Читать книгу Seewölfe Paket 24 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 43

2.

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Noch vor Einbruch der Dämmerung lief die Karavelle südwärts mit Kurs auf die Straße von Florida aus. Dort sollte sie Aufklärung fahren und Wachdienst versehen.

Jean Ribault und seine Männer, die zwangsweise mit dem Ausheben eines Wehrgrabens beschäftigt waren, sahen, wie die „Goldene Henne“ auslief und auf Südsüdost-Kurs ging. Sie knirschten vor ohnmächtiger Wut mit den Zähnen. Hilflos sahen sie ihrem Schiff nach, das jetzt unter spanischer Flagge segelte.

Auf dem Achterdeck der Karavelle stand Don José de Zavallo in der Pose des großen Admirals. Er kontrollierte den Rudergänger und blaffte ihn an, weil das Schiff nicht haargenau auf Kurs lag.

Auf dem Achterdeck befand sich auch der ehemalige Bootsmann Vicente Torres, der jetzt in Ermangelung von anderen geeigneten Offizieren als Erster fuhr.

Er fühlte sich unter dem Kommando dieses Schnösels absolut nicht wohl, denn der war so vom Ehrgeiz zerfressen, daß er unbedingt etwas beweisen wollte.

Die Schikanen gingen auch gleich darauf los, wie Torres ganz richtig erwartet hatte. Dieser Stiesel hatte jetzt ein recht gemischtes Völkchen an Bord, was ihn allerdings nicht im geringsten anfocht.

Er war ein Vertreter jener Gattung, die da glaubte, das faule Schiffsvolk würde nur dann spuren, wenn es kräftig kujoniert würde. Diesen Standpunkt vertrat das aufgeputzte und überhebliche Bürschchen mit unglaublicher Hartnäckigkeit.

„Profos aufs Achterdeck!“ schnarrte er.

Als der Profos auf dem Achterdeck erschien, musterte de Zavallo ihn von oben bis unten.

„Purren Sie alle Kerle hoch“, befahl der Capitán mit herrischer Stimme. „Alle, ohne Ausnahme. Ich verlange von jedem, daß er innerhalb einer Stunde rasiert und in Uniform an Deck erscheint. Ich dulde keine Stachelbärte, überhaupt keine Bärte. Es sind genügend Uniformen an Bord, um jeden einzukleiden. Vollzugsmeldung in einer Stunde. Wer nicht sofort pariert, erhält ein halbes Dutzend Hiebe. Vollzugsmeldung in einer Stunde auf dem Achterdeck. Abtreten!“

Der Profos salutierte und trat ab.

Gleich darauf wurde es auf der „Goldenen Henne“ lebendig, und die ersten Schreie wurden laut.

Der Profos griff rigoros und mit äußerster Härte durch, wie es ihm aufgetragen worden war. Unter dem Arm trug er zusammengerollt die Neunschwänzige.

Er sorgte dafür, daß die anderen Leute, die von den Kriegsschiffen abkommandiert worden waren, sich sauber rasierten. Uniformiert waren sie bereits.

Als das geschehen war, wurden die zehn Lotterkerle aus der Vorpiek getrieben. Da standen sie nun, manche so dösig, daß sie sich kaum auf den Beinen halten konnten. Da waren alle Gattungen vertreten, vom Besenbinder über den Scherenschneider bis hin zu den total abgefüllten Fischern. Sie mußten Aufstellung nehmen, auch wenn sie kaum stehen konnten.

Der Profos ging die Reihe auf der Kuhl ab und sah sich die Kerle genau an. Sein tückischer Blick fixierte jeden einzelnen.

„Ihr habt die Ehre“, sagte er hämisch, „Seiner Allerkatholischsten Majestät dienen zu dürfen. Wer das nicht zu schätzen weiß, der wird es sehr schnell lernen, auch wie man sich hier an Bord zu benehmen hat. Ich werde Kerle aus euch Gesindel formen, Kerle, die überall ihren Mann stehen!“

Einer der Fischer rülpste laut und setzte sich an Deck. Er hatte noch total glasige Augen und kapierte kein Wort. Der Besenbinder gähnte laut und hatte die Unverschämtheit zu fragen, was man denn überhaupt von ihm wolle.

Der Profos holte nur kurz und schnell mit der Peitsche aus und zog dem Besenbinder eins über, bis der kreischend in die Knie ging. Dann knöpfte er sich den Fischer vor und verfuhr in gleicher Weise.

