Читать книгу Seewölfe Paket 29 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 38

5.

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Münnever Yildiz empfing die beiden Männer in einem weißgetünchten Raum, einem der Besprechungszimmer des Palastes, in die sich ihr Mann oft zu vertraulichen Gesprächen mit seinen Geschäftsfreunden und auch mit seinen politischen Freunden zurückgezogen hatte.

Hasard und Don Juan hatten Münnever ihre Anteilnahme ausgesprochen. Die schlanke, dunkelhaarige Frau wirkte sehr beherrscht. Nur die Ränder ihrer Augen zeigten, wie sehr sie um ihren Mann geweint haben mußte.

„Es hat uns besonders getroffen“, sagte der Seewolf leise, „weil Ihr Mann ausgerechnet auf dem Weg zu unserem Schiff war. Man könnte fast meinen, daß es einen Zusammenhang zwischen dem Mord und seiner Besuchsabsicht gab.“

Münnever nickte bedächtig. „Das ist möglich. Aber wir werden es wohl nie herausfinden. Es muß schon lange geplant gewesen sein, Kemal zu töten. Und jetzt, als er nicht mehr verhehlte, daß er Handelsverbindungen nach England suchte, haben die Mörder zugeschlagen. Vielleicht aber auch nur deshalb, weil die Gelegenheit besonders günstig war.“

„Oder wirkungsvoll“, sagte Don Juan. „Man hätte ihn auch in einer einsamen Gasse umbringen können. Aber man tat es da, wo es viele Zuschauer gab. Vielleicht sollte es eine deutliche Warnung sein.“

„An mich gerichtet“, sagte Münnever. „Das ist durchaus möglich.“

„Wie werden Sie sich verhalten?“ fragte der Seewolf.

Ein Feuer erwachte in der Tiefe von Münnevers braunen Augen.

„Ich lasse mich nicht einschüchtern“, sagte sie energisch. „Jetzt werde ich erst recht weitermachen. Es ist Kemals Vermächtnis, das ich zu erfüllen habe.“

„Aber es wird schwieriger sein – ohne seine Rückenstärkung“, wandte Don Juan ein.

Münnever nickte. „Ich habe noch längst nicht alles durchdacht“, sagte sie bedrückt. „Ich werde mich auch um das Geschäftliche kümmern müssen, wobei ich nur hoffen kann, daß mir Kemals leitende Mitarbeiter die gleiche Treue erweisen, wie sie es bei ihm getan haben.“

„Ich bin sicher, daß er entsprechend vorgesorgt hat“, sagte Hasard.

„Davon gehe ich aus. Im Geschäftlichen sehe ich auch das geringere Problem. Was die politische Seite betrifft, könnte es wesentlich schwieriger werden. Gewiß, Kemals Freunde werden mich unterstützen, wo sie können. Aber er war ihr Vorbild, eine Art Leitfigur. Es gibt niemanden, der sein Durchsetzungsvermögen und seine Energie hätte.“

„Sie werden an seine Stelle treten“, entgegnete der Seewolf. „Sie haben das Zeug dazu.“

Münnever lächelte überrascht. „Danke. Aber ich möchte es so ausdrücken. Ich habe den festen Willen. Ob ich meine Ziele in allen Punkten erreiche, hängt wohl auch von Kemals und meinen Gegnern ab.“

„Sie meinen, diese Leute könnten jetzt schwerere Geschütze auffahren?“

„Damit rechne ich. Sie halten mich für geschwächt, nachdem ich meinen Mann verloren habe. Sie werden versuchen, mich zu ruinieren. Das wird der einfachste Weg sein. Denn ohne den finanziellen Hintergrund, den ich bislang hatte, kann ich meine Arbeit für die Armen nicht fortsetzen.“

„Kennen Sie Ihre Gegner?“ fragte Hasard unverblümt. „Die Mörder Ihres Mannes?“

Einen Moment sah ihn die Frau an, als müsse sie nachdenken.

