Читать книгу Seewölfe Paket 29 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 40

7.

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„Ich bin ganz sicher“, sagte Philip, nachdem er gemeinsam mit seinem Bruder erneut zur Back aufgeentert war. Plymmie folgte ihnen leise hechelnd. „Der Kerl steht noch immer da.“

„Und ich behaupte, du siehst Gespenster“, entgegnete Hasard junior.

„Gehen wir der Sache auf den Grund“, sagte Philip kurzentschlossen. „Zu was haben wir Plymmie!“

Beim Klang ihres Namens stellte die Wolfshündin die Ohren steil auf. Ihr Nackenfell sträubte sich sichtlich. Sie spürte, daß ihr eine besondere Aufgabe bevorstand. Schon oft hatten die Arwenacks ihre Klugheit bewundert.

Der junge Hasard hatte, nichts gegen den Vorschlag seines Bruders einzuwenden. Auf leisen Sohlen zogen sie sich von der Back zurück und meldeten sich beim Kutscher ab.

Auch, als sie auf die Pier abenterten, verhielten sie sich noch leise.

Philip spähte zum Kai hinüber und empfand grimmige Zufriedenheit.

Der Kerl, der da in einer Türnische lauerte und die ganze Zeit zur Dubas gelinst hatte, stand immer noch da. Mochte Hasard zehnmal behaupten, daß es sich nur um eine zufällige Schattenbildung handelte, er, Philip, war überzeugt, daß es ein Mensch war.

Er vermochte sich keinen Vers darauf zu bilden, aber es mußte mit dem Mordanschlag zusammenhängen, dem Kemal Yildiz und seine Sänftenträger zum Opfer gefallen waren. Was, zum Teufel, hatte irgendwelches lichtscheue Gesindel ausgerechnet am Schauplatz des Geschehens zu suchen?

An die Bordwand der Dubas geduckt, wies Philip der Wolfshündin die Richtung.

„Faß, Plymmie, faß!“ stieß er zischend hervor.

Die Wolfshündin fegte los, wie von einer Bogensehne wegschnellend. In weniger als einem Atemzug erreichte sie das Ende der Pier. Und erst in diesem Moment löste sich der Schatten aus der Türnische. Viel zu spät begriff er, daß es ihm an den Kragen ging.

Er stieß einen erschrockenen Laut aus, wollte davonhasten und in der nächsten Gasseneinmündung verschwinden. Denn er hörte jetzt das heisere Knurren des heranjagenden grauen Wesens, das in der Dunkelheit nicht mehr als ein Huschen war.

Er schaffte nur fünf oder sechs Schritte.

Plymmie überbrückte die letzte Distanz mit einem gewaltigen Sprung. Ihre gestreckten Vorderpfoten trafen den Nacken des dünnen kleinen Mannes, und er hatte das Gefühl, von der Wucht eines Hammerschlages gefällt zu werden.

Mit einem gellenden Schrei stürzte er der Länge nach auf das rauhe Steinpflaster. Mehr als einen Yard weit schlidderte er über die Steine und schrammte sich das Gesicht dabei auf. Er warf sich herum, wollte aufspringen und noch einmal die Flucht versuchen.

Doch im selben Moment war der graue Schatten über ihm.

Er wurde vor Entsetzen starr. Mächtige Reißzähne, höllisch spitz zulaufend, schimmerten direkt über seinem Gesicht. Der heiße Atem des vermeintlichen Untiers schlug ihm ins Gesicht. Er konnte nicht einmal schützend die Arme hochreißen, denn die Bestie stand mit den vorderen Pranken auf seinen Armen. Eine Last wie von Tonnengewichten. Öbül begriff nicht, daß er in seiner panischen Angst-Trugschlüssen erlag.

„Nein!“ schrie er. „Nein, um Himmels Willen!“

Die Söhne des Seewolfs waren mittlerweile zur Stelle.

„Plymmie!“ sagte Hasard junior energisch. „Zurück!“

Philip trat von der anderen Seite auf die Wolfshündin und den am Boden Liegenden zu und kraulte ihr zur Belohnung die Nackenhaare.

Plymmies leises Grollen ließ nach, sie gehorchte und wich ein Stück von der Kehle des Kerls weg. Aber sie blieb ihm gefährlich nahe, und den Anblick ihrer Reißzähne mußte er auch weiter ertragen.

