Читать книгу Seewölfe Paket 24 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 37

4.

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Die Zeit verstrich zähflüssig, die Stunden schienen endlos lang zu sein. Wie weit war St. Augustine noch entfernt? Jean Ribault wußte, daß die Reise noch mindestens anderthalb Tage dauern würde.

Genauere Berechnungen konnte er jetzt aber nicht anstellen. Er hatte weder seine Karten noch seine Navigationsinstrumente zur Verfügung. Die hatte Don José de Zavallo gleich mit „beschlagnahmt“, und er hatte sich inzwischen in der Kapitänskammer der „Goldenen Henne“ häuslich eingerichtet.

Er betrachtete diese Kammer bereits als sein Reich und begann nach dem Dunkelwerden, sich mit der neuen Umgebung eingehend vertraut zu machen. Ein feines Schiff, dachte er immer wieder. Lange saß er am Pult des Kapitäns und legte seine Hände mit einem Ausdruck grimmiger Zufriedenheit flach auf die Platte. Er genoß seinen Erfolg und malte sich wieder aus, wie die Ankunft in St. Augustine verlaufen würde.

Renke Eggens und die anderen Männer, die in die Vorpiek gesperrt worden waren, brüteten finster vor sich hin. Sie wechselten kaum Worte. Was sollten sie auch sagen? Das, was ihnen zugestoßen war, war schon mehr als Pech. Fast hätte man meinen können, es sei der 13., nicht der 26. April. Gefangene der Spanier – keiner von ihnen hätte es erwartet. Kaum hatte die Fahrt nach Havanna begonnen, war sie auch schon beendet. Und über das, was ihnen in St. Augustine blühte, brauchten sie sich keinen großen Illusionen hinzugeben. Der Teniente würde schon dafür sorgen, daß sie das Schiff nicht zurückerhielten.

„So eine Blamage“, brummte Renke Eggens schließlich. „Wenn das die Freunde wüßten! Mann, Mann.“

„Wenn sie es wüßten, würden sie uns helfen“, sagte von Hutten. Plötzlich richtete er sich kerzengerade auf. „He, da fällt mir was ein! Haben wir nicht bald Grand Bahama erreicht?“

„Ich denke schon“, erwiderte Renke.

„Na, da wollten doch Hasard und der Wikinger hinsegeln, um die Inseln zu erkunden.“

„Stimmt“, sagte Roger Lutz. „Zur Hölle, wenn einer von uns sie wenigstens benachrichtigen könnte.“

„Vielleicht läßt Jean sich was einfallen“, sagte Karl von Hutten.

„Du meinst, einer von unseren fünfen oben an Deck könnte abhauen?“ fragte Grand Couteau.

„Genau das“, entgegnete von Hutten. „Mit der Jolle.“

„Die im Schlepp hängt“, sagte Renke. Mit einemmal begann auch er wieder zu hoffen. „Donnerkeil, das wäre was! Im Dunkeln könnte Jean es riskieren. Oder einer der anderen!“

„Zwei Mann wären besser“, warf Fred Finley ein.

„Ja“, sagte Karl von Hutten. „Jean wird schon wissen, was er tut. Die Hauptsache ist, er versucht es.“

An Bord der drei spanischen Kriegsschiffe waren für die Nacht doppelte Wachen eingeteilt worden, die die requirierte Karavelle ständig im Auge behielten. Gefechtsbereitschaft herrschte an Bord der beiden Kriegsgaleonen und der Kriegskaravelle. Die Besatzungen waren ständig darauf gefaßt, daß es zu neuen Zwischenfällen kam, obgleich die fünf „Deutschen“, die Don José de Zavallo an Oberdeck der „Goldenen Henne“ belassen hatte, sicherlich gegen die jetzt auf der Karavelle anwesenden Seesoldaten herzlich wenig ausrichten konnten.

Pedro Tores, Lombardez, El Rojo und der Einarmige hatten auf der Führungsgaleone zusammen mit zehn anderen Männern die erste Nachtwache übernehmen müssen. Tores und El Rojo würden auch noch die Mitternachtswache gehen, dafür hatte der Teniente gesorgt, bevor er von Bord gegangen war und das beschlagnahmte Schiff übernommen hatte. An Arbeit, so hatte de Zavallo zynisch bemerkt, solle es dem Schiffsvolk nicht mangeln, da es sich sonst langweile und auf dumme Gedanken verfalle.

