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9.

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Süleyman Ayasli empfand keine Kälte mehr.

Das Wasser war zu seinem Element geworden, in dem er sich wohl fühlte. Denn es war das Element, das ihm den Sieg bringen sollte. Den Sieg zu guter Letzt. Die überragende Macht. Die Gewißheit, allen anderen überlegen zu sein.

Nur noch fünfzig Yards war er von der Dubas entfernt. Die Gestalten an Deck zeichneten sich deutlich vor dem Flammenschein am Nachthimmel ab. Vielleicht war der Olivenhain in Brand geraten. Die knorrigen alten Bäume boten den Flammen gute Nahrung.

Nun, wenigstens hatten die Neugierigen dann mit dem Löschen zu tun, statt herumzustehen und zu gaffen, wie sie es auf den Schiffen im Hafen taten.

Wohin Ayasli auch blickte, es war überall das gleiche. Die Deckswachen stierten sich mit nicht nachlassender Neugier die Augen aus dem Kopf. Dabei hatten sie nicht die geringste Chance, durch Blicke herauszufinden, was sich abspielte. Das Geschehen war viel zu weit entfernt.

Wahrscheinlich, so dachte er grinsend, würden die meisten in dieser Nacht kein Auge mehr zukriegen, ehe sie nicht wußten, was die Explosion zu bedeuten hatte.

Auf geradem Kurs schob er das kleine Floß vor sich her. Die Schwimmbewegungen liefen wie von selbst ab. Er wußte nun, daß er genügend Ausdauer hatte, auch den Rückweg ohne Mühe zu bewältigen.

Zwei der Christenbastarde auf der Dubas palaverten. Ayasli konnte nur Wortfetzen verstehen. Weitere Gestalten sah er auf dem Achterdeck. Die beiden, die sich auf der Kuhl befanden, marschierten auf und ab. Die eigentlichen Wachen?

Ayasli entschied, sich dem Bug des Zweimasters zu nähern. Er begann, einen weiten Bogen nach rechts zu schwimmen, um der Dubas dann schräg von vorn entgegenzustreben. Die beiden Redseligen auf dem Vordeck konnten ihn unmöglich entdecken, denn der Bug ragte hoch genug auf. Auch auf den übrigen Schiffen an der Pier galt alle Aufmerksamkeit dem fernen Flammenschein.

Der Höllenfürst frohlockte, als er den Bogen fast vollendet hatte. Hoch und düster sah er den Bug des Zweimasters nun zum Greifen nahe vor sich. Die Stimmen waren klarer zu vernehmen, türkische Stimmen von den kleineren Seglern, englisch von Bord der Dubas, irgendein wirres Zeug über das Verhalten von Hunden.

Ayasli hielt das Floß fest, damit es nicht mit Schwung gegen die Außenbeplankung prallte.

Plötzlich hörte er ein heiseres Grollen, das aus keiner menschlichen Kehle ertönte.

Das Gespräch an Bord brach ab.

Dem Grollen folgte Gebell, furchterregend wildes Gebell. Das war kein Straßenköter, der da kläffte. Nein, die Stimme dieses Hundes klang machtvoll und gefährlich.

Ayasli wollte sich herumwerfen, er fror auf einmal. Und erschrak über sich selbst, als ihm klar wurde, daß er drauf und dran war, seine Unterwasserbombe einfach zu vergessen.

Plymmie hatte sich losgerissen.

Mit schleifender Leine und zornig bellend jagte die Wolfshündin über die Kuhl nach vorn, vorbei an Old Donegal und dem Kutscher. Die Zwillinge rannten hinterher. Hasard junior stieß einen Fluch aus, den er in Gegenwart seines Vaters niemals riskiert hätte. Smoky und Matt Davies waren ebenfalls auf dem Weg zum Bug.

Plymmie verharrte bei der Bugverschanzung, vorgeneigt, die muskulösen Läufe gegen die Planken gestemmt. Nur noch ein tiefes, heiseres Grollen drang jetzt aus ihrer Kehle.

Hasard junior war als erster zur Stelle, und er packte ihre Leine. Was sich auch abspielen mochte: wenn die Hündin über Bord sprang, geriet sie ins Hintertreffen. Verglichen mit einem Menschen, war sie im Wasser unbeholfen und konnte sich nicht so geschickt bewegen.

Philip erreichte die Bugverschanzung und spähte auf die Wasseroberfläche.

„Ein Kerl mit einem Floß!“ rief er, und bevor einer der anderen auch nur eine Silbe von sich geben konnte, schwang er sich nach außenbords.

Ein heiserer Wutschrei empfing ihn.

