich de Zavallo das Vordeck vor. Ein Blick in die Kombüse verriet ihm, wie die Deutschen es mit der Sauberkeit hielten: alles bestens in Ordnung, keine Fettflecken auf der Anrichte, keine schmutzigen Töpfe und Pfannen, keine schmierigen Planken, auf denen man ausrutschen konnte.

Alle Achtung, dachte der Teniente insgeheim. Irgendwie empfand er sogar etwas Respekt vor diesen seltsamen Teutonen, auch, wenn sie einen Indianerbastard als Lotsen an Bord hatten. Von der Seefahrt und ordentlicher Seemannschaft schienen sie was zu verstehen, das bewies auch das Rigg des Schiffes, das tadellos in Schuß war.

Bis in den untersten Schiffsraum stieg de Zavallo hinunter und untersuchte auch hier alles eingehend. Kein Leck, nur das übliche bißchen Wasser in der Bilge. Ein schmuckes, sauberes Schiffchen, das nicht einmal einer Überholung bedurfte. Er konnte es sofort übernehmen.

Nicht einmal keimte in de Zavallo der Verdacht auf, daß es sich bei der „Goldenen Henne“ gar nicht um ein deutsches Schiff handelte. Wie sollte er das auch ahnen? Er wußte ja nichts von den Umständen, unter denen der Seewolf und sein Potosi-Trupp das Schiff der Schnapphahn-Bande Flores-Caspicara am Golf von San Blas abgenommen hatten. Und noch weniger konnte er wissen, daß wiederum Flores und Caspicara die Karavelle von Spaniern erobert hatten.

Seine Überlegungen gingen in eine andere Richtung. Für ihn war es wichtig, so schnell wie möglich St Augustine zu erreichen und dafür zu sorgen, daß man ihm die „Goldene Henne“ unterstellte. Da er das Schiff besetzt hatte, würde man es sicherlich auch seinem Kommando übergeben, sobald die Deutschen in das Festungsgefängnis gesteckt worden waren.

Im Prinzip handelte es sich nur darum, dem Festungskommandanten Don Lope de Sanamonte anschaulich genug darzustellen, wie sich alles zugetragen hatte. Und der Verbandsführer würde natürlich alles genau bestätigen.

Don Lope würde doppelt erfreut sein – erstens, weil er ein neuwertiges, gutes und wendiges Schiff als „Geschenk“ erhielt, zweitens, weil er die Gefangenen zur Zwangsarbeit einsetzen konnte.

De Zavallo würde es ihm empfehlen. Was sollte man sonst mit diesen Kerlen anfangen? Sie auf freien Fuß setzen? Damit sie beim Gouverneur von Kuba Protest erhoben? Auf keinen Fall. Außerdem waren sie ordentlich und fleißig, sie eigneten sich also hervorragend als Sklaven.

All das beschäftigte Don José de Zavallos Geist. Er malte sich bereits alles aus – die Ankunft im Hafen von Fort St. Augustine, die Begeisterung seiner Landsleute über den „Fang“, die Folgen, die sich daraus ergaben. Sicherlich würde man ihn befördern.

Der Teniente beendete seine Inspektion in der Kapitänskammer. Noch einmal befaßte er sich mit dem Schiffstagebuch und den Papieren. Sie waren in Deutsch geschrieben, er konnte kein einziges Wort entziffern. Aber welche Rolle spielte das schon? Dieser „Kram“ würde ohnehin verschwinden. Wer wollte ihn schon lesen?

Und das Handelshaus in Havanna? Würde dieser deutsche Kaufherr Arne von Manteuffel keine Nachforschungen anstellen, wenn seine „Goldene Henne“ überfällig wurde und schließlich überhaupt nicht erschien? Gewiß doch, aber das Schiff konnte ja gesunken sein. Untergegangen mit Mann und Maus.

De Zavallo grinste unwillkürlich. Wenn er der Kommandant von St. Augustine gewesen wäre, hätte er schon gewußt, wie man die Mannschaft für ewige Zeiten in die Versenkung verschwinden ließ. Der Zweck heiligte die Mittel.

Nun, das mußte er Don Lope de Sanamonte überlassen. Noch war er der Kommandant in St. Augustine, und es oblag ihm, über das Schicksal dieser Gefangenen zu entscheiden. Doch eines Tages würde ein anderer Mann seinen Posten übernehmen – er, Don José de Zavallo. Dieses Ziel hatte er ständig vor Augen.