„Ich habe natürlich keine Beweise“, sagte sie dann. „Aber der Kopf der politischen Gruppierung ist Mehmet Küzürtüsi. Als Kaufmann ist er einer der größten Konkurrenten unseres Handelshauses. Privat war er ein erklärter Feind Kemals. Er hat meine Hilfsaktionen in öffentlichen Reden in den Dreck gezogen. Aber er würde es natürlich weit von sich weisen, mit verbrecherischen Umtrieben zu tun zu haben.“

„Man muß Beweise gegen ihn sammeln“, entgegnete der Seewolf. „Und genau das werden wir tun.“

Don Juan de Alcazar nickte zustimmend und voller Entschlossenheit.

Münnever Yildiz blickte die beiden Männer an. „Ich bin froh über Ihre Hilfe. Ich wäre unehrlich, wenn ich das nicht zugeben würde. Aber es ist meine Pflicht, Sie zu warnen. Sie haben miterlebt, wie wenig ein Menschenleben in dieser Stadt wert ist. Auf Sie als ungläubige Ausländer wird man noch viel weniger Rücksicht nehmen. Wenn Sie in die Fänge der Mörder-Clique geraten, fürchte ich, sind Sie verloren.“

Hasard und Don Juan standen auf, um sich zu verabschieden.

„Wir sind gewohnt, auf uns aufzupassen“, sagte der Seewolf. „Bereiten Sie sich also keine Sorgen. Und quälen Sie sich vor allem nicht mit Selbstvorwürfen. Sie tragen keinerlei Schuld. Sie haben sich den Aufgaben gestellt, die gelöst werden müssen. Bleiben Sie dabei.“

Münnevers Blick war voller Dankbarkeit, als sie dem großen Mann die Hand reichte.

Süleyman Ayasli nahm den Schweren Lederbeutel, den Öbül ihm gebracht hatte. Er ging damit in den Wohnraum seines Gemäuers, schloß die Verbindungstür zur Werkstatt und ließ den kleinen dünnen Mann vorerst allein. Zu tun gab es immer etwas. Öbül würde um Beschäftigung nicht verlegen sein.

Ayasli setzte sich unter eine blakende Wandlampe, öffnete den Lederbeutel und schüttete den Inhalt auf den Tisch. Die schweren Goldstücke verursachten harte Geräusche. Ayasli beobachtete sie mit ihrem milden Glanz, bis sie zur Ruhe gelangten und liegenblieben. Ein regelrechtes Feuer ging von ihnen aus. Für Ayasli war es die Glut, die ihren Wert bedingte.

Er zählte nach. 50 Piaster.

Der Wert eines Menschenlebens.

Der Wert des Kemal Yildiz.

Ayasli ließ 45 Goldstücke zurück in den Lederbeutel gleiten. Er schnürte ihn sorgfältig zu und trug ihn zu einer Kommode auf der anderen Seite des Zimmers. Dort rückte er die Kommode weit genug beiseite, so daß er einen Ausschnitt zweier Fußbodendielen anheben konnte. Die beiden Dielen bildeten eine kleine Luke, die nicht zu erkennen war, wenn die Kommode darüberstand.

In der gemauerten Aussparung unter dem Fußboden des Wohnraums lagen Beutel aus Leder und grobem Leinen. Sie enthielten Süleyman Ayaslis Todeslohn vergangener Aufträge. Es war seine Art von Reichtum, den er hortete – bis er sich eines Tages nicht mehr verstecken mußte.

Es würde der Tag sein, an dem seine Auftraggeber alle Macht an sich rissen. Dann würden sie ihn aus seinem Schattendasein befreien. Allerdings fühlte er sich wohl in seinem unauffälligen Leben, und er fürchtete sich manchmal vor dem Tag, an dem er sich nicht mehr in die Einsamkeit zurückziehen konnte.

Nun, immerhin konnte er selber entscheiden, welche Art von Leben er bevorzugte.

Unter den neuen Machthabern ein öffentliches Amt zu bekleiden, würde er nicht ablehnen. Aber sie konnten ihn nicht zwingen, sein Leben außerhalb des Amtes anders zu gestalten, als er es wollte.