Tores verfluchte den Teniente wieder bis in die tiefsten Höllenschlünde. El Rojo hingegen hatte er vergeben. Es mußte wohl doch am Rum gelegen haben, daß sie sich in die Haare geraten waren. Und alle Kameraden hatten es bezeugt: El Rojo hatte nicht falschgespielt. Sein Glückswurf war ein reiner Zufall gewesen.

Tores und El Rojo waren auf der Back der Kriegsgaleone und blickten zu der „Goldenen Henne“ hinüber.

„Weißt du was?“ murmelte Tores. „Mir können diese Deutschen leid tun. Ich würde es meinem ärgsten Feind nicht wünschen, unter die Fuchtel dieses Schweinehundes zu geraten.“

„Nicht so laut“, zischte El Rojo.

„Uns hört ja keiner.“

„Hast du gesehen, wie dieser deutsche Kapitän dem Teniente die Faust zu schmecken gegeben hat?“ El Rojo kicherte. „Das war mal ein feiner Hieb.“

„Das hat auch mir gefallen“, sagte Tores. „Und deshalb habe ich an diesem deutschen Kapitän nichts auszusetzen.“

„Und an den anderen auch nicht, wie?“

„Ja.“

„Am liebsten würdest du ihnen helfen, de Zavallo in die See zu befördern, was?“ El Rojo kicherte wieder.

„Natürlich.“ Tores warf ihm einen Blick zu. „Aber laß dein blödes Gekicher.“

El Rojo wurde sofort wieder ernst. „Klar. Ich will nicht schon wieder Streit mit dir.“

Lombardez kletterte über den Niedergang zu ihnen herauf.

„Was habt ihr zu quasseln?“ fragte er.

„Fängst du jetzt schon an wie de Zavallo?“ fragte Tores angriffslustig.

Lombardez blieb dicht vor ihm stehen. „Nein. Aber der Profos will wissen, was los sei.“

Tores und El Rojo sahen ein, daß es klüger war, den Mund zu halten. Sie durften nicht schon wieder anecken. An Bord der Kriegsgaleone und der beiden anderen Kriegsschiffe hatten Ordnung und Gehorsam zu herrschen. Keiner hatte aufzumucken oder zu murren, und wenn es nicht ruhig genug war, wurde hart durchgegriffen.

De Zavallo hatte dem Profos entsprechende Anweisungen hinterlassen. Der Profos konnte mit der Neunschwänzigen genausogut umgehen wie der Teniente, deshalb war es ratsam, sich friedlich zu verhalten.

Im übrigen hatte das Erscheinen dieses „deutschen Kauffahrers“ ja für Abwechslung gesorgt. Die Langeweile der spanischen Seeleute war vergessen. Sie beobachteten die „Goldene Henne“ und fragten sich insgeheim, wie das alles weitergehen und enden würde.

Darüber zerbrach sich auch Jean Ribault gerade wieder den Kopf. Es galt, eine Kriegslist zu ersinnen, es mit einem Trick zu versuchen. Nach seinen überschlagsmäßigen Berechnungen mußten der Kriegsschiffverband und die „Goldene Henne“, inzwischen querab von Grand Bahama stehen.

Natürlich entsann sich Jean Ribault, daß Hasard und die Männer der „Isabella IX.“ sowie Thorfin Njal mit seinem Schwarzen Segler ebenfalls Great Abaco hatten verlassen wollen, um hier oben die Inseln zu erkunden. Folglich mußten sie jetzt hier sein – irgendwo in der Nacht. Durfte man sich diese Chance entgehen lassen?

Auf keinen Fall, dachte Jean Ribault. Immer wieder blickte er zu den Seesoldaten, die auf den Decks der „Henne“ Wache hielten. Was immer er tat, es würde ein höllisches Risiko sein. Aber er mußte alles auf eine Karte setzen. Die Freunde mußten verständigt werden. Andernfalls verschwanden die „Goldene Henne“ und ihre Besatzung möglicherweise spurlos. Diesem de Zavallo war absolut nicht zu trauen, er war zu jeder Schandtat fähig.

Allerdings hielt es Jean Ribault für seine Pflicht, bei seinen Männern zu bleiben. Deshalb konnte nicht er der Mann sein, der die „Henne“ verließ und sich in einem günstigen Moment absetzte. Zwei Männer mußten es außerdem sein, einer allein würde es nicht schaffen, zu entkommen und im Dunkeln draußen auf See zu bestehen.

In einem unbeobachteten Moment näherte sich Jean Ribault Jan Ranse und Mel Ferrow.

