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8.

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Auf dem unteren Deck der Galeere war eine heimliche Verschwörung im Gange, von der die Offiziere und Bewacher noch nichts mitgekriegt hatten. Ali Mustafa und Ahmed hatten damit begonnen, und sie fanden auch sofort viele Sympathisanten, die genug vom Galeerenleben hatten.

„Eine andere Möglichkeit, hier zu entkommen, gibt es nicht“, sagte Ali Mustafa. „Wir müssen sie provozieren und für einen Unfall sorgen, bei dem einiges zu Bruch geht. Das kann aber nur dann geschehen, wenn mit hoher Schlagzahl gerudert wird und die Galeere hohe Fahrt draufhat.“

Sie flüsterten nur aus den Mundwinkeln miteinander, damit der Peitschenschwinger nichts mitkriegte, der alle paar Augenblicke durch den Gang lief.

„Aber ein solch großes Schiff ist nicht so einfach kleinzukriegen“, meinte Ahmed. „Da geht nichts zu Bruch, wenn es mal aus dem Kurs läuft und irgendwo aneckt.“

„Es ist durch seine riesige Masse empfindlich. Die schiebt und drückt und zehrt sich nicht so schnell auf.“

„Und wenn es nicht klappt?“

„Dann werden wir ausgepeitscht“, flüsterte Ali Mustafa. „Aber lieber lasse ich es auf den Versuch ankommen. Ich will nicht den Rest meines Lebens auf diesem Höllenschiff verbringen.“

Unter den Gefangenen herrschte Aufregung, die sich die meisten jedoch nicht anmerken ließen, um nicht aufzufallen.

Das, was Ali Mustafa vorgeschlagen hatte, ging im Flüsterton von einer Bank zur anderen, bis es überall die Runde gemacht hatte.

Alis Vorschlag war ganz einfach. Er hörte sich vielleicht zu einfach an, und so gab es natürlich einige Zweifler.

Ali schlug vor, daß sie ein anderes Schiff oder die steinerne Pier rammen sollten, sobald sich die Gelegenheit dazu bot. Das sollte dann geschehen, wenn die Galeere unter vollem Riemenschlag lief. Auf der Backbord- oder Steuerbordseite sollte scharf gerudert werden. Die der Situation angepaßte andere Seite sollte das Rudern einstellen und die Riemen sausen lassen. Zwangsläufig würde die große Galeere dann aus dem Kurs laufen und mit dem entsprechenden Hindernis kollidieren. Daß dabei einiges zu Bruch gehen würde, stand für Ali Mustafa außer Zweifel.

Es gab im Unterdeck jedoch nur zwei Ruderer, die einen Ausblick auf das Umfeld hatten. Sie saßen dicht bei einer der wenigen Öffnungen, durch die frische Luft in das untere Deck strömte.

Auf die beiden Männer mußte er sich verlassen.

Es war eine wahnwitzige Idee, aber sie war trotzdem einen Versuch wert. Daß die Galeere bei einer solchen Kollision unterging, war nicht zu befürchten. Daher würde für die Ruderer im unteren Deck auch keine große Gefahr bestehen, und niemand würde ertrinken.

An diesem Tag ergab sich die Gelegenheit allerdings nicht mehr. Die Ruderer durften, wie üblich, ein paar Minuten frische Luft schnappen. Dann wurden sie wieder angekettet, und die Galeere nahm ihren Liegeplatz ein.

Am späten Nachmittag des nächsten Tages krebste sie wieder durch den Hafen und nahm Kurs auf eine Galeone, die auf der Innenreede vor Anker lag und gerade eingelaufen war. Die Mannschaft war noch mit dem Klarieren beschäftigt.

Offenbar waren es Portugiesen, aber die mißtrauischen Türken glaubten an Spanier, die sich wieder einmal eingeschlichen hatten.

Ein ähnliches Drama wie am Vortag nahm seinen Lauf.

Kaum nahm die Galeere Kurs auf die Galeone, brach da fast eine Panik aus, als sich die höllische Mordmaschine näherte.

Der Kapitän der Galeone verlor die Nerven und handelte in blinder Angst. Auch er ließ das Ankertau kappen und die Segel setzen, denn es hatte ganz den Anschein, als würde die Galeere sie rammen. Der riesige Rammsporn wurde immer größer und näherte sich beängstigend rasch der Bordwand.

Die Galeone war schwerfälliger als die Dhau, und die Manöver dauerten entsprechend länger.