Mit senkrecht gestreckten Beinen tauchte Philip unter. Da waren Hände, die nach ihm greifen wollten. Doch er war schneller unter Wasser, als der Kerl vermutlich erwartet hatte. Wie ein Stein ließ er sich sacken, und dann strebte er mit drei, vier kraftvollen Zügen zur Mitte des Bugs hin, wo er das Floß gesehen hatte.

Jemand sprang. Philip hörte den klatschenden Aufschlag auf die Wasseroberfläche mit vervielfachter Lautstärke. Es war nicht Plymmie, das hörte er an den Bewegungen. Er schickte ein Stoßgebet zum Himmel, daß es nicht sein Bruder war. Denn der mußte ja die Hündin zurückhalten. Wenn es ihm nicht gelang, war die Wolfshündin verloren. Denn der Kerl im Wasser hatte garantiert ein Messer.

Philip tauchte auf.

Nur um Handbreite vor seinem Gesicht war das Floß.

Es war Smoky, der gesprungen war. Deutlich erkannte Philip die Riesenfäuste des Decksältesten, wie dieser auf den Schwimmenden eindrang. Der Kerl stieß heiseres Wutgeschrei aus und versuchte immer wieder, die Hiebe des muskulösen Mannes an Bord der Dubas abzuwehren. Es gelang ihm nur unvollkommen. Mehrmals wurde er getroffen, versank, schluckte Wasser, stieg wieder hoch und versuchte, die Flucht zu ergreifen.

Aber Smoky holte ihn jedesmal mit schnellen Schwimmzügen wieder ein. Und der Kampf begann von neuem. Wasser spritzte hoch, wenn der Fremde ins Leere hieb.

Philip hatte Zeit, sich mit dem Floß zu befassen.

Er betastete es, und als erstes fiel ihm das lange dünne Rohr und die herausragenden Eisendorne auf.

Über der Bugverschanzung erschien die Silhouette von Matt Davies.

„Laß die Finger davon!“ rief der Mann mit der Hakenprothese warnend. „Komm an Bord, wir kümmern uns darum.“

„Vielleicht ist es dann zu spät“, entgegnete Philip, den bereits eine deutlich umrissene Ahnung beschlich.

Matt Davies schleuderte ein Tau in die Richtung, in der Smoky mehr und mehr die Oberhand über den Mann gewann, der nur der Höllenfürst sein konnte.

Philip schob sich mit den Unterarmen auf das Floß, so daß er sich die Schwimmbewegungen ersparen konnte. Er hielt ein Ohr an die Kisten.

Und erschrak.

Etwas zischte.

Auf einmal wurde ihm die Bedeutung des langen Rohrs klar. Ohne zu zögern, riß er es heraus. Nach kurzem Tasten fand er den Deckel des Behälters zwischen den beiden großen Kisten. Er fetzte das Ölpapier weg. Seine Fingerkuppen stießen in Fett, aber darunter fühlte er den Deckelrand. Er klappte ihn auf.

In dem Behälter zischte es, und die Glut war weißlich.

„Philip, verdammt noch mal!“ brüllte Matt Davies.

Und dann verstummte er, denn der Sohn des Seewolfs tat, was einzig getan werden konnte.

Mit der freien Hand schöpfte er Wasser in den Behälter.

Die Lunte zischte heftiger, weißer Qualm stieg auf. Philip packte zu, riß die helle Schnur heraus und tauchte sie unter Wasser. Minutenlang.

Kein weiteres Zischen war zu hören.

An Bord der Dubas holten Matt Davies und die anderen das Tau ein, an dessen Ende Smoky den mittlerweile bewußtlosen Höllenfürsten „belegt“ hatte.

Philip ließ die Lunte los. Sie hatte sich mit Wasser vollgesogen und versank. Es schien keine Gefahr mehr zu drohen. Trotzdem wollte er ganz sicher sein. Gründlichkeit war das oberste Gebot – in diesem wie in vielen anderen Fällen.

Er zog sein Entermesser und hebelte die Kistendeckel auf, die ebenfalls wasserdicht verschlossen waren. Kurz nacheinander fielen beide Deckel weg. Philip schob sich ein Stück höher und linste in die Kisten.

Pulversäcke. Sorgfältig geschichtet.

Es gab nur noch das eine.

Philip packte die Kistenränder, ließ sich fallen und brachte das Floß zum Kentern. Mit einem Schwall strömte das Wasser in die Kisten und durchtränkte die Pulversäcke.

Wasser – das einzige Mittel, um Schwarzpulver so wirkungslos werden zu lassen wie Mehl.

Die Männer hievten erst den Höllenfürsten an Bord. Danach, nachdem Philip den Tampen um das Floß geschlungen hatte, beförderten sie auch die Unterwasserbombe des Höllenfürsten an Deck. Philip folgte ohne Hilfe. Mit katzenhafter Gewandtheit enterte er an Steuerbord auf.