Er ließ den Lederbeutel zu den anderen gleiten, schloß die kleine Luke und schob die Kommode wieder an ihren Platz.

Er nahm die fünf Goldstücke für Öbül und ging damit in die Werkstatt.

Sein Gehilfe war damit beschäftigt, kleine Pulversäcke aus fein gewebtem Leinen in jene Truhe zu packen, die mit dem Steinschloß hinter dem Schließmechanismus ausgestattet war.

„Dein Lohn“, sagte Ayasli und legte die Goldstücke auf die Werkbank neben der Truhe.

Öbül sah kaum hin. Er strich die Piaster ein und nuschelte ein Wort des Dankes. Wohlstand bedeutete ihm nicht viel. Er war zufrieden mit dem Dasein, das er führte. Ein Dach über dem Kopf, Essen und Trinken, mehr brauchte er nicht.

„Wann soll ich die Truhe ausliefern?“ fragte Öbül. Er hielt mit der Arbeit inne und sah seinen Meister voller Respekt an.

Der Mann mit der topfförmigen Mütze wirkte geistesabwesend – schon den ganzen Abend, seit Öbül den Lohn für den Mord an Yildiz an einem Treffpunkt in der Stadt abgeholt und hergebracht hatte.

Der Höllenfürst schien die Frage gar nicht gehört zu haben.

„Was ist mit diesen Engländern?“ fragte er seinerseits, statt zu antworten. „Ich will die ganze Geschichte hören.“

Öbül seufzte. Er begriff nicht, daß Ayasli an diese Sache Gedanken verschwendete. Gut, er hatte schon am Nachmittag berichtet, daß der Kapitän der Dubas und ein Begleiter mit der Witwe des getöteten Kaufmanns Kontakt aufgenommen hatten. Öbül verstand jedoch beim besten Willen nicht, warum sich Ayasli deshalb sorgte.

„Ich habe doch schon alles gesagt“, erwiderte der Gehilfe des Höllenfürsten.

„Dann sage es noch einmal. Vielleicht fällt dir etwas ein, was du vorher vergessen hast.“

Öbül wagte nicht, zu widersprechen. „Der Kapitän der englischen Mannschaft heißt Philip Hasard Killigrew. Der Mann, mit dem er in der Stadt unterwegs war, ist allerdings Spanier. Ein gewisser Don Juan de Alcazar. Was sie mit Münnever Yildiz besprochen haben, weiß natürlich niemand. Aber es wird gemunkelt, daß sie ihr Hilfe angeboten haben.“

„Hilfe wobei?“ stieß Ayasli hervor.

„Diejenigen zu finden, die für den Tod ihres Mannes verantwortlich sind.“

„Die Auftraggeber?“

„Ich weiß es nicht, Effendi.“

„Oder die Ausführenden?“

„Ich weiß es wirklich nicht, Effendi. Aber wenn ich meinen nüchternen Menschenverstand gebrauche, sage ich mir, daß sie sowohl hinter den Auftraggebern als auch hinter den Ausführenden her sind. Wenn sich diese Ungläubigen einmischen, so vermute ich, dann tun sie das gründlich. Sie fühlen sich uns überlegen, diese Ausländer. Und sie wollen uns beweisen, daß sie es sind.“

Ayasli grinste. Sein Furchengesicht wurde zu einer diabolischen Maske. „Du hast unsere Feinde sehr genau studiert, mein Lieber. Du bist überhaupt nicht auf den Kopf gefallen. Was würdest du mir also raten?“

Der kleine Mann mit den vom Schießpulver geschwärzten Händen wurde rot vor Verlegenheit. „Ich würde etwas gegen diese ungläubigen Bastarde unternehmen, bevor sie es tun können.“

Ayasli klopfte ihm auf die schmale Schulter. „Das ist es! Wir sind uns in unserem Denken sehr ähnlich. Ich nehme deinen Rat an. Du wirst mich zum Hafen führen und mir das Schiff zeigen. Ist die Zeit dafür günstig?“

„Sie könnte nicht günstiger sein, Effendi. Mitternacht ist vorüber. Wir werden zwar aufpassen müssen, daß wir keiner Streife in die Hände fallen, aber sonst wird es wohl niemanden geben, der uns aufhält.“

Süleyman Ayasli überlegte nicht lange und holte seinen schwarzgrauen Umhang. Nachdem sie alle Fenster und Türen sorgfältig verriegelt hatten, strebten Öbül und er durch die Dunkelheit der Stadt entgegen. Der Gehilfe des Höllenfürsten kannte selbst die winzigsten Pfade und die engsten Gassen.