Vom Oberdeck ertönte der Befehl, den Riemenschlag zu erhöhen. Das Tam-Tam der Trommel schwoll an. Hektik herrschte auf den Ruderbänken. Zwei peitschenschwingende Aufseher liefen an den Bänken vorbei.

Die Ruderer gaben ihr Bestes und legten sich in die Riemen. Auch Ali Mustafa und Ahmed packten zu, um die Schlagzahl einzuhalten.

Ali hörte sein Herz im Rhythmus der Trommel schlagen. Vermutlich war jetzt die Gelegenheit da.

Er und Ahmed blickten zu den beiden Männern, die den Überblick nach draußen hatten. Der Schweiß lief ihnen in die Augen. Die Schlagzahl wurde noch einmal erhöht, und dann vernahmen sie das bekannte Geräusch, als im Oberdeck stehend gerudert wurde. Immer schneller glitt die Galeere durch das Wasser.

Was um sie herum geschah, konnten Ali und Ahmed nicht sehen. Sie hörten nur das Keuchen der Männer und das Rauschen des Wassers, das an der Bordwand vorbeigurgelte.

Scharfe Befehle erklangen vom Oberdeck. Der Kurs des Riesenschiffes wurde geändert.

Ali Mustafas Blicke saugten sich an den beiden Männern fest. Noch gaben sie kein Zeichen – oder sie trauten sich nicht. Vielleicht hatte sie plötzlich der Mut verlassen.

Das ganze Schiff war in Aufruhr. Im Unterdeck herrschte eine ungeheure Spannung. Die Männer pullten verbissen und mit einem Lauern in den Augen.

Ali sah, daß einer der Männer einen kurzen Blick nach achtern warf. Der andere schien noch unsicher zu sein. Er starrte auf den Holm des Riemens, blickte wieder nach draußen und geriet aus dem Takt. Die anderen Männer zogen ihn mit, doch dem Peitschenschwinger waren die Unsicherheit und das Zögern nicht entgangen. Er schlug aus dem Handgelenk zu und über einen anderen Mann hinweg.

Die Striemen wanden sich um den Hals des Mannes wie feurige Schlangen. Er verzog das Gesicht und drehte sich zur Seite.

Dann ließ er den Riemen fahren und hob beide Hände hoch. Sein Gegenüber tat es ihm nach, aber er hob nur eine Hand hoch.

Was dann geschah, war für Ali Mustafa auch später noch wie ein Alptraum.

Die Ruderer auf der Backbordseite reagierten wie ein Mann. Verkrampfte Hände lösten sich und ließen die Riemen los, die unkontrolliert ins Wasser tauchten und hochgewirbelt wurden.

Auf der Steuerbordseite pullten die Männer wie besessen weiter und taten so, als sei nichts geschehen.

Zuerst geriet der Schlagmann vor Verblüffung aus dem Takt. Er hieb auf die Trommel, sah sich dann verwirrt um und schlug zweimal hintereinander drauf. Dann versuchte er, den Takt wiederzufinden, geriet aber immer mehr aus dem Konzept.

Die beiden Aufseher trauten ihren Augen nicht und konnten nicht glauben, was sie sahen. Die eine Seite hatte das Rudern eingestellt, die anderen pullten verbissen weiter.

„Auf Riemen, ihr Bastarde!“ brüllte der eine. Sein kantiges Gesicht war dunkelrot angelaufen. Er schwang die Peitsche und wußte nicht, wohin er zuerst schlagen sollte.

Ali Mustafa spürte voller Genugtuung, wie die Galeere hart aus dem Kurs lief. Dagegen konnte auch der Rudergänger nichts mehr tun, obwohl er sich verzweifelt bemühte.

Ein Offizier stürzte den Niedergang hinunter und brüllte den Schlagmann an, der wahllos auf die Trommel schlug. Dann begann er zu toben, als er sah, daß sich auf der Backbordseite keine Hand mehr rührte.

„Pullen, ihr Hunde!“ schrie er. „Bewegt euch sofort. Ich lasse auf der Stelle jeden erschießen, der nicht sofort zu den Riemen greift. Und ihr“, wandte er sich brüllend an die Aufseher, „schlagt auf die Bastarde ein und steht nicht herum!“

Seine Worte verhallten. Immer noch rührte sich auf der Backbordseite keine Hand, während die Ruderer an Steuerbord weiterpullten und die Riemen mit aller Kraft durch das Wasser zogen.

Die beiden Wächter reagierten endlich. Nur der Schlagmann war völlig kopflos geworden und hieb wie wild auf die Trommel ein.

