Читать книгу Seewölfe Paket 10 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 29
3.
ОглавлениеSie hatten sich bis zum Vordecksschott der Backbordseite vorgepirscht, ohne auch nur den geringsten Laut zu verursachen. Andai öffnete behutsam das Schott zur Kuhl. Hauula war neben ihm, hinter ihnen drängten sich Mara, die beiden jungen Männer Numil und Moho, und weiter achtern im Schiffsgang standen geduckt die übrigen Mädchen, jungen Frauen und Männer.
Das Schott stand nun spaltbreit offen, und Andai und Hauula spähten über die Kuhl zu den drei Männern, die sie nahe der Gräting undeutlich sehen konnten.
„Wo ist der vierte?“ wisperte Hauula.
„Vielleicht auf dem Achterdeck“, gab Andai genauso leise zurück.
„Oder über uns?“
„Möglich ist es. Auf jeden Fall sind es vier Ankerwachen.“
„Wir müssen sie überlisten. Irgendwie.“
„Das schaffen wir nie“, flüsterte Andai. „Wir haben im Vordeck nur ein paar hölzerne Knüppel als Waffen gefunden. Damit können wir sie nicht überwältigen. Niemals!“
„Nur, wenn sie uns den Rücken zukehren“, raunte Hauula.
„Den Gefallen tun sie uns nicht.“
Sie wandte ihm das Gesicht zu und musterte ihn im Dunkel des Niedergangsschachtes. Er konnte ihre Augen schimmern sehen.
„Andai“, flüsterte sie. „Ich könnte dafür sorgen. Daß sie abgelenkt werden, meine ich. Ich gehe zu ihnen und dann …“
„… schießen sie dich nieder. Nein.“ Er hielt sie am Arm fest.
„Auf ein Mädchen schießen sie nicht.“
„Weißt du das?“
„Sie werden mich packen, um sich einen – einen Spaß mit mir zu erlauben. Ganz bestimmt tun sie es.“
Seine Finger schlossen sich noch fester um ihren Unterarm. „Und in der Zwischenzeit fallen wir über sie her? Ja, ich begreife schon, wie du das meinst. Aber es klappt nicht. Als erstes werden sie sich fragen, wie du überhaupt dein Verlies verlassen konntest. Hast du daran gedacht?“
„Still“, raunte sie.
Über ihren Köpfen waren jetzt dumpfe Laute zu vernehmen. Schritte – sie bewegten sich auf den Planken der Back, also auf dem Deck, das sich genau über ihnen erstreckte. Die Schritte polterten die Stufen des Niedergangs der Backbordseite hinunter. Andai, Hauula, Mara, Numil, Moho und die anderen erstarrten und hielten unwillkürlich den Atem an.
Eine Männerstimme sagte etwas in der seltsamen, für die Insulaner unverständlichen Sprache der Freibeuter. Mit den knarrenden Schritten, die sich zügig über die Planken bewegten, schien diese Stimme dem Vordecksschott näher und näher zu rücken.
Andai hätte das Schott jetzt gern wieder geschlossen, aber er wagte es nicht. Er ließ Hauulas Arm los und umklammerte mit beiden Händen fest den hölzernen Belegnagel, den er beim Durchsuchen des leeren Mannschaftslogis’ entdeckt hatte. Er hob die primitive Waffe und war bereit, sie dem Ankömmling kräftig übers Haupt zu ziehen.
„He!“ sagte draußen die Stimme. „Grand Duc und drei andere von uns pullen mit der Jolle herüber, habt ihr’s schon gesehen?“
„Nein“, antwortete eine der drei Ankerwachen bei der Kuhlgräting. „Hast du eine Ahnung, was die wollen?“
„Ja, ich hab so eine Ahnung, daß sie sich was zum Zeitvertreib holen wollen“, sagte der, der gerade von der Back heruntergestiegen war.
Die anderen drei lachten.
Andai, Hauula und ihre Brüder und Schwestern atmeten auf, denn die Stimme dieses Sprechers entfernte sich jetzt doch von ihnen. Im nächsten Moment vermochte Andai auch die Gestalt dieses Kerles zu sehen, denn der Pirat wanderte von der Backbord- zur Steuerbordseite des Schiffes hinüber, und das Schott versperrte dem Insulaner zu diesem Bereich der Galeone hinüber nicht die Sicht.
Der Mann von der Back gesellte sich zu seinen drei Kumpanen. Alle vier traten sie jetzt an das Schanzkleid der Steuerbordseite, lehnten sich leicht über und spähten in die Nacht.
„Ja, es stimmt, da kommt die Jolle“, sagte der eine.