Jemand eilte mit einer Laterne herbei. Es war der Kutscher. Der alte O’Flynn war als Wache auf der Dubas geblieben. Der Kutscher hielt die Laterne so, daß das Gesicht des kleinen Mannes erkennbar wurde. Es war ein Gesicht von ungesunder grauer Farbe. Als er die Hände vor das Gesicht hob, waren seine geschwärzten Finger zu sehen.

Plymmie ließ wieder ein heiseres Knurren ertönen, und er nahm die Hände sofort wieder herunter. Angst flackerte in den Augen des kleinen Mannes.

„Wer bist du?“ fragte der Kutscher. „Und was hast du hier zu suchen?“

„Ich heiße Öbül. Und ich habe auf einen Freund gewartet.“

„Ausgerechnet hier?“ fragte Hasard junior. „Ausgerechnet an der Stelle, an der Kemal Yildiz einer Explosion zum Opfer fiel?“

„Dann hättest du nicht wegzulaufen brauchen“, fügte Philip hinzu.

„Aber diese Bestie – diese …“

„Sie greift niemanden an, der ein reines Gewissen hat“, behauptete der junge Hasard. „Sie ist eine Wolfshündin, und sie spürt, was in einem Menschen vorgeht.“

„So, wie jetzt“, sagte Philip grimmig. „Sie spürt, daß du lügst, Öbül. Ein Wort von uns, und du hast sie an der Kehle.“

Als hätte die Wolfshündin verstanden, ruckte sie unvermittelt ein Stück vor. Ihr wildes Knurren und der mörderische Fang waren unmittelbar vor Öbüls Kinn.

Er wimmerte.

„Willst du jetzt reden?“ fragte der Kutscher mit ruhiger Stimme.

„Ja, um Himmels willen, ja!“ jammerte der kleine Türke. „Nur nehmt diese Bestie weg!“

Schritte näherten sich in einer der Gassen.

Der Seewolf und die Arwenacks kehrten zurück.

„Das trifft sich gut“, sagte Hasard junior. „Warte einen Moment, mein lieber Öbül, dann wird dein Geständnis gleich von den richtigen Ohren gehört.“

Wohlweislich ließen die Zwillinge und der Kutscher die Wolfshündin in ihrer augenblicklichen Stellung, damit der kleine Mann nicht noch auf andere Gedanken verfiel, bevor die Männer zur Stelle waren.

Sie prallten unwillkürlich zurück, als sie die Szene vor Augen sahen. Dann aber traten sie rasch näher und bildeten einen Halbkreis. Die Zwillinge berichteten, was sich abgespielt hatte.

„Mehmet Küzürtüsi hat sich vergiftet“, sagte der Seewolf. „Er hat sich aller irdischen Verantwortung entzogen, als er keinen Ausweg mehr sah.“

Der am Boden Liegende stieß einen entsetzten Laut aus.

„Ich sehe“, sagte der Seewolf mit hartem Lächeln, „die Nachricht vom Tod Küzürtüsis läßt dich nicht unberührt. Was hast du mit ihm zu tun?“

„Ich – ich …“

„Sprich!“ sagte Philip scharf.

Plymmies Knurren schwoll an und wurde rauher und drohender.

„Nehmt die Bestie weg!“ heulte Öbül. „Ja, ich rede! Ich rede!“

Hasard junior zog die Wolfshündin um eine Handbreite zurück.

„Es ändert sowieso nichts“, keuchte der kleine Mann. „Für euch gibt es keine Rettung mehr. Der Meister wird euch auslöschen – euer Schiff, alles!“

„Der Meister?“ sagte der Seewolf gedehnt. „Wer soll denn das sein?“

„Wer schon!“ Öbül stieß ein abgehacktes Lachen aus. „Der Mann, in dessen Händen alles Leben in dieser Stadt liegt. Er beherrscht Istanbul, doch niemand weiß es! Sie ahnen es nur alle.“

„Der Höllenfürst“, sagte der Seewolf. „Was hast du mit ihm zu tun? Bist du sein Diener?“

„Sein Gehilfe.“ Öbüls Antwort klang stolz.

„Wie heißt er?“

Noch einmal mußten sie ihn durch Plymmie bedrohen lassen. Dann endlich redete sich Öbül alles von der Leber. Der Seewolf und die Arwenacks erfuhren, daß Süleyman Ayasli der geheimnisvolle Mann im Hintergrund war, der das heimtückische Handwerk beherrschte, eine Sprengladung zum erwünschten Zeitpunkt hochgehen zu lassen.