Ein zweiter Offizier tauchte auf, auch er knallrot im Gesicht und mit einem irren Flackern in den Augen.

„Wir laufen auf die Mauer“, schrie er wild. „Hört sofort auf zu pullen.“

Ein paar Kerle grinsten ganz offen. Der eine Offizier gab den Befehl, weiterzupullen, der andere befahl, das Pullen einzustellen.

Also blieb alles beim alten Zustand. Die einen pullten wie besessen, die anderen rührten sich nicht.

Dafür schwangen die Aufseher jetzt ihre Peitschen und setzten sie erbarmungslos und mit aller Härte ein. Sie schlugen wahllos zu und droschen nach allen Seiten auf Köpfe, Rücken, Arme und Beine.

Der eine Offizier riß seine Pistole aus dem Bandelier und spannte den Hahn. Dann wollte er abdrücken, indem er wahllos auf die Männer anlegte, die nicht pullten.

In diesem Augenblick erklangen von oben laute Schreie. Offiziere und Wachmannschaften brüllten, die Ruderer schrien, und im Unterdeck hockte mit stoischem Gesichtsausdruck der Kerl, der immer noch wahllos die Trommel schlug.

Da gab es ein entsetzliches Krachen und einen mörderischen Aufprall. Die Galeere wurde auf der Stelle wie von einer riesigen Faust gestoppt.

Die gewaltigen Riemen zerbrachen und splitterten. Einige schoben sich mit Urgewalt durch die Bänke und zerfetzten das Holz.

Krachen, Splittern, Bersten und laute Schreie. Das Schiff bäumte sich auf. Die beiden Offiziere rasten wie Kanonenkugeln durch die Gänge, begleitet von den Aufsehern, die auf den Anprall ebenfalls nicht vorbereitet waren.

Auf dem Oberdeck war ebenfalls der Teufel los. Da schrien alle wild durcheinander, und da war offenbar auch einiges zu Bruch gegangen.

Das war der Zeitpunkt, als draußen gerade die Dämmerung einsetzte.

Im Unterdeck brannte keine Lampe. Es herrschte ein Zwielicht, in dem man gerade noch die Männer erkennen konnte.

Ali Mustafa tastete in dem Chaos um sich. Eine Hand berührte leicht seinen Arm. Es war Ahmed.

„Die Ruderbank ist zum Teufel gegangen“, sagte er. „Da ist alles zersplittert.“

Sie erhoben sich. Ali fühlte Splitter, Holzstücke, den Teil eines zu Bruch gegangenen Riemens. Neben ihm hing reglos ein Mann halb zwischen den Bänken und rührte sich nicht mehr.

Noch ein paar Bänke waren bei dem Anprall zerborsten.

„Die Kette“, sagte Ali leise, „was ist mit der Kette, Ahmed? Ist sie noch heil?“

„Ich weiß nicht.“

Sie drängten von der Bank weg. Andere Männer waren ebenfalls aufgesprungen und versuchten, in dem Chaos und Getümmel zu entkommen. Aber da war noch die Kette, mit der ihre Beine angeschlossen waren und die durch die Eisenringe lief. Diese Kette war mit Schlössern gesichert.

Ali Mustafa schlug einem der Aufseher beide Fäuste ins Genick. Der Peiniger hatte sich gerade erhoben und suchte seine Peitsche, um die Ruderer zur Räson zu bringen. Er sackte zusammen und blieb unter der Bank liegen.

„Die Offiziere“, sagte Ali keuchend. „Da vorne bei dir muß einer liegen. Schnapp dir den Kerl, ich reiche nicht heran. Die Offiziere haben die Schlüssel.“

Immer noch wußte im Unterdeck kaum jemand, wo die Galeere jetzt lag, ob sie mit der steinernen Mauer oder einem anderen Schiff kollidiert war. Aber das war jetzt auch egal. Der Zeitpunkt zur Flucht war so günstig wie noch nie, und den gedachten die Männer auch auszunutzen.

Ahmed schnappte sich den bewußtlosen Offizier und durchsuchte mit zitternden Händen dessen Taschen. Als er in der Aufregung den Schlüssel nicht gleich fand, zerfetzte er ihm die Uniform.

„Ruhig bleiben“, zischte Ali, „laß dir Zeit, nichts überstürzen. Es ist gleich dunkel, und damit vergrößern sich unsere Chancen.“

Ahmed suchte immer noch fieberhaft weiter. Mit jedem Augenblick wurde er unsicherer und nervöser. Da lag die Rettung so nahe, und er fand den verdammten Schlüssel nicht, der sie von den Ketten erlösen würde.