Der Mann schrie laut und gepeinigt auf und sprang mit einem wilden Schrei in die Höhe.

„Ich werde euch den Schnaps schon aus den Knochen prügeln“, versprach er. „Wer nicht spurt, der wird Vater und Mutter und den Tag seiner Geburt lauthals verfluchen.“

De Zavallo sah vom Achterdeck aus wohlwollend auf den Profos, der wahrhaftig kein zimperlicher Mann war. Hm, der brachte die Kerle gleich auf Trab und schenkte ihnen nichts. Recht so, die verlotterten Halunken mußten kräftig angefaßt werden, damit sie wußten, aus welcher Richtung der Wind wehte.

Zusammen mit seinem Steckenknecht Pedro, der sich inzwischen auch rasiert hatte und jetzt wie ein Pfannkuchen glänzte, goß der Profos den zehn Lotterbuben pützweise das Wasser über die Körper, das die Kerle zuvor, in eine Waschbalje gehievt hatten.

Das kalte Wasser ernüchterte sie ziemlich schnell, und wer immer noch nicht richtig durchblickte, dem zog Virgil kurzerhand eins über.

Nach dem Waschen und Rasieren mußten sie ihre alten Plünnen über Bord werfen und wurden eingekleidet. Da standen sie nun händeknetend an Deck herum und hatten Angst, hündische Angst vor dem gewalttätigen Kerl, der sie bei jeder Kleinigkeit mit der Neunschwänzigen traktierte.

Die Stunde war noch nicht um, als der Profos auf dem Achterdeck Vollzug meldete. Wieder salutierte er zackig.

„Alle Mann wie befohlen gewaschen, rasiert und eingekleidet!“ meldete er brüllend, weil er das für besonders wirkungsvoll hielt.

„Abtreten! Werde geruhen, mir das selbst anzusehen“, sagte der Capitán. „Sie übernehmen solange, Torres.“

Mit angewiderten Blicken musterte der Capitán kurz darauf die zehn gepreßten Männer. Die wirkten schon jetzt reichlich eingeschüchtert, aber trotzdem versuchten sie, zu protestieren.

Das Bürschchen mit dem verderbten Gesicht trat einen Schritt vor. In seinen Augen funkelte es. Es hatte auch noch nicht die Neunschwänzige zu spüren gekriegt. Vielleicht war es deshalb so mutig.

„Ich bin mit Gewalt auf das Schiff gebracht worden, Señor. Ich will aber nicht dienen, schon gar nicht mit Gewalt. Ich bin ein freier Mensch.“

De Zavallo blickte ihn blasiert an.

„Zwölf Hiebe für diesen Kerl, Profos! Die Strafe ist sofort auszuführen. Wenn der Kerl danach noch das Maul aufreißt, verabreichen Sie ihm zwölf weitere. Er weigert sich, in die Dienste des Königs von Spanien zu treten! Das ist ja unglaublich!“

Diese Bestrafung schockierte die anderen, die immer kleinlauter wurden, denn schon griffen Profos und Steckenknecht hart zu, rissen ihm die Jacke vom Körper und banden ihn an den Mast.

„Noch jemand mit Gewalt auf das Schiff gebracht worden?“ fragte de Zavallo höhnisch. „Oder hat jemand Beschwerden vorzubringen? Er kann es nach der Auspeitschung tun.“

Augenblicklich hatte niemand Beschwerden vorzubringen. Es entsann sich auch keiner, mit Gewalt auf das Schiff gebracht worden zu sein, denn das hätte ihm nur ein Dutzend Hiebe eingebracht. Sie senkten schweigend die Köpfe und starrten auf die Planken.

Unterdessen schlug der Profos zu.

Das Bürschchen zuckte hart zusammen. Nach dem dritten Schlag schrie es, und nach dem sechsten kreischte es in höchster Pein. Beim neunten Schlag brach es wimmernd zusammen. Die letzten drei Hiebe spürte der Junge nicht mehr. Er war bewußtlos.

Die übliche Prozedur mit dem Eimer Seewasser begann. Nach ein paar Minuten war der Junge wieder bei sich.

„Jetzt zwölf weitere, falls er immer noch behauptet, gewaltsam an Bord gebracht worden zu sein. Vielleicht hat er aber auch seine Meinung inzwischen geändert.“

O ja, das Bürschchen hatte seine Meinung gründlich geändert. Sein Körper brannte, als sei er in giftige Nesselquallen gefallen. Er konnte nicht mehr sitzen, nicht stehen und nicht liegen.