Jolle – dieses Wort hatte Andai verstanden. Und er wußte auch, daß die „Saint Vincent“ ihre Steuerbordseite dem Strand der großen Lagune zugekehrt hielt. Die Wachtposten blickten jetzt also dort hinüber und mußten im flackernden Schein der Lagerfeuer die Umrisse des Bootes gut erkennen können.
Andai wandte sich zu den anderen um. „Das Boot – diesmal nähert es sich wirklich“, flüsterte er ihnen zu. „Wir müssen jetzt handeln. Jetzt oder nie …“
„Ich bleibe an deiner Seite, Andai“, wisperte Hauula.
Andai schob das Schott noch ein Stück weiter auf – gerade so weit, daß der Spalt groß genug war, um einen Mann seiner Statur durchzulassen. Dann glitt er als erster hinaus auf die Kuhl, gefolgt von Hauula. Nach und nach schlüpften auch die anderen ins Freie. Als die Hälfte der Insulaner das Vordeck verlassen hatte, befanden sich Andai und Hauula bereits auf der Höhe der Gräting, schlichen sich an die Rükken der vier Piraten heran und hoben die Koffeynägel, die sie beide in den Händen hielten.
Numil und Moho waren mit zwei, drei Schritten neben Andai und Hauula. Numil hatte sich mit einer Handspake bewaffnet, Moho verfügte nur über ein Stück Planke, das er aus der Werkstatt des Schiffszimmermanns hatte entwenden können.
Die vier braunhäutigen Gestalten wuchsen hinter den Piraten hoch. Bevor ihre Schlagstöcke auf die Köpfe der Freibeuter niedersausten, nahm der Mann von der Back eine vage Regung hinter sich wahr, wandte den Kopf und gewahrte im nächsten Atemzug Moho, der mit drohend verzerrter Miene direkt hinter ihm stand.
Der Mann von der Back gab einen heiseren Laut von sich, griff zur Pistole und wollte sie aus dem Gurt reißen, aber seine Reaktion erfolgte zu spät.
Moho schlug zu.
Im selben Moment ließen auch Andai, Hauula und Numil ihre Knüppel auf die Häupter der Gegner niederhageln. Alle Schläge waren gut gezielt und von größter Wirksamkeit. Die Franzosen brachen zusammen und sanken schlaff auf die Planken der Kuhl.
Andai hielt seinen Belegnagel bereit, um gleich noch einmal zuzuhauen, aber er sah, daß dies nicht nötig war. Die vier Piraten waren bewußtlos.
Andai blickte über das Steuerbordschanzkleid zu den Lagerfeuern und konnte nun auch die Konturen des näher gleitenden Bootes erkennen.
Hauula, Numil und Moho hatten sich über die reglosen Gestalten gebeugt und waren dabei, ihnen die Waffen abzunehmen – die Pistolen, Entermesser, Säbel und Messer.
Die anderen Insulaner huschten kreuz und quer über die Kuhl und bemächtigten sich einiger Musketen und Tromblons, die bei den Geschützen beider Batterien gegen das Schanzkleid gelehnt standen.
Andai wandte sich zu ihnen um. Sein Blick fiel auf das zweite Beiboot der „Saint Vincent“, das festgezurrt und mit einem Stück gewachstem Segeltuch bedeckt auf der Backbordseite der Kuhl lag.
„Rasch“, zischte er seinen Stammesbrüdern zu. „Wir müssen das Boot aussetzen und damit fliehen. Das Schiff können wir nie und nimmer aus der Lagune manövrieren, wir verstehen es nicht, mit so einem großen Segler umzugehen. Rasch, rasch.“
Numil, Moho und die anderen jungen Männer eilten auf das Beiboot, eine Jolle, zu und lösten die Zurrings. Sie zerrten die Persenning herunter und schickten sich an, das Boot zunächst hoch- und dann außenbords zu hieven, um es anschließend an Backbord abfieren zu können – da wurden sie jäh in ihrer hastigen Tätigkeit gestört.
Einer der vier Piraten von der Wachablösung, die beim Würfelspiel um einen wuchtigen Holztisch in der Mannschaftsmesse versammelt saßen, richtete sich plötzlich kerzengerade auf und wandte mit mißtrauischer Miene den Kopf.