Er drehte den Bewußtlosen hin und her, und dann fand er endlich, was er so fieberhaft suchte. Der Offizier trug den Schlüssel an einer dünnen Lederschlaufe um den Hals.

Von da an wurde Ahmed ruhiger und gefaßter, wenn auch sein Herz noch bis zum Hals schlug und ihm fast die Luft abdrückte.

Innerhalb kurzer Zeit hatte er das Schloß geöffnet und zog mit fliegenden Fingern die Kette durch die Ringe.

Dann waren sie frei und trugen nur noch ihre eisernen Manschetten um die Fußgelenke.

Vom Oberdeck her rumorte es. Kein weiterer Offizier ließ sich blicken. Sie waren offensichtlich mit sich selbst beschäftigt und kümmerten sich nicht um die Gefangenen.

Ein paar Männer drängten bereits nach vorn und verstopften in ihrer Eile den Niedergang. Sie wollten nur raus, und so drängten und schoben sie rücksichtslos.

Inzwischen war es fast dunkel geworden. Über dem Hafen lag ein seltsames Zwielicht. Auf einigen Schiffen brannten bereits Laternen. Auch am Hafen flackerten Lichter auf.

Ali hielt Ahmed am Arm zurück.

„Warte noch“, sagte er heiser. „Oben an Deck sind viele Wachen. Es wird nicht mehr lange dauern, bis sie einen Überblick haben, und dann werden sie eingreifen. Wir nehmen den achteren Niedergang, laufen an Deck und springen über Bord. Das muß alles ganz schnell gehen, sonst erwischen sie uns doch noch, und alles war umsonst.“

Sie kümmerten sich nicht mehr um die schreiende und brüllende Horde, die jetzt zu einem Teil das Oberdeck erreicht hatte. Die Kerle drängten rücksichtslos nach oben und schrien und brüllten wie die Irren. Über ihnen waren Schüsse zu hören. Männer prügelten sich, und laute Flüche hallten über Deck.

Ali und Ahmed schlichen den achteren Niedergang hinauf und sahen sich immer wieder vorsichtig um. Ein paar anderen Männern war anscheinend bereits die Flucht gelungen, denn sie hörten Schreie im Wasser und bemerkten, daß an Deck Laternen entzündet wurden. Das Chaos begann sich langsam zu legen.

Ungehindert erreichten sie das Oberdeck. Sie nahmen sich nur für einen kurzen Augenblick die Zeit, sich zu orientieren.

Es schien so, als habe die Galeere nur wenig von ihrer Kampfkraft eingebüßt. Sie war mit dem gewaltigen Rammsporn an der steinernen Mauer entlanggeschrammt und hatte sich dann zur Seite gedreht. Jetzt schwamm sie allerdings wieder und hatte auch keine Schräglage mehr. Wasser war anscheinend auch nicht eingedrungen.

Der Galeone, die von weitem nur noch ihr Heck zeigte, schenkten sie nur einen flüchtigen Blick.

An Deck kämpften Männer miteinander. Etliche andere lagen auf den Planken, über die sie hinwegsteigen mußten. Aber Offiziere und Wachmannschaften waren wieder Herren der Situation.

Jetzt wurde es allerdings höchste Zeit, zu verschwinden, denn die Ruderer des Oberdecks, die keine Gefangenen waren, griffen die anderen an und prügelten auf sie ein.

Ali Mustafa und Ahmed liefen ein paar Schritte nach achtern und sprangen dann mit einem gewaltigen Satz über Bord.

Als sie wieder auftauchten, war die Bordwand immer noch gefährlich nahe.

„Tauchen und schwimmen“, sagte Ali. „Du mußt tauchen und solange unter Wasser schwimmen, wie du kannst. Wir werden versuchen, den kleinen Fischerhafen zu erreichen.“

„Ja, da kommen die Soldaten auch nicht hin. Sicher werden sie alles absuchen.“

Bevor Ali untertauchte, hörte er einen hallenden Schuß und zog den Kopf ein. Aber er hörte auch noch etwas anderes, das ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ.

Ahmed schrie auf, hob die Arme aus dem Wasser und drehte sich halb zur Seite. Dann stieß er ein Gurgeln aus und ging unter.

Eine der Musketenkugeln hatte ihn getroffen.

Seewölfe Paket 29

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