„Ich habe gelogen“, murmelte er halberstickt und spie Blut aus, weil er sich auf die Zunge gebissen hatte. „Ich bin freiwillig an Bord gegangen.“

„Ein Lügner also“, stellte de Zavallo erstaunt fest. „Er lügt in schamloser Weise seinen Kommandanten an und hetzt die anderen dadurch auf. Lassen Sie es bei drei weiteren Hieben bewenden, Profos.“

Keiner der anderen muckte auf. Sie zuckten nur zusammen, als erneut die Peitsche zu tanzen begann. Das Bürschchen sackte zusammen.

De Zavallo nickte dem Profos zu und kehrte wieder auf das Achterdeck zurück, durchaus zufrieden mit dem Ergebnis. Dieses Früchtchen würde sich die Lektion gut merken.

Er sah in das Gesicht seines Ersten Offiziers, das etwas abfällig verzogen war, als empfände er das als nicht gerecht.

„Paßt Ihnen etwas nicht, Torres?“

„Sie sind der Capitán“, sagte Torres. „Aber aus einer Handvoll verluderter Kerle kann man nicht innerhalb einer Stunde oder zwei perfekte Seeleute hervorzaubern.“

„Ach ja? Mir scheint, Sie haben in Ihrer dreißigjährigen Dienstzeit nicht allzu viele Erfahrungen sammeln können, Torres. Das ist bedauerlich. Ich bin sicher, daß Sie diese Erfahrungen unter meinem Kommando wesentlich schneller sammeln werden.“

„Um Erfahrungen zu sammeln, braucht man eine gewisse Zeit, und das sind meist lange Jahre.“

„Dann wundert es mich, daß Sie es aufgrund Ihrer Erfahrungen noch nicht bis zum Capitán gebracht haben. Soviel ich weiß, ist das Ihre erste Reise als Erster Offizier. Vorher waren Sie jahrelang Bootsmann. Eigenartig, nicht wahr?“

Torres lief fast die Galle über, aber er beherrschte sich. Er war ein ruhiger Mann und ließ sich von diesem unerfahrenen Schnösel auch nicht provozieren. Der würde in seiner großkotzigen Manier früher oder später hart auflaufen, und dann war er ebenfalls um eine Erfahrung reicher.

„Ich habe es nie fertiggebracht, zu dienern oder zu kriechen“, sagte er daher. „Und ich habe auch meine Ansichten nicht immer für mich behalten. Vielleicht ist das ein Grund, weshalb ich bei Beförderungen übergangen wurde. Ich bin nicht der naßforsche Typ.“

„Was wollen Sie mir damit unterstellen?“ fragte de Zavallo scharf.

„Ich wüßte nicht, daß ich von Ihnen gesprochen habe, Señor Capitán.“

„Das hörte sich aber verdammt so an.“

„Tut mir leid, wenn Sie es so aufgefaßt haben. Ich sprach nur ganz allgemein darüber.“

Die Laune des jungen Don José sank ganz beträchtlich. Er hörte genau heraus, daß dieser alte Knochen ihm eins übergebraten hatte, auch wenn er nur „ganz allgemein“ gesprochen hatte.

Er preßte die Lippen zusammen, bis sie nur noch zwei schmale, kaum sichtbare Striche waren.

Es war jetzt dunkel, und diese Zeit gedachte de Zavallo gründlich auszunutzen, um die Kerle auf Trab zu halten. Diesem alten Burschen wollte er schon zeigen, wie militärischer Drill aussah.

„Bootsmanöver“, sagte er knapp. „Ich gehe davon aus, daß ein Mann über Bord gefallen ist. Bringen Sie das den Kerlen bei – mit allem, was dazu gehört.“

Dagegen läßt sich nichts einwenden, dachte Torres. Die Mannschaft mußte einexerziert werden, wenn ein Notfall eintrat. Dazu waren natürlich auch Segelmanöver erforderlich.

Er gab den Befehl weiter, und schon bald darauf herrschte eine unglaubliche Hektik an Bord. Die zehn Gepreßten wußten nicht, wo sie zugreifen mußten, und das gab logischerweise anfangs ein heilloses Durcheinander.

Wer müßig oder unwissend herumsprang, dem half der Profos augenblicklich mit der Neunschwänzigen nach und zog ihm erbarmungslos eins über. Die ersten Schreie schmerzhaft getroffener Männer waren zu hören.