Zielstrebig führte er seinen Herrn durch das Hafengebiet, bis sie jenen Kai erreichten, auf dem sich erst vor Stunden das blutige Geschehen abgespielt hatte, dessen Opfer Kemal Yildiz und seine Sänftenträger geworden waren.

Ayasli und sein Gehilfe drückten sich in eine Tornische.

Der Höllenfürst ließ seinen Blick über den Platz vor dem Kai und über die Liegeplätze der Schiffe an den Piers gleiten. Wie mochte es hier ausgesehen haben, als die Bombe unter der Sänfte hochgegangen war? Welches Entsetzen, welche panische Angst mochte um sich gegriffen haben?

Er konnte es sich nur vorstellen. In diesem Fall hatte er den entscheidenden letzten Schritt des Vorhabens auch nicht selbst gestalten können. Die Handlanger seiner Auftraggeber hatten es übernommen, sich in Yildiz’ Kontorhaus einzuschleichen und die Bombe unsichtbar unter der Sänfte zu befestigen.

Es mußte eine leichte Aufgabe gewesen sein, denn das Kontorhaus wurde nicht bewacht. Natürlich nicht. Welche Gefahr sollten Pfeffersäcke auch schon zu befürchten haben?

Ayasli spähte zu dem Zweimaster hinüber. Die Hecklaterne brannte, und die Gestalt eines einzelnen Mannes, der an Deck auf und ab schritt, war zu erkennen. Die Wache. Ein Mann, mehr nicht. Günstiger konnte man es nicht antreffen. Das Risiko war minimal.

Entsetzen und panische Angst bei der Explosion der Yildiz-Bombe.

Schlimmeres Entsetzen und größere Angst, wenn der Zweimaster auseinanderflog. Dies, so beschloß Ayasli, während er weiter beobachtete, sollte seine Meisterleistung sein.

Und das Ergebnis seiner Meisterleistung würde er mit eigenen Augen beobachten. Es sollte etwas Großartiges werden, soviel stand fest.

Niemals zuvor hatte jemand eine Bombe gebaut, die unter Wasser explodierte. Er setzte ein wasserdichtes Gehäuse für das Pulver und ein wasserdichtes Gehäuse mit Luftzufuhr für die brennende Lunte voraus. Kein Mensch hatte so etwas jemals geschafft. Er, Süleyman Ayasli, würde es zustande bringen.

Diese britischen Bastarde würden in ihre Christenhölle geblasen werden, bevor sie überhaupt wußten, wie ihnen geschah!

Nur einmal, am darauffolgenden Tag, sahen Hasard und Don Juan ihren Informanten im Gewühl des Kaffeehauses. Ahmet Ezgin schob sich durch die Tischreihen und gab mit keiner Miene zu erkennen, daß er mit den Männern von Bord der Dubas etwas zu tun haben wollte oder gehabt hätte.

Erst bei beginnender Dämmerung näherte sich ihnen jemand. Es war ein drahtiges Kerlchen, das da mit verschwörerischem Grinsen herantänzelte und sich unaufgefordert an ihrem Tisch niederließ. Ein Ziegenbart gab dem Kerlchen ein Aussehen, das zum Lachen reizte.

„Ich habe gehört, die Gentlemen suchen einen Boten für gewisse Nachrichten?“ Er blickte lauernd-listig von einem zum anderen.

„Wie heißt du?“ antwortete der Seewolf mit einer Gegenfrage.