Öbül beschrieb den Weg zu Ayaslis Behausung, und er schilderte sogar das Versteck des Reichtums, den der Höllenfürst bereits angesammelt hatte.

Dann aber, als ihn Hasard zur Dubas bringen ließ, wo er in die Vorpiek gesperrt werden sollte, sträubte er sich. Sie mußten kräftig zupacken, um seinen Widerstand zu brechen.

Für den Seewolf gab es keine offenen Fragen mehr. Er teilte Smoky und Matt Davies als Deckwache ein. Old Donegal und der Kutscher blieben als mögliche Ablösung an Bord. Desgleichen die Zwillinge mit Plymmie, die die Wachen zu unterstützen hatten. Plymmies Aufgabe sollte es wieder sein, die besonderen Qualitäten ihrer Spürnase unter Beweis zu stellen.

Hasard und seine Gefährten brachen auf. Es gab keine Zeit zu verlieren. Kemal Yildiz’ Tod mußte vollends gesühnt werden. Gleichzeitig wurde Istanbul von einem Alptraum befreit.

Münnever Yildiz sollte wieder in der Lage sein, ihr wohltätiges Werk für die Armen dieser Stadt fortzusetzen.

Süleyman Ayasli verharrte regungslos. Im nächsten Moment setzte er sich wieder in Bewegung und schob seinen kleinen Handkarren in einen Torweg. Die Häuser ringsum lagen in völliger Dunkelheit. Nirgendwo deutete etwas darauf hin, daß es auch nur eine Menschenseele gab, die ihn beobachtete.

Aber jetzt hörte er deutlich die Schritte. Sie näherten sich und mußten jeden Moment die Gasse erreichen, in der er sich befand.

Er bewegte sich nicht und wirkte wie ein Baumstamm in der Finsternis.

Die Schritte gewannen einen hohlen Nachhall. Also hatten sie die Gasse erreicht. Der Höllenfürst hielt den Atem an. Wer war so spät noch unterwegs? Ein Trupp der Stadtwache? Er hoffte, daß sie nicht Hauseingänge und Torwege kontrollierten. Er fühlte sich außerhalb seiner Werkstatt verwundbar. Öbül war nicht pünktlich zurückgekehrt, und er war nun vollends auf sich allein gestellt.

Die entscheidende Aufgabe mußte er allein bewältigen.

Er war entschlossen, es zu schaffen.

Seine Konstruktion, die er auf dem Handkarren transportierte, war ein Meisterwerk. Die Welt würde staunen, wenn sie davon hörte.

Schwankender Lichtschein fiel auf die Pflastersteine vor dem Torweg. Die Schritte dröhnten jetzt. Gedämpftes Murmeln war zu vernehmen.

Der Mann, der an der Spitze ging, trug eine Schiffslaterne. Ihm folgte der hochgewachsene Engländer, der Philip Hasard Killigrew sein mußte. Ayasli hatte sich die Beschreibung, die Öbül ihm gegeben hatte, genau eingeprägt.

Der Höllenfürst erschrak.

Fast die gesamte Mannschaft war da unterwegs, und sie drangen in die Richtung vor, aus der er gekommen war. Ihre Schritte waren voller Entschlossenheit, und sie hatten sich mit Säbeln und Pistolen bewaffnet.

Schlagartig wußte Ayasli, was sie vorhatten. Bei dem Gedanken traf ihn neuer Schreck wie ein Hieb.

Öbül hatte versagt. Eine andere Erklärung gab es nicht. Sie mußten ihn gefangengenommen haben. Nur deshalb war er nicht zurückgekehrt. Öbül war sonst noch nie unpünktlich gewesen. Immer war er vor der vereinbarten Zeit eingetroffen.

Sie mußten ihn gefoltert haben, die verfluchten Bastarde.

Unter Zwang hatte er verraten, wo sich die Werkstatt befand.

Für einen Moment spielte Süleyman Ayasli mit dem Gedanken, auf einer Abkürzung zu seinem Haus zurückzukehren, um es zu verteidigen.

Verteidigen? höhnte eine innere Stimme. Was könntest du schon ausrichten!

Nein, es gab nur den anderen Weg. Jetzt mußte er seinen Plan erst recht in die Tat umsetzen. Wenn es denn sein sollte, lief es eben auf gegenseitige Vernichtung hinaus.

Sie würden sein Lebenswerk zerstören, seine Werkstatt, sein Handwerkszeug, seine Vorräte.