Der Seewolf und seine Männer erreichten die Pier.

Hasard erfaßte als erster, was sich an Bord der Dubas abspielte.

Der Mann, der auf den Planken lag, schnellte plötzlich hoch. Er mußte seine Bewußtlosigkeit in den letzten Sekunden nur noch gespielt haben. Keiner an Bord war reaktionsschnell genug, denn es geschah in dem Moment, in dem sie das Floß mit den Kisten über die Verschanzung wuchteten.

Auch Plymmies alarmierendes Gebell half nichts mehr.

Hasard wußte sofort, daß es der Höllenfürst war, der da über Bord sprang.

Der Seewolf zögerte keinen Augenblick. Vor dem Bug, wo sein Sohn eben erst die Unterwasserbombe entschärft hatte, tauchte er mit flachem Sprung ins Wasser. Mit kraftvollen Zügen katapultierte er sich durch das schwarze Naß. Auch beim Auftauchen hielt er nicht inne.

Er sah, daß der Fliehende dem jenseitigen Ufer des Hafenbeckens zustrebte. Sein Ziel schien die Werft zu sein. Dort mußte er die Höllenmaschine zu Wasser gelassen haben. Aus einem irrwitzig versteiften Entschluß heraus mußte er sich genau jene Stelle jetzt als Fluchtpunkt ausgesucht haben.

Vielleicht, weil es die einzige Stelle im Hafen war, die er gut genug kannte.

Hasard schätzte den Abstand auf zwanzig Yards, kaum mehr. Und der Höllenfürst war kein geübter Schwimmer.

Zügig holte der Seewolf auf. Schon in der Mitte des Hafenbeckens hatte er den Vorsprung Ayaslis auf zehn Yards verringert. Dessen Arme peitschten das Wasser in wildem Rhythmus. Längst hatte er begriffen, wer ihm im Nacken saß. Und längst wußte er, daß er diesmal kein so leichtes Spiel haben würde.

Niemand von Bord der Dubas war gefolgt. Selbst Smoky, der wegen ihrer Unaufmerksamkeit am meisten fluchte, wußte, daß es für Hasard eine Beleidigung gewesen wäre, ihm nicht zuzutrauen, den Höllenfürsten allein zu stellen.

Er erwischte ihn im seichten Uferwasser.

Nahezu gleichzeitig richteten sich die beiden Männer im knöchelhohen Schlamm auf. Nur zwei Yards trennten sie voneinander. Hasard sprang. Ohne Mühe überbrückte er die Distanz.

Ayasli wollte sich nach vorn werfen. Er schaffte es nicht mehr rechtzeitig. Hasard erwischte ihn an den Schultern. Aber seine Hände glitten an dem nassen Rücken des Höllenfürsten ab.

Dennoch stürzte Ayasli. Mit ausgebreiteten Armen fiel er nach vorn. Er stieß einen gellenden Wutschrei aus. Im nächsten Moment verstummte er, als er mit dem Gesicht im Schlamm landete.

Reaktionsschnell warf er sich herum und entglitt den erneut zupackenden Fäusten des Seewolfs nach rechts. Ayasli zog die Beine an, stieß sich ab, kam halb hoch und stolperte vorwärts.

Hasard war im selben Augenblick auf den Beinen.

Der Höllenfürst behielt die Balance. Es gelang ihm, seine Schritte zu beschleunigen.

Aber der Seewolf setzte sofort nach. Ayasli war unmittelbar vor ihm. Der Boden wurde fester und stieg schräg an.

Der Höllenfürst packte einen Karren, der plötzlich im Weg stand. Er verschaffte sich einen geringen Zeitvorsprung.

Mit knapper Mühe konnte Hasard dem klobigen Ding ausweichen, das ihm auf einmal entgegenrollte. Im nächsten Moment verharrte er.

Ayasli war herumgewirbelt. In seiner Rechten blitzte ein Messer. Seine Augen glühten haßerfüllt, die Furchen seines Gesichts formten eine teuflische Fratze.

Der Seewolf hielt die leeren Hände vom Körper weg.

„Spiel nicht verrückt, Ayasli“, sagte er ruhig. „Du hast keine Chance mehr. Sei so vernünftig, dich der Gerechtigkeit zu stellen.“

„Du kennst meinen Namen?“ zischte der Höllenfürst.