„Oh, mein Name tut nichts zur Sache. Wenn Sie auf solche Nebensächlichkeiten Wert legen, sind wir die falschen Gesprächspartner. Aber Sie sollten es sich überlegen. Ich bin der beste Nachrichtenübermittler, den Sie sich wünschen können. Weil ich nämlich die besten denkbaren Beziehungen in Istanbul habe.“

„Man könnte annehmen“, sagte Don Juan lächelnd, „daß ohne dich praktisch jegliches Leben unmöglich ist.“

Das Kerlchen verzog sein Ziegenbartgesicht. „Sie müssen selber wissen, wie Sie entscheiden. Ich dränge mich nicht auf.“

„Nicht beleidigt sein.“ Hasard klopfte ihm freundlich auf die schmale Schulter. „Vielleicht kommen wir ins Geschäft. Aber wir möchten dir unsere Nachricht nicht hier drinnen anvertrauen. Hier gibt es zu viele Ohren.“

„Wie Sie wollen. Mein Lohn beträgt einen Piaster. Ich weise vorher darauf hin, damit es nachher keine Unklarheiten gibt. Und gezahlt wird immer im voraus.“

„Selbstverständlich“, sagte der Seewolf mit wegwerfender Handbewegung.

„Haben Sie Ihre Nachricht nicht schriftlich aufgesetzt?“ fragte das Kerlchen erstaunt.

„Wir vertrauen deinen Fähigkeiten als bester Übermittler von Istanbul“, sagte Don Juan grinsend. „Und jetzt raus mit uns, sonst palavern wir uns hier drinnen noch fest.“

Sie nutzten einen Moment, in dem im Kaffeehaus besonders reges Kommen und Gehen herrschte. So gelang es ihnen, auf den schon hinreichend bekannten Hinterhof hinauszuschlüpfen, ohne daß jemand mit sonderlichem Interesse darauf achtete.

„Du kennst den Höllenfürsten?“ fragte Hasard, als sie im Schatten eines Mauerwinkels standen. Die Dunkelheit würde innerhalb weniger Minuten hereinbrechen.

„Den kennt niemand“, sagte das Kerlchen. „Und wenn ihn jemand kennt, dann ist das gleichbedeutend mit dem sicheren Tod.“

„Aber du weißt, wie man ihm eine Botschaft übermitteln kann“, fuhr der Seewolf fort.

„Klar“, erwiderte der kleine Türke etwas prahlerisch. „Ich habe schon jede Menge Nachrichten für ihn angenommen und korrekt weitergegeben. Allerdings immer schriftlich. Mündlich ist es das erste Mal, daß ich …“

Er gurgelte vor Schreck, denn der Seewolf hatte ihn blitzartig am Kragen gepackt. Ohne sonderliche Mühe hob Hasard das Kerlchen hoch, so daß es um Fußeslänge über dem Boden schwebte.

Er riß den Mund auf, um zu schreien. Und er wollte anfangen zu zappeln.

Don Juan hob die flache Hand zur Ohrfeige.

Das Kerlchen blieb ruhig. Sein Gesicht wurde weißgrau, und die Augen ragten daraus wie sich wölbende starre Knöpfe hervor.

„Wir wollen keine Zeit verschwenden“, sagte der Seewolf eisig. „Wenn du unsere Fragen beantwortest, passiert dir nichts. Darauf gebe ich dir mein Wort.“

„Aber ich – ich kenne den – den Höllenfürsten wirklich nicht!“ stotterte der kleine Mann. „Ich habe ihn nie gesehen. Kein Mensch kennt ihn!“

„Uns geht es um die andere Seite“, entgegnete Hasard. „Wer erteilt dem großen Unbekannten die Mordaufträge? Wer hat den Befehl gegeben, Kemal Yildiz umzubringen?“

Der Mund des Kerlchens klappte auf. „Das – das kann nicht Ihr Ernst sein“, stammelte er nach Sekunden. „Sie verlangen von mir, daß ich – daß ich …“ Er wußte nicht weiter.

„Er kennt den Namen“, sagte Don Juan trocken.

„Den Eindruck habe ich auch“, entgegnete Hasard und nickte. „Es liegt natürlich an ihm selber, wie lange er es aushalten muß.“ Er drückte etwas fester zu und hob das Kerlchen noch ein Stück höher.