Für Zavallo war das Musik. Zeugte es doch davon, daß zumindest der Profos sein Handwerk verstand und die Halunken an die richtigen Plätze trieb.

Auch Torres war ein alter Fuchs, der jeden Handgriff im Schlaf beherrschte, aber das erkannte der Capitán kaum an. Schließlich war der Kerl ja Bootsmann, was sonst!

Dabei mußte natürlich die Fahrt unterbrochen werden, und etliche Manöver waren notwendig. Halsen oder wenden, Segel bergen, Boote aussetzen, Treibanker ausbringen – das alles wurde den Kerlen jetzt im wahrsten Sinne des Wortes eingebleut. Und immer waren der aufmerksam lauernde Profos und sein Steckenknecht zur Stelle, wenn etwas nicht klappte.

Natürlich war de Zavallo mit den Manövern höchst unzufrieden, und hatte an allem etwas auszusetzen, als die Kerle total erschöpft dastanden und fertig waren. Die Gepreßten waren diese Arbeiten nicht gewohnt, höchstens die Fischer verstanden sich darauf.

Der Scherenschneider und der Besenbinder jammerten, denn sie kapierten auch dann nicht, als der Profos ihnen zum Tänzchen aufspielte.

Sie spürten nur, daß drei Schläge höllisch weh taten und sie fast umbrachten.

Kaum war das Manöver beendet, da befahl de Zavallo die Seesoldaten und Artilleristen an die Kanonen. Auch die Gepreßten mußten kräftig mitanpacken, Kugeln und Pulver mannen und Messingtöpfe mit glühender Holzkohle bereitstellen.

Wieder setzte es Hiebe, wenn dem Profos etwas nicht paßte.

„Das geht alles viel zu langsam“, nörgelte der Kommandant nach einer Stunde, als die Männer schwitzend und keuchend an den Stücken hantierten. „Das Ganze noch einmal von vorn.“

So verrann eine Stunde nach der anderen, während mehrmals die Fahrt unterbrochen wurde. Kaum hatten sie die Kanonen ausgerannt oder gewischt, da ertönte der Ruf: „Mann über Bord!“

Wieder begannen die Strapazen. Und wieder ging der Profos mit der Neunschwänzigen dazwischen.

Nach Mitternacht waren die Männer fix und fertig und total abgeschlafft. Sie konnten nicht mehr. Sie wollten nur noch schlafen, denn sie schliefen schon fast im Stehen ein.

„Faules Pack!“ brüllte der Capitán. „Was sind das für Waschlappen, die sich nach ein paar Übungen kaum noch auf den Beinen halten können! Lassen Sie die Kerle mal richtig exerzieren, Señor Torres.“

Der Profos nahm lauernd Aufstellung. Ihm tat schon der Arm weh vom vielen Zuschlagen.

„Wie soll das Exerzieren vor sich gehen?“ fragte Torres. Er hielt die Segelmanöver für angemessen, das Exerzieren empfand er jedoch als reine Schikane, weil es nichts einbrachte. Das konnte er dem Capitán aber unmöglich sagen. Offenbar war der Kerl ein Sadist, den es freute, wenn er andere nach Lust und Laune schikanieren konnte.

„Sie haben das wohl noch nie gelernt, was? Die Kerle sollen auf der Kuhl Aufstellung nehmen und dann Rechts-Um, Links-Um, Kehrtwendung und Ausrichten üben. Ich entscheide, wann es genug ist.“

Inzwischen brannten überall auf der „Goldenen Henne“ Laternen, die die nächtliche Szenerie beleuchteten.

Die erschöpften Männer nahmen Aufstellung. Der Profos belauerte jede ihrer Bewegungen. Aber auch vom Achterdeck aus beobachtete de Zavallo die Männer. Er war scharf darauf, ein paar arme Kerle zu finden, an denen er ein Exempel statuieren konnte.

Dann ging es los mit: „Augen geradeaus! Augen rechts! Die Augen links!“

Der Silhouettenschneider kapierte von allem immer nur die Hälfte.

Als „Rechts-um“ gebrüllt wurde, trabte er geradeaus und latschte einem Seesoldaten in die Hacken. Der brüllte auf, weil seine Laune sowieso am Nullpunkt angelangt war, und drehte sich erbost nach dem Mann um.