„Hört mal zu“, murmelte er. „Wir müssen was auf die Beine stellen.“

„Denkst du, was wir denken?“ flüsterte Jean. „Grand Bahama ist nicht weit, oder?“

„Richtig.“

„Wir müssen Hasard und den Wikinger benachrichtigen“, raunte Mel Ferrow. „Auf Teufel komm raus!“

„Traut ihr euch das zu?“ fragte Jean Ribault.

„Na klar“, erwiderte Jan gedämpft. „Aber du? Was machst du?“

„Ich bleibe“, wisperte der Franzose. „Versucht, es zu verstehen. Ich habe das Kommando und fühle mich für die Crew verantwortlich.“

„Das ist logisch“, raunte Mel. „Aber was wird, wenn dich dieser Drecksteniente für unsere Flucht zur Verantwortung zieht?“

„Das überstehe ich schon“, erwiderte Jean Ribault verhalten. „Im übrigen kann er denken, daß ihr auf eigene Faust entwischt seid.“

Jan nickte. „Ja, das klingt gut. Wir schnappen uns also die Jolle, die achtern angehängt ist, und hauen ab?“

„Ja“, erwiderte Ribault. „Und dann versucht ihr, entweder auf Hasard oder auf den Wikinger zu stoßen, die rund um Grand Bahama und bei den nördlicher liegenden Keys erkunden.“

„Und wenn uns das nicht gelingt?“ fragte Mel.

„Dann müßt ihr nach Great Abaco“, flüsterte Ribault. „Seht zu, daß ihr die Cherokee-Bucht erreicht. Irgendwie muß es klappen.“

„Du kannst dich auf uns verlassen“, wisperte Jan. „Irgendwie kriegen wir das hin. Aber wie verschwinden wir, ohne daß uns die Dons mit ihren Musketen oder Drehbassen in Stücke schießen?“

„Mal sehen“, erwiderte Jean Ribault. „Ich schätze, wir werden ein kleines Ablenkungsmanöver in Szene setzen.“ Er blickte dabei zu Hein Ropers und Hanno Harms.

Mel grinste. „Schon verstanden. Aber wir brauchen noch ein Messer. Besser wären zwei Messer.“

„Mann“, murmelte Jan. „Die besorgst du doch, oder?“

„Aus der Kombüse?“ flüsterte Mel.

„Aus der Kombüse“, bestätigte Jean Ribault. „Nachdem die technischen Fragen geklärt wären, gehen wir zur Strategie und Taktik über.“

„Ich verschwinde gleich in Richtung Kombüse“, brummelte Mel. „Das fällt mir nicht allzu schwer. Im übrigen ist dort auch kein Wachtposten, wenn mich nicht alles täuscht.“

„Du irrst dich nicht“, entgegnete Jean Ribault so leise wie möglich. „Sie halten vor dem Schott der Vorpiek und hier oben Wache. De Zavallo scheint in die Kapitänskammer verliebt zu sein. Er ist dort verschwunden und nicht wieder aufgetaucht.“

„Der Hund fühlt sich schon als Kapitän!“ zischte Jan. „Aber er wird sich noch wundern.“

„Wann steigt die Aktion?“ wollte Mel wissen.

„Nach Mitternacht“, erwiderte Jean Ribault.

„Dann ist noch ein bißchen Zeit“, brummte Mel. „Wir können uns in aller Ruhe vorbereiten.“

„Nur keine Hast“, murmelte Jan. „Und vor allem keine Panik.“ Er grinste Jean Ribault zu und sah dann zu seinem „Komplizen“ Mel. Dann grinsten sie alle drei wie die Teufel.

Jan Ranse als Steuermann der früheren „Le Vengeur“ hatte die nördlichen Bahama-Inseln von den Karten her genau im Kopf. Wo die derzeitige Position der „Goldenen Henne“ und ihrer Bewacher war, konnte er – wie Jean Ribault – ebenfalls nur schätzen. Deshalb war er ziemlich sicher, daß es keine Orientierungsschwierigkeiten geben würde, wenn sie mit der Jolle verschwanden.

Im übrigen war die Jolle mit Bootskompaß, Steckmast und aufgerolltem Gaffelsegel ausgerüstet. Die Spanier hatten nichts entfernt. Das war ein Fehler von Don José de Zavallo. Er hätte entweder die Jolle an Bord hieven oder zumindest den Mast entfernen lassen müssen.