Wer war für das Amt des Nachfolgers von de Sanamonte geeigneter als er? Niemand. Es gab keinen besseren Mann in St. Augustine als ihn, de Zavallo. Er war davon fest überzeugt. Und er war sicher, daß der Tag nicht fern war, an dem er das Kommando über St. Augustine übernehmen würde.

Wer denn wohl sonst? Etwa der Verbandsführer? Über den konnte er nur lachen. Der tat ohnehin, was sein Teniente ihm empfahl, und war froh, wenn ihm jemand die Entscheidung und Verantwortung abnahm.

Don José de Zavallo kehrte auf das Achterdeck der „Goldenen Henne“ zurück und sah, daß der deutsche Kapitän mit zwei anderen Kerlen tuschelte. Ausgerechnet der Mischling war dabei!

Sofort fuhr de Zavallo dazwischen. „Was gibt es hier zu besprechen – noch dazu mit dem Indianerbastard?“

Renke Eggens’ Erwiderung war nicht minder rabiat. „Auf meinem Schiff kann ich Besprechungen abhalten, mit wem ich will! Und was ich bespreche, geht Sie, Señor Teniente, einen feuchten Kehricht an!“

„Sie irren sich!“ rief de Zavallo.

„Und Sie scheinen zu verkennen, daß Sie sich auf einem deutschen Schiff befinden, auch wenn Sie sich anmaßen, es zu beschlagnahmen!“

„Irrtum“, sagte de Zavallo noch einmal, und dieses Mal grinste er höhnisch. „Sie haben wohl immer noch nicht begriffen, daß Ihre Karavelle nunmehr in spanischen Besitz übergegangen ist.“

„Wie bitte?“ stieß Renke hervor. „Ich habe mich wohl verhört!“

„Künftig wird die Karavelle unter spanischer Flagge segeln“, sagte Don José de Zavallo von oben herab.

„So, jetzt wissen wir es“, sagte Ribault. „Jetzt hat er die Katze aus dem Sack gelassen.“

De Zavallo gab einem der Soldaten einen Wink. „Die deutschen Flaggen niederholen, Sargento!“

„Jawohl, Señor“, entgegnete der Sargento und beeilte sich, dem Befehl Folge zu leisten.

„Señor!“ schrie Renke Eggens. „Unterstehen Sie sich, das zu tun!“

Aber der Teniente beachtete ihn nicht mehr. Er schaute dem Sargento zu und verfolgte, wie dieser zum Besan trat, um die Flagge von Kolberg von der Besanrute niederzuholen.

„Gut so“, sagte er. „Dann die andere. Dies ist ein spanisches Schiff.“

„Nein!“ brüllten die Männer der Crew plötzlich wie aus einem Mund.

Renke konnte nicht länger an sich halten. Seine Gegenreaktion war spontan und außerhalb jeglicher Vernunft, aber sie entsprach dem, was Ribaults Männer und die vier anderen Deutschen in diesem Moment einmütig empfanden.

Mit einem Satz stürzte sich Renke auf den Teniente und rammte ihm die Faust unters Kinn.

De Zavallo geriet ins Taumeln und stöhnte auf. Renke war vor ihm und hieb noch einmal mit der Faust zu. De Zavallo flog den Backbordniedergang hinunter und krachte auf die Kuhl.

Jean Ribault griff den Sargento an, der bereits die Besanflaggleine in der Wand hatte. Der Mann wollte seine Pistole zücken, aber Ribault war schneller. Seine Faust prallte unter das Kinn des Mannes.

Der Sargento gab nur noch einen ächzenden Laut von sich, dann kippte er rücklings auf die Planken und blieb bewußtlos liegen.

Die „Vengeurs“ und die vier Deutschen stürzten sich auf die restlichen Soldaten. Ein Spanier hatte sich bereits der Flaggleine des Großmastes genähert, doch Hein Ropers verpaßte ihm eine schallende Ohrfeige.

Dem Spanier flog der Helm vom Kopf. Scheppernd landete er auf den Planken. Fast wirkte es so, als hätte Hein Ropers dem Soldaten auch den Kopf versetzt. Der Kopf stand bedenklich nach rechts. Hein Ropers gab ihm noch eine gepfefferte Maulschelle, diesmal von der anderen Seite, und der Kopf flog wieder herum.

Dann knallte Ropers dem entsetzten Mann die Faust unters Kinn, und auch er brach zusammen.

Hanno Harms fällte einen Soldaten, der seine Muskete auf ihn richten wollte, mit einem einzigen, gewaltigen Hieb. Aber dann krachten doch Schüsse – und Kugeln pfiffen wie wütende Hornissen über die Decks der „Goldenen Henne“.