Der Zuträger begann zu wimmern. „Ich spreche mein eigenes Todesurteil, wenn ich es sage! Ich könnte mich ebensogut selbst töten.“

„Nun übertreibe mal nicht!“ Hasard schob ihn mit dem Rücken gegen die Wand. Durch den unverminderten Druck am Hals wurde die Atemluft des Kerlchens noch knapper. „Ernsthafte Probleme kriegst du in erster Linie mit uns, wenn du nicht bald ein bißchen plauderst.“

Don Juan zog zur Untermalung seinen Entersäbel. In der nun einsetzenden Dunkelheit war das Funkeln der Klinge auf bedrohliche Weise zu erkennen, zumal der Spanier die Klingenspitze beeindruckend nahe vor das weißgraue Gesicht mit den hervorquellenden Augen hielt.

Die Wirkung blieb nicht aus. Das Wimmern des Kerlchens steigerte sich zu hohen Tönen, die fast wie ein Quieken klangen. Nicht einen Atemzug lang zweifelte er daran, daß diese Ungläubigen ihn massakrieren würden.

Nach allem, was man über sie hörte, mußten sie wahre Bestien in Menschengestalt sein. Das Kerlchen bedauerte sich selbst zutiefst. Ausgerechnet ihm mußte es widerfahren, solchen Teufeln in die Hände zu fallen! Womit, bei Allah, hatte er das verdient?

Aber sollte er selbst zugrunde gehen, damit sich ein anderer ins Fäustchen lachte? Die Gedanken jagten sich in seinem Kopf. Gewiß, er würde aus Istanbul verschwinden müssen, damit er nicht gejagt und umgebracht wurde.

Denn er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie diese Engländer gegen eine Übermacht bestehen wollten. Sie hatten einfach keine Chance. Aber sie hatten es, verdammt noch mal, in der Hand, über sein Leben oder Sterben zu entscheiden.

Und er wollte nicht sterben.

„Unsere Geduld ist nicht grenzenlos“, sagte der Seewolf leise und doch drohend.

Don Juan de Alcazar bewegte den Säbel ein Stück und ließ die Klingenspitze sachte das Kinn des Kerlchens berühren.

Er zuckte zusammen und riß den Mund weit auf, um zu schreien. Er fing an zu zappeln.

Hasard rammte ihn fester gegen die Wand, und sofort wurde er wieder still.

„Ich – ich rede“, keuchte er.

Hasard ließ ihn zu Boden sinken und lockerte seinen Griff – doch nur ein wenig.

„Wer hat Kemal Yildiz umbringen lassen?“ wiederholte er seine Frage in rauhem Ton.

„Es ist einer der mächtigsten Männer in Istanbul“, antwortete das Kerlchen schnaufend. „Wenn nicht der mächtigste überhaupt.“

Der Seewolf lachte leise. „Niemand ist so mächtig, daß er nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann. Den Namen!“

„Mehmet Küzürtüsi.“

Hasard und Don Juan wechselten einen Blick. Also hatte Münnever Yildiz mit ihrer Vermutung recht gehabt. Dieser Küzürtüsi zählte zu jenen Kreisen in Istanbul, die alles Herkömmliche und Überlieferte eisern bewahrten und um nichts in der Welt durch neue Denkanstöße ablösen lassen wollten.

Männer wie Kemal Yildiz, der die Grenzen seines eigenen Standes mutig überschritt und für Gerechtigkeit eintrat, waren Küzürtüsi und seinesgleichen in höchstem Maße unbequem.

Yildiz hatte sie in ihren Machtansprüchen zu sehr gestört.

Hasard ließ das Kerlchen los. „In Ordnung. Du wirst uns zu Küzürtüsi führen.“

Der Zuträger erschauerte. „Aber – aber …“ Seine Stimme erstickte.

Hasard lachte rauh. „Keine Angst. Wir lassen dich rechtzeitig vorher laufen. Du wirst niemandem in die Hände fallen.“

Seewölfe Paket 29

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