Immerhin mußte er damit rechnen, daß die „Deutschen“ nach ihrer überraschenden Attacke verwegen genug waren, noch einmal den Aufstand zu proben. Nichts schien ihren Widerstand brechen zu können, ständig mußte man auf sie aufpassen.

Aber das taten die Seesoldaten ja auch. Die fünf „Deutschen“, denen de Zavallo gnädigerweise gestattet hatte, an Oberdeck zu bleiben, hatten nicht die geringste Chance, etwas zu unternehmen – so dachte der Teniente. Im Prinzip traf dies, von seiner Warte aus gesehen, auch zu.

Wenn auch nur einer der Gefangenen ins Wasser sprang – was praktisch unmöglich war –, wohin sollte er schwimmen? Die Haie würden ihn zerreißen, bevor er eine der Bahama-Inseln erreichte. Und mit der Jolle konnte er auch nicht viel anfangen. Ganz abgesehen davon war es ausgeschlossen, daß einer dieser Kerle den Soldaten entwischte, die den Befehl hatten, sofort zu feuern, falls auch nur der kleinste Zwischenfall passierte.

De Zavallo durfte sich also sicher fühlen, was die verordneten Maßnahmen betraf. Er ahnte ja auch nicht, daß die „Teutonen“ keine biederen Handelsfahrer waren, sondern dem Bund der Korsaren angehörten. Somit lag ihm auch jegliche Vermutung fern, es könnten sich etwaige Verbündete dieser Kerle in der Umgebung befinden.

Don José de Zavallo hatte sich wieder etwas beruhigt. Die Schmerzen in seinem Unterkiefer hatten nachgelassen. Seine Wut war zum größten Teil verraucht. Nicht etwa, weil er dem verrückten deutschen Kapitän und dessen Kerlen verzieh – o nein!

Es war vielmehr der Aufenthalt in der Kapitänskammer, der ihn ablenkte und ihm ein neues Gefühl der Überlegenheit und Selbstherrlichkeit verlieh. Zudem hatte er ein Fläschchen Portwein entdeckt, von dem er jetzt ein Glas zu sich nahm.

Er war kein Trinker, er verachtete eher Alkohol. Aber seinen Sieg mußte er jetzt feiern, für sich allein. Zum Wohl, dachte er, hob das Glas an den Mund und nahm einen Schluck von dem süffigen Wein.

Vorzüglich, dachte er und grinste. Er spürte die Wirkung sofort. Die Schmerzen ließen noch mehr nach, das Hochgefühl wuchs. Fast war er versucht, ein Liedchen zu trällern, aber das erschien ihm denn doch etwas zu übertrieben.

Hätte er geahnt, was sich an Oberdeck zusammenbraute, dann hätte er schleunigst die Kapitänskammer verlassen und persönlich die Leitung der Nachtwache übernommen. Aber nicht die Spur von einem Verdacht keimte in ihm. Alles friedlich, dachte er, eine ruhige Nacht.

Mel Ferrow war es unterdessen gelungen, heimlich das Vordeck aufzusuchen. Daß die Deckswachen es nicht bemerkten, hing bereits mit dem Ablenkungsmanöver zusammen, das Hein Ropers und Hanno Harms vorn auf der Back begonnen hatten.

Jean Ribault hatte sich vor einer halben Stunde mit ihnen abgestimmt – auf Deutsch. Es hatte nur weniger Worte bedurft. Sie hatten sofort begriffen und wußten, was sie zu tun hatten.

Als Hein Ropers registrierte, daß Mel sich anschickte, die Kuhl zu verlassen, deutete er auf einen der Soldaten, die bei ihnen auf der Back standen und sie bewachten.

„Sieh mal, Hanno“, sagte er. „Findest du nicht auch, daß er eine reichlich dicke Nase hat?“

Hanno Harms, der Mann aus Hinterpommern, betrachtete den Spanier auf seine bedächtige Art. „Stimmt schon. Ich schätze, er hat eine feine Knollennase.“

„Nee“, sagte Hein Ropers, „’ne Rübennase.“

Der Soldat verstand zwar kein Wort, begriff aber natürlich, daß sie über ihn redeten. Seine Augen wurden schmal, und er senkte etwas seinen behelmten Kopf.

„He“, brummte er. „Was ist los?“

Hanno musterte ihn und schüttelte den Kopf. „Ob Knollen- oder Rübennase, ist doch egal. Ich finde, es ist eine Zumutung, mit so ’ner Nase durch die Gegend zu laufen.“

„Ja, wirklich, ein starkes Stück“, pflichtete Hein Ropers ihm grinsend bei.