Jean Ribault, Renke Eggens und die anderen Männer mußten sich in Deckung werfen. Fluchend registrierten sie, daß die Kugeln von den Begleitschiffen abgefeuert worden waren. An Bord der beiden Kriegsgaleonen standen die Seesoldaten aufgereiht am Schanzkleid und hatten ihre Musketen auf die Karavelle angeschlagen. Drehbassen wurden auf die „Goldene Henne“ gerichtet.

Jetzt ertönte auch eine scharfe Stimme vom Achterdeck der Galeone an Backbord. „Ergebt euch!“

„Was tun wir?“ zischte Karl von Hutten. „Ergeben wir uns wirklich?“

„Wir feuern zurück“, sagte Renke Eggens.

„Nein“, entschied Jean Ribault.

„Streicht die Flagge!“ schrie der Mann auf dem Achterdeck der spanischen Kriegsgaleone. „Ihr habt keine Chance!“ Es war der Verbandsführer. „Ergebt euch, oder wir eröffnen das gezielte Feuer auf euch – ohne Rücksicht auf unsere eigenen Leute!“

„Da haben wir’s“, sagte Jean Ribault. Er blickte zu Renke. „Zwecklos, mein Freund, wir haben die schlechteren Karten.“

Renke begriff, richtete sich halb auf und rief: „Männer, es hat keinen Sinn! Wir sind den Spaniern ausgeliefert! Ergebt euch!“

Don José de Zavallo rappelte sich in diesem Augenblick wieder auf. Sein Kinn schmerzte höllisch, es schien verschoben zu sein. Fluchend trat er zu seinen Seesoldaten und gab ihnen Befehle. Er schien vor Haß und Wut zu kochen und hätte die „Deutschen“ wohl am liebsten der Reihe nach erschossen, konnte es aber nicht tun.

Die „Deutschen“ richteten sich auf und hoben die Hände. Kapitulation – es blieb ihnen nichts anderes übrig. Es war heller Wahnsinn gewesen, den Teniente und seine Leute anzugreifen, aber sie hatten nicht anders handeln können.

„Abführen, die Kerle!“ stieß de Zavallo mit gequetschter Stimme hervor. „Einsperren!“

Der Sargento hatte auch das Bewußtsein wiedererlangt.

„Wohin einsperren, Señor?“ fragte er.

„In die Vorpiek!“

„Dort wird es eng werden.“

„Je enger, desto besser!“ schrie de Zavallo, obwohl das Schreien seinem Kinn gar nicht gut tat. „Sie sollen für ihre Unverschämtheit büßen, diese Hunde!“

Nur fünf Gefangene suchte er heraus, die er noch als Besatzung an Deck brauchte: Jean Ribault, Hein Ropers, Hanno Harms, Jan Ranse und Mel Ferrow.

„Ihr bleibt hier!“ gab er ihnen barsch zu verstehen. „Kapiert ihr, was ich sage?“

„Ja“, erwiderte Jean Ribault.

„Ja, Señor, heißt das!“

„Ja, Señor.“

„Ihr fünf Bastarde schnappt euch die Jolle und holt weitere Soldaten von einem unserer Schiffe herüber!“ brüllte de Zavallo. Er griff sich ans Kinn. Das Brüllen verursachte noch schlimmere Schmerzen als das Schreien.

Kurz darauf lagen die vier Schiffe beigedreht im Wind, und Jean Ribault, Hein Ropers, Hanno Harms, Jan Ranse und Mel Ferrow mußten zu der zweiten, etwas kleineren Kriegsgaleone des Verbandes hinüberpullen. Seesoldaten enterten in die Jolle ab.

Die Männer mußten sie zur „Goldenen Henne“ befördern, und hier stiegen die Spanier als Verstärkung an Bord. Noch zwei Fahrten mußten Jean Ribault und seine Mannen mit dem Boot unternehmen, dann befanden sich nach de Zavallos Meinung endlich genügend Seesoldaten an Bord der Karavelle.

Somit war die „Goldene Henne“ endgültig besetzt, und Renke und die Crew waren in der Vorpiek zusammengepfercht. Alles Fluchen nutzte nichts – sie steckten in der Klemme, tiefer als vorher.

Die Jolle wurde achtern an eine Schleppleine gehängt, dann nahmen die Schiffe wieder Fahrt auf – Kurs St. Augustine. Don José de Zavallo behandelte sein schmerzendes Kinn. Früher oder später würde er den Deutschen diesen Bubenstreich heimzahlen, das schwor er sich.

Seewölfe Paket 24

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