Und er würde ihnen alles nehmen, was sie hatten – ihr Schiff mitsamt der Ausrüstung und den paar Mann, die wahrscheinlich als Wachen zurückgeblieben waren.

Vorsichtig näherte er sich der Gasse und spähte nach links.

Der Lichtschein war nicht mehr zu sehen. Sie waren also bereits abgebogen und in einer Abzweigung verschwunden. Aber der leise, dumpfe Hall ihrer Schritte war noch zu vernehmen.

Ayasli verharrte weitere fünf Minuten in dem Torweg, ehe er den Handkarren nahm und seinen Weg fortsetzte. Von den Rädern hatte er die Eisenreifen entfernt, so daß die Rollgeräusche kaum zu vernehmen waren. Überdies bewegte er den Karren vorsichtig genug, um nicht gegen unerwartete Hindernisse zu stoßen.

Er hatte sich Öbüls Wegbeschreibung genau eingeprägt. So umrundete er jenen Teil des Hafens, in dem das Schiff der Engländer lag, und drang auf ein jenseitiges Werftgelände vor, das durch keinerlei Einfriedung abgesichert war.

Zu stehlen gab es hier ohnehin nichts. Niemand konnte Schiffe entführen, die sich im Bau oder in Reparatur befanden. Bei den Wachen am Hafenausgang waren alle diesbezüglichen Einzelheiten registriert.

Ayasli schob seinen Karren vorsichtig an die zum Hafenbecken gewandte Seite einer Dockanlage. Das Wasser reichte nur bis zur trichterförmigen Einmündung des Docks. Der Einmaster, den sie mittels Seilzügen zur Reparatur hineinbugsiert hatten, lag auf dem Trockenen.

Vorsichtig hob der Höllenfürst die Einzelteile seiner empfindlichen Fracht von der Ladefläche des Karrens. Als erstes ließ er das kleine Floß, das er gebaut hatte, zu Boden gleiten. Das Licht, das von den Hecklaternen der Schiffe herüberfiel, reichte ihm. Er konnte immerhin Umrisse erkennen.

Die eigentliche Bombe bestand aus zwanzig Kilogramm Schwarzpulver. Er hatte sich für die feinste Körnung entschieden, um eine absolut sichere Zündung zu gewährleisten.

Das Pulver befand sich in zwei aneinandergeschraubten Kisten, zwischen denen er in der Mitte einen Hohlraum ausgespart hatte. Der Hohlraum, mit Kalfaterpech und mehrfachen Lagen von Ölpapier wasserdicht verschlossen, enthielt die Lunte.

Das Ende hatte er Y-förmig geteilt, so daß jeweils ein Ende durch einen ebenfalls wasserdichten Zündkanal in die Pulverladung reichte. Die Windungen der Lunte, die für eine Stunde Brenndauer berechnet war, hatte er in dem Hohlraum durch dünne Metallplättchen voneinander getrennt. Dadurch vermied er, daß sich die Lunte an Berührungspunkten mehrfach entzündete, wodurch die Brenndauer verkürzt worden wäre.

Das Risiko, selbst mit in die Luft zu fliegen, wollte er natürlich ausschalten.

Die Luftzufuhr für die Lunten-Brennkammer erzielte er durch ein getrocknetes Schilfrohr von zwei Yards Länge, das er außen mit Pech angestrichen und dadurch gleichfalls wasserfest abgedichtet hatte. Das untere Ende des Rohrs mündete durch eine sorgfältig mit Pech verschmierte Öffnung in die Brennkammer.

Ayasli vergewisserte sich noch einmal, daß Öbüls Beschreibung stimmte.

Das Schiff der britischen Christenhunde lag ungefähr zweihundert Yards von der Werft entfernt an einer Pier.

Mit der Lunten-Brenndauer von einer Stunde würde es reichen.

Er mußte die Lunte zünden und die Kammer gründlich verschließen, bevor er losschwamm. Und er mußte gefahrlos zurückschwimmen können, um das Feuerwerk aus sicherer Entfernung beobachten zu können.

Er baute darauf, daß die Explosion der Unterwasserbombe das Schiff aufreißen und in Brand setzen würde. Entweder würde es durch raschen Wassereinbruch schnell sinken, oder es würde durch die explodierende Munitionskammer in Stücke gerissen werden.

Wenn die Engländer zurückkehrten, würden sie mächtig ins Staunen geraten.

Voller Vorfreude rieb er sich die Hände.

Seewölfe Paket 29

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