„Verdammt“, sagte der Soldat und rückte ein Stück auf sie zu. „Was habt ihr da zu grinsen?“ Der Schein der Bordlaterne fiel jetzt direkt auf sein Gesicht.

Hanno lachte. „O Mann, was für ein Zinken. So was sollte verboten werden, finde ich.“

„Was reden die?“ fragte der Soldat einen seiner Kameraden.

„Bin ich Hellseher?“ fragte ein anderer Soldat zurück. „Wer versteht das Kauderwelsch schon?“

„Du da“, sagte der erste Soldat zu Hanno. „Red gefälligst Spanisch.“

„Was sagt er?“ fragte Hanno Hein Ropers.

„Du sollst Spanisch sprechen“, erwiderte Hein Ropers.

„Kann doch kein Spanisch“, sagte Hanno. „Nicht ein einziges Wort. Mann, was für ’ne dicke, dicke Nase.“

Der Soldat mit der großen Nase wurde wütend. Aber sein Kamerad trat zu ihm und hielt ihn am Arm fest.

„Laß dich doch nicht verulken“, sagte er. „Merkst du nicht, daß die dich bloß herausfordern wollen?“

„Ich laß mich nicht auslachen.“

„Darauf legen sie es ja nur an.“

„Wenn sie nicht aufhören, melde ich sie dem Teniente“, sagte der Soldat mit der großen Nase aufgebracht.

Mel Ferrow war inzwischen in die Kombüse eingedrungen. Es war stockdunkel, aber er kannte sich gut genug aus. Oft besuchte er Eric Winlow, den Koch, und schaute aus reiner Neugier bei ihm in die Töpfe. Deshalb wußte Mel auch, wo die Messer waren.

Im Handumdrehen hatte er sich zwei Fleischermesser zugesteckt, verließ die Kombüse wieder und kehrte auf die Kuhl zurück. Keiner der Spanier schien sein kurzes Verschwinden bemerkt zu haben. Die Soldaten richteten ihr Augenmerk auf die Back.

„Ha“, sagte dort gerade Hanno Harms. „Wenn ich so eine Gurke im Gesicht hätte, würde ich mich verstecken.“

„Er zieht mich wegen meiner Nase auf!“ stieß der Soldat erbost hervor.

„Ach, hör auf“, sagte sein Kamerad beschwichtigend. „Das bildest du dir nur ein.“

Jean Ribault war mit wenigen Schritten neben Mel Ferrow.

„Hast du die Messer?“ fragte er gedämpft.

„Ja, alles klar.“

„Dann los. Setzt euch nach achtern ab.“

Mel warf Jan Ranse einen Blick zu. Jan wich unmerklich weiter noch achtern zurück und näherte sich dem Backbordniedergang des Achterdecks. Mel bewegte sich auch – mehr wie zufällig – nach achtern.

Jean Ribault verharrte auf seinem bisherigen Platz am Großmast und blickte wie die Spanier zur Back hoch, wo sich der schönste Streit zu entwickeln schien.

„Hanno“, sagte Hein Ropers in diesem Moment. „Ich glaube, der Don will, daß du deine Klappe hältst.“

Hanno grinste breit. „Wer so einen Mordszinken hat, hat gar nichts zu wollen.“

Der Soldat traf Anstalten, sich auf ihn zu stürzen.

„Don? Wer ist ein Don?“ schrie er. „Halt dein Maul, Kerl!“

Inzwischen steuerte auch die Kriegskaravelle von achtern etwas näher heran und segelte zwischen der „Goldenen Henne“ und der Kriegsgaleone an Backbord auf.

„Was ist da los?“ rief der Mann, der das Kommando über die Deckswache hatte.

„Ach, nichts“, erwiderte einer der Wachtposten auf der Kriegsgaleone. „Die Deutschen quatschen nur blöd herum!“

„Was sagen die?“ wollte Hanno von Ropers wissen.

„Daß wir nur blödes Zeug quatschen.“

Hanno tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Schläfe. „Ihr seid ja selber blöd.“ Dabei sah er wieder provozierend den Soldaten mit der großen Nase an. Eigentlich hatte er nichts gegen ihn, aber jemand mußte ja das Ablenkungsmanöver durchführen.

„Dir stopf ich das Maul!“ schrie der Soldat.

„He“, sagte sein Kamerad. „Jetzt hör aber endlich auf.“

Zwei andere rückten näher.

„Deutscher, halt die Klappe, oder du fliegst zu den anderen in die Vorpiek“, sagte der eine.