„Das Ganze halt!“ brüllte de Zavallo vom Achterdeck aus. „Ich verbitte mir diese Disziplinlosigkeit. Profos, ziehen Sie den beiden Kerlen jeweils sechs Hiebe über, wegen Unbotmäßigkeit und lascher Befolgung von Befehlen.“

Der Profos trat wieder in Aktion. Er war selbst sauer und verärgert über das stundenlange Exerzieren. Daher legte er auch seine ganze Wut in die Hiebe.

Der Silhouettenschneider brüllte sich die Lunge aus dem Hals und kreischte wie ein Tier, als die neun Striemen ihn trafen.

Torres kniff die Lippen zusammen, als der Seesoldat ausgepeitscht wurde und zusammenbrach. Dieser Kommandant ist der reinste Satan in Menschengestalt, dachte er. Kein Wunder, daß er jetzt schon von allen gehaßt und gefürchtet wird.

Erneut ging es los. De Zavallo setzte noch einen drauf, indem er die Männer in Marschformation und Dreier-Kolonne antreten ließ.

Jetzt mußten sie im Karree traben, im Viereck, und dabei rannten sie sich fast gegenseitig über den Haufen.

„Der reinste Terror ist das“, sagte einer der Soldaten haßerfüllt.

Torres überhörte das, er verstand die Kerle nur zu gut. Aber der Profos hatte scharfe Ohren und meldete es sogleich hämisch zum Achterdeck.

„Raus mit dem Kerl!“ brüllte de Zavallo. „Das ist aufrührerisches Gerede, Verweigerung von Gehorsam. Statuieren Sie ein Exempel an dem Halunken, Profos! Er soll fünfzigmal um den Fockmast laufen, danach erhält er ein Dutzend Hiebe und wird in die Vorpiek gesperrt.“

Der Seesoldat mußte antreten und in gebückter Haltung pausenlos um den Fockmast rennen. Wenn er nicht schnell genug lief, trieb ihn der Profos mit der Peitsche weiter.

Dem Mann hing anschließend die Zunge aus dem Hals, er war schweißgebadet und keuchte. Danach erhielt er zwölf Hiebe und wurde in die Vorpiek verfrachtet.

Eine knappe Stunde später erwischte es den nächsten. Auch er landete nach einem Dutzend Hieben in der Vorpiek.

Gegen drei Uhr morgens – es wurde immer noch exerziert, im Kreis gelaufen oder stramm gestanden, waren zwei weitere Männer fällig.

Schließlich landete auch noch der fünfte in der Vorpiek, total erledigt, kaputt und hundemüde.

Alle waren sie zerschlagen und konnten sich kaum noch bewegen, aber de Zavallo trieb sie unermüdlich weiter.

Morgens um vier Uhr ging der Erste Offizier nach achtern.

„Wir haben jetzt fünf Totalausfälle“, meldete er. „Die anderen Leute sind restlos überfordert und erledigt, Señor Capitán.“

„Na und!“ schnappte de Zavallo. „Das sind Weichlinge, Hampelmänner, die nichts vertragen. Muttersöhnchen sind das. Aber sie werden es noch lernen.“

„Ich wollte nur darauf hinweisen“, sagte Torres steif, „daß wir im Ernstfall nicht mehr voll einsatzfähig sind. Sollten noch ein paar Mann ausfallen, sind wir nicht in der Lage, uns wirksam zu verteidigen.“

„Das überlassen Sie gefälligst mir!“ schrie de Zavallo. „Diese Beurteilung steht Ihnen nicht zu. Sie wollen das Pack nur in Schutz nehmen, weil Sie sich mit den Halunken solidarisieren.“

„Ich muß doch sehr bitten, Señor Capitán.“

„Halten Sie den Mund und lassen Sie die Kerle weitermachen! In Dreier-Formation antreten, zack-zack!“

„Diese verdammte Sau!“ sagte einer der Hands etwas später voller Inbrunst. „Den könnte ich eigenhändig schlachten und vierteilen. Das ist wirklich der allerletzte Bastard.“

So dachten auch die anderen, die todmüde und erschöpft waren. Viele konnten kaum noch kriechen.

Um sechs Uhr, als längst die Sonne aufgegangen war, wurde das Exerzieren abgesetzt. Die Männer empfanden nicht einmal mehr Dankbarkeit.

„Der Hilfskoch soll mir das Frühstück bringen“, befahl de Zavallo, „und dann soll er auch die anderen Kerle versorgen. Sie übernehmen solange, Señor Torres. Später lasse ich Sie ablösen.“

Um halb sieben wurde an die Mannschaft das Essen ausgegeben. Der Hilfskoch schöpfte es mit einer Kelle eigenhändig in die Kummen.