„Allerdings. Dein Gehilfe Öbül hat ein Geständnis abgelegt. Du solltest es ihm nachtun.“

„Niemals!“ schrie Ayasli. „Stell dich zum Kampf, Christenhund! Damit ich dich töten kann! Glaube nur nicht, daß ich dir nicht ebenbürtig wäre. Mich schüchterst du nicht ein, Ungläubiger!“

„Ich will dich lebend“, sagte der Seewolf kalt. „Ich will, daß du deinen Richtern gegenübertreten mußt.“

„Damit sie mich aufhängen?“ kreischte der Höllenfürst. „Oder vierteilen? Wenn ich mich darauf einließe, müßte ich verrückt sein.“

Hasard sah ein, daß es keinen Sinn hatte. Er zog das Entermesser. Die schwere Klinge in der Rechten, trat er einen Schritt auf Ayasli zu und verharrte erneut.

„Wehre dich!“ schrillte die Stimme des Höllenfürsten. Seine Nervenstränge mußten dem Zerreißen nahe sein.

Jäh schnellte er auf den Seewolf zu.

Hasard blockte ihn ab. Das Mondlicht genügte ihm, um einen präzisen Hieb zu landen.

Der Höllenfürst schrie markerschütternd, als ihm das Messer aus der Hand gewirbelt wurde. Mit der Linken umklammerte er das schmerzende Gelenk. Er krümmte sich und wankte zurück. Sein Schrei ging in ein schmerzerfülltes Gurgeln über.

Hasard ließ das Entermesser sinken und wollte mit einem Satz auf den Taumelnden zu.

Ayasli kippte hintenüber und verschwand im schwarzen Nichts.

Sein Schrei dauerte nur einen winzigen Moment. Dann wurde der Schrei von einem dumpfen Aufschlag ausgelöscht.

Hasard schob das Entermesser in die Scheide und trat an den Rand des Docks. Er brauchte eine Weile, bis sich seine Augen an die Dunkelheit in zehn Fuß Tiefe gewöhnt hatten.

Ayasli war mit dem Schädel gegen eine der Schrägverstrebungen jener mächtigen Böcke geprallt, auf denen der in Reparatur befindliche Einmaster ruhte.

Doch er hatte schon einmal ein Täuschungsmanöver in die Tat umgesetzt.

Hasard kehrte um und betrat das Dock von der flachen Einmündungsseite her. Augenblicke später kniete er neben dem reglosen Körper, der so schwarzgrau war wie das Pulver, mit dem er ständig hantiert hatte.

Diesmal war es keine Täuschung.

Hasard sah die blicklosen Augen.

Der Höllenfürst hatte sich das Genick gebrochen.

Als er sich abwandte, sah er seine Söhne. Sie waren mit dem Beiboot der Dubas zur Stelle, um ihn abzuholen.

Schon am nächsten Tag wurden der Seewolf und seine Gefährten in einem Saal des Yildizpalasts empfangen. Ihnen zu Ehren gab es ein großes Festessen.

„Es ist nur ein bescheidenes Zeichen meines Dankes“, sagte Münnever Yildiz, die den Platz neben Philip Hasard Killigrew eingenommen hatte. „Sicher werden uns unsere Wege nie wieder zusammenführen, aber ich werde Sie stets in guter Erinnerung behalten. Sie und Ihre Freunde haben ermöglicht, daß ich das Vermächtnis meines Mannes erfülle. Jetzt kann ich mit meiner Arbeit fortfahren. Dort, wo Kemal jetzt ist, wird er stolz auf mich sein.“

Hasard konnte sich nicht entsinnen, jemals so viel Mühe gehabt zu haben, die aufwallende Verlegenheit zu unterdrücken. Den Arwenacks erging es nicht anders, und so wechselte Hasard rasch das Thema, indem er die vorzüglichen Speisen aus der Küche des Hauses Yildiz rühmte.

Sie hatten Öbül, den Gehilfen des Höllenfürsten, den zuständigen Behörden von Istanbul übergeben. Da es einen Mehmet Küzürtüsi und seine Machenschaften nicht mehr gab, war auch die Macht seiner Gefolgsleute gebrochen. Es würde ihnen nicht mehr gelingen, Öbül aus dem Gefängnis zu befreien.

Seiner Strafe konnte er nicht entgehen. Er hatte ebenso gemordet wie Süleyman Ayasli. Auf Öbül wartete nichts anderes als jene Todesstrafe, der sich der Höllenfürst durch einen Zufall entzogen hatte.

Hasard hatte Münnever Yildiz den Schatz des Süleyman Ayasli ausgehändigt, und sie entsprach noch am Nachmittag desselben Tages der Bitte, die der Seewolf und die Arwenacks einmütig an sie gerichtet hatten.

Die Münzen aus Gold und Silber wurden an die Armen verteilt.

Münnever überwachte das stundenlange Verteilen persönlich, und auch die Männer von Bord der Dubas waren dabei. Für jeden der armen Leute gab es zwei Münzen, eine aus Gold und eine aus Silber.

Es dunkelte bereits, als Ayaslis Schatz für einen guten Zweck vollständig aufgeteilt war …

ENDE

Seewölfe Paket 29

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