„Was war das?“ sagte er. „Still! Habt ihr das nicht gehört?“
Sein Kumpan zur Rechten grinste und griff zur Muck, die bis zur Hälfte mit Rum gefüllt war. „Du glaubst doch wohl nicht, daß wir darauf hereinfallen, Henri. Hältst du uns wirklich für so dämlich?“
„Ich erzähle keine Witze. Ich habe jemanden stöhnen hören.“
„Stöhnen?“ wiederholte der, der ihm gegenübersaß. „Hölle und Teufel, du hörst und siehst wohl Gespenster, was?“
„Nein.“ Henri stand auf. „Ich gehe nach oben und sehe nach, was los ist.“
„Du hast zuviel Rum getrunken“, sagte der vierte. „Das ist es. He, wir sollten überhaupt mit der Sauferei aufhören, denn bald ist Wachwechsel. Masot und Grand Duc drehen uns die Hälse um, wenn sie uns stinkbesoffen bei der Mittelwache erwischen.“
Henri rückte seinen Hocker beiseite und schritt auf das achtern befindliche Schott der Mannschaftsmesse zu. Er öffnete es, wandte sich dem Niedergang zu, der ihn nach oben, ein Deck höher, führte und zog dabei vorsorglich seine Pistole.
„Er spinnt“, sagte der zweite Freibeuter in der Messe. Er hob die Muck an den Mund und nahm einen Schluck Rum. „Der Alkohol ist ihm wirklich zu Kopf gestiegen. Statt friedlich seine Freiwache abzusitzen, steckt er seine Nase in Angelegenheiten, die ihn nichts angehen.“
Der dritte erhob sich aber auch und zückte wie Henri seine Pistole. „Mag sein, aber sicher ist sicher“, sagte er. „Ich gehe mit Henri rauf an Oberdeck und sehe nach dem Rechten.“
Der vierte hob verwundert die Augenbrauen. „Verdammt, denkst du etwa, die Gefangenen …“
„Ich denke gar nichts, ich finde nur, wir müssen ständig auf der Hut sein, ganz gleich, ob wir Wache haben oder nicht. Ihr zwei – kontrolliert mal das Kabelgatt und das Verlies der Weiber. Hölle, glotzt mich nicht so blöd an. Sie können da nicht raus, das weiß ich so gut wie ihr, aber Vorsicht ist immer noch besser als plötzlich überrascht zu werden, oder?“
Damit war er beim Schott und stürmte Henri nach.
Die beiden anderen verließen die Messe leicht schwankenden Schrittes in der entgegengesetzten Richtung und wandten sich dem Vordeck zu. Wenige Augenblicke später sollten sie die erschütternde Feststellung treffen, daß das Kabelgatt und auch der Gefängnisraum der jungen Frauen und Mädchen verlassen waren.
Henri rannte ein Deck höher durch den Mittelgang der Hütte, stieß das Schott zur Kuhl auf – und sah die Polynesier, die an dem Beiboot hantierten. Er sah die reglos daliegenden Kumpane an der Steuerbordseite der Kuhl, sah Andai und Hauula und Mara, die verblüfft zu ihm herumfuhren – und dann brachte er seine Pistole in Anschlag auf die ausgebrochenen Gefangenen.
Andai duckte sich tief und lief auf den Piraten zu.
Henri stieß einen Fluch aus und krümmte den Zeigefinger um den Abzug der Pistole. Die Ladung zündete mit einem wahren Donnerhall. Schwer brach der Schuß, ein Feuerblitz stach auf Andai zu, und weißlicher Pulverqualm stieg zu den Rahen der „Saint Vincent“ auf.
Fast im selben Augenblick fiel ein zweiter Schuß. Numil hatte die Muskete, die er auf der Kuhl erbeutet hatte, hochgerissen und mit dem Kolben gegen seine rechte Schulter gestemmt. Er stand hinter einem Backbordgeschütz und hatte geistesgegenwärtig auf den französischen Piraten gezielt. Jetzt raste die Musketenkugel auf Henri zu. Während Andai sich durch einen tigerhaften Satz nach links in Deckung warf, beging Henri den großen, folgenschweren Fehler, sich nicht um einen Zoll von seinem Platz im offenen Achterdecksschott wegzurühren.
Die Kugel traf seine Brust und warf ihn zurück. Sein Körper prallte gegen den des nachdrängenden Piraten. Dieser Mann strauchelte und fiel, rapptelte sich aber flink wieder auf.
„Henri“, stammelte er entgeistert. „Teufel, was …“
Er sprach nicht weiter, denn er hatte jetzt den feuchten Fleck auf Henris Brust ertastet und spürte, daß jegliches Leben aus dem Leib des Kumpanen gewichen war.
Mit einem mörderischen Fluch sprang er zum offenen Schott vor.
Die anderen beiden Freibeuter aus der Mannschaftsmesse hatten sich derweil bis ins Vorschiff vorgearbeitet und trafen jetzt gerade Anstalten, dieses durch genau dasselbe Schott zu verlassen, das vorher auch die Insulaner benutzt hatten.