„Euer Frühstück fällt heute nicht so opulent aus“, bemerkte er sarkastisch. „Da hat’s der Kommandant besser. Ihm mußte ich Käse, frisches Brot, Eier, Oliven und gesalzene Sardellen bringen. Zum Abschluß geruhte er, frisches Obst zu sich zu nehmen. Hoffentlich bleibt es ihm im Halse stecken.“

Rotgeränderte Augen stierten müde in die Kummen. Den Fraß, den es für die Männer vorm Mast gab, hatte man noch in St. Augustine gefaßt. Es war nut eine labbrige, klebrige und pappige Mehlsuppe.

„Was ist denn da drin?“ fragte der Besenbinder, der sich an der Back festhalten mußte, um nicht umzufallen.

Der Hilfskoch erklärte es ihm gemütlich.

„Das sind Mehlwürmer, die sich zusammengeklumpt haben, weil sie die Hitze nicht vertrugen. Fleischeinlage sozusagen. Schließ am besten die Augen, dann siehst du es nicht. Und bevor du den Schiffszwieback ißt, klopf ihn erst tüchtig an der Back aus.“

„Warum denn das?“ fragte der Besenbinder angewidert.

„Weil da Maden drin sind. Das sind so kleine Viecher mit schwarzen Köpfen. Sehen direkt lustig aus, aber sie schmecken nicht. Ich kann natürlich den Capitán fragen, ob ich euch auch frisches Brot, Oliven und Obst bringen soll. Ich fürchte nur, er wird …“

„Hau bloß ab, sonst trete ich dir in den Arsch!“ brüllte einer der Seesoldaten total verärgert.

„Sachte, sachte“, meinte der Koch, „ich will euch ja nur den Standesunterschied erklären. Die Seefahrt ist doch lustig, wie?“

„Sehr lustig“, höhnte ein anderer. „Was kriegen denn die fünf Mann in der Vorpiek zum Frühstück?“

„Nur ein wenig Wasser, vom Feinsten natürlich. Aber dafür können sie wenigstens pennen. Insofern haben sie es ganz gut, und fast könnte man sie beneiden.“

Haßerfüllt auf Capitán und spanischen König mampften sie ihren labbrigen Brei mit der „Fleischeinlage“. In Gedanken beschäftigte sich jeder damit, den „Bastard“ umzubringen.

„Wenigstens können wir jetzt ein bißchen ausruhen“, meinte der Silhouettenschneider, der noch nie in seinem kargen Leben so gezwiebelt worden war wie in der letzten Nacht.

Aber darin hatte er sich gründlich geirrt. Die Kummen waren noch nicht richtig leer, als der Schatten des Profos drohend am Schott auftauchte. In den Pranken hielt er die Neunschwänzige, aber sie sah schon jetzt total zerfranst und zerpliesert aus.

„Befehl vom Capitán!“ brüllte er die zusammenzuckenden Männer an. „Antreten zum Deckschrubben! Die Planken sehen wie der reinste Misthaufen aus. Weg mit der Sauerei! Das Frühstück ist beendet!“

Krumme Gestalten schlichen gebrochen an Deck. Das „Frühstück“ hing ihnen wie ein Klumpen im Magen, und als der Besenbinder an die Mehlwürmer dachte, da rannte er mit einem erstickten Schrei zum Schanzkleid und gab die Mehlwürmer wieder von sich. Vielleicht waren ja die Fische scharf drauf, die störten sich nicht an Würmern.

Die Kotzerei des Besenbinders löste bei einigen anderen ähnliche Revolten im Magen aus, und so hingen sie stöhnend und rülpsend, Gott und die Welt verfluchend, über dem Schanzkleid.

Danach begann das Deckschrubben, denn die Planken waren noch mit eingetrocknetem Blut besudelt. Der Profos hatte in den letzten Stunden zu hart zugeschlagen.

Als auch das vorbei war, begann der militärische Drill. De Zavallo ließ die Männer erbarmungslos weiterschleifen. Ganze Kerle sollten sie werden. Noch waren sie seiner Ansicht nach untaugliche Hampelmänner, die nicht einmal aufrecht gehen konnten. Aber das würde er schon ändern, man durfte nur nicht zimperlich sein, und das war er nun auch wirklich nicht.

Seewölfe Paket 24

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