„Was heißt das jetzt wieder?“ fragte Hanno, obwohl er selbst genug Spanisch verstand.

„Daß es gleich losgeht“, brummte Hein Ropers.

Unmerklich warf er einen Blick nach achtern. Mel und Jan hatten das Achterdeck erreicht, aber auch auf dem Achterdeck waren vier Seesoldaten.

Hanno beschloß, den Ablauf der Dinge zu beschleunigen.

„Da“, sagte er und trat direkt vor den Soldaten mit der großen Nase hin. Sein Zeigefinger richtete sich auf die Nase und schien ein Loch hineinbohren zu wollen. „Hast du dich schon mal im Spiegel gesehen?“

„Was sagt er?“ brüllte der Soldat Hein Ropers an.

Der zuckte nur mit den Schultern. „Ach, ich verstehe ihn selber nicht recht. Er spricht Plattdeutsch.“

Der Soldat war im Gesicht hochrot angelaufen. „Was für’n Ding?“

„Es ist ’ne Steckrübennase“, brummte Hanno. Dann grinste er wieder derart frech, daß der Spanier nicht mehr länger an sich halten konnte.

Der Soldat hob seine Muskete, drehte sie um und wollte Hanno den Kolben gegen die Schulter rammen. Darauf hatte Hanno nur gewartet. Er duckte sich und wich dem Stoß um Haaresbreite aus.

„Du Dreckskerl!“ schrie der Soldat.

Hanno unterlief ihn und warf sich gegen seinen Brustpanzer. Der Soldat stieß einen Laut aus, der wie eine Mischung aus Verblüffung und Entsetzen klang, dann verlor er das Gleichgewicht. Er kippte um, krachte auf die Planken und verlor seinen Helm. Hanno beugte sich über ihn und knallte ihm die Faust unters Kinn.

Der zweite Soldat wollte seinem Kameraden zu Hilfe eilen, achtete aber nicht auf Hein Ropers. Der riß ihm den Helm vom Kopf und hieb damit zu. Es gab einen dröhnenden Laut, der Soldat sank besinnungslos zusammen.

Auch der erste sank aufseufzend zurück und rührte sich nicht mehr. Hannos Hieb hatte gesessen. Doch jetzt stürmten die anderen Seesoldaten heran und stürzten sich fluchend auf die beiden Deutschen.

„Hanno!“ rief Hein Ropers. „Nichts wie ’ran!“

Hanno richtete sich von dem außer Gefecht gesetzten Gegner auf und fuhr zu Hein Ropers herum. Die Soldaten waren heran und hoben die Musketen, um damit auf die Aufsässigen einzuschlagen. Hein Ropers donnerte dem ersten, der in seine Reichweite geriet, den erbeuteten Helm auf den Schädel.

Das gab wieder einen scheppernden Laut, und der Helm rutschte dem Soldaten bis über die Augen. Hein Ropers setzte ihm die Faust gegen die Kinnlade, und der Mann taumelte zurück. Er ruderte mit den Armen und nahm zwei seiner Kameraden mit. Sie kämpften fluchend um ihr Gleichgewicht.

Aber immer mehr Soldaten rannten die Niedergänge zur Back hinauf. Eine Riesenkeilerei begann – mit Hein Ropers und Hanno Harms im Zentrum.

Jean Ribault wäre den beiden gern zu Hilfe geeilt, doch sie hatten abgesprochen, daß er sich zurückhielt. Er schirmte Jans und Mels Flucht sozusagen als Posten ab – und sollte alles so klappen, wie sie es sich ausrechneten, mußte zumindest er als letzter „Deutscher“ an Oberdeck der „Goldenen Henne“ zurückbleiben.

Hein und Hanno schlugen sich wie die Berserker. Die Soldaten brauchten immer mehr Nachschub. Mit polternden Schritten näherten sich die Spanier auch von achtern und stürmten nach vorn.

Keiner beachtete mehr Ribault, Jan Ranse und Mel Ferrow, auch nicht die Wachen an Bord der beiden Kriegsgaleonen und der Kriegskaravelle. Auf der Back der „Goldenen Henne“ war der Teufel los.

Der Radau schwoll derart an, daß selbst Don José de Zavallo, der sich inzwischen in der Koje der Kapitänskammer zur Ruhe begeben hatte, hochschreckte und aufsprang. Er stieß ein paar üble Verwünschungen aus, kleidete sich eilig an und hastete nach draußen.

Seewölfe Paket 24

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