Moho feuerte seine Muskete auf Henris Kumpan ab, der gerade in dem offenen Schott der Poop erschien. Es nutzte diesem Franzosen nichts mehr, daß er sich auf die Planken warf. Die Kugel traf seinen Kopf. Er hatte die Gefahr, der er sich hatte stellen wollen, unterschätzt.
Hauula stieß einen Warnlaut aus.
Die Männer von Hawaii fuhren daraufhin zum Vordeck herum. Buchstäblich im letzten Augenblick konnten sie sich hinter dem Beiboot und den Geschützen verstecken und sich so vor den Kugeln schützen, die die zwei Freibeuter vom Vordecksschott aus auf sie abfeuerten.
Andai und ein anderer Insulaner rollten sich aus ihren Deckungen hervor und schossen aus zwei Pistolen, die sie vorher den Bordwachen abgenommen hatten, zurück, ehe die Piraten ihre leergeschossenen Musketen mit ihren Pistolen vertauschen konnten.
Der eine Franzose brach getroffen zusammen und blieb halb auf dem Niedergang, halb auf den Planken der Kuhl liegen. Sein Mitstreiter schrie auf, warf sich herum und ergriff die Flucht.
Zwei Polynesier hetzten ihm nach und waren im Vordeck verschwunden, bevor Andai sie daran hindern konnte.
Andai blickte zu den Stammesbrüdern, die sich mit dem Beiboot beschäftigt hatten. „Schnell, hievt das Boot hoch!“ rief er ihnen zu. „Wir müssen fort, ehe die anderen Kerle über uns herfallen! Gegen sie können wir uns nicht behaupten!“
Flüche in der Sprache der Freibeuter hallten vom Wasser der Lagune zu ihnen herüber.
Mara, die einen Blick über das Steuerbordschanzkleid riskiert hatte, fuhr erschrocken zu den ihren herum und sagte: „Das Boot! Es ist uns jetzt sehr nahe!“
„Andai“, stieß Hauula hervor. „Die Kanonen – sind sie nicht geladen?“
„Ich weiß es nicht“, antwortete er. „Und keiner von uns kann mit diesen Geschützen umgehen.“
Im Inneren des Schiffes krachte dumpf ein Pistolenschuß. Moho lief zum Vordecksschott, gefolgt von zwei anderen jungen Männern. Hauula hastete plötzlich auf das Kombüsenschott zu, das dicht daneben lag, riß es auf und tauchte in dem stockfinsteren Rechteck der Öffnung unter.
Andai verfolgte es verstört und wußte nicht, ob er das Mädchen zurückholen oder gewähren lassen sollte. Er stand für einen Moment recht ratlos da, wandte sich dann aber den übrigen Männern und jungen Frauen zu, die jetzt mit vereinten Kräften das Beiboot der Galeone hochhievten, indem sie die Zugtaue Hand über Hand durchholten. Die Taue liefen durch Taljen, die an der Großrah und der Fockrah befestigt waren. Langsam hob sich die Jolle.
Andai warf wieder einen Blick zum Vordeck und atmete auf, als er Moho und gleich darauf auch die anderen vier Stammesbrüder aus dem Schott stürmen sah. Moho gab durch eine Gebärde zu verstehen, daß der kurze Kampf gegen den vierten Mann der Wachablösung erfolgreich verlaufen war – zugunsten der Polynesier.
Hauula erschien mit einemmal auch wieder auf der Kuhl. Sie trug ein kleines, stark abgeflachtes Metallbecken in ihren Händen, balancierte es vorsichtig vor sich her und transportierte es zu dem ersten Steuerbordgeschütz der Piratengaleone.
Andai sah die Holzkohlenglut darin glimmen und begriff, was das Mädchen vorhatte. Wieder erstaunte es ihn, welche Tapferkeit Hauula an den Tag legte. Er lief zu ihr, half ihr, das Kohlebecken neben der Geschützlafette abzusetzen und griff dann instinktiv zu dem Luntenstock mit der Zündschnur, der mit dem anderen Zubehör der Kanone neben der Lafette bereitlag.
Hauula wies auf das Kohlebecken. „Ich habe es auf dem Kombüsenherd vorgefunden“, erklärte sie. „Die Piraten müssen es dort für alle Fälle bereitgehalten haben.“
„Und du meinst wirklich, daß die Kanone geladen ist?“ fragte Andai atemlos.
„Versuchen wir es wenigstens.“
Schüsse peitschten in der Lagune auf, Feuerblitze waren zu sehen. Andai und das Mädchen zogen augenblicklich die Köpfe ein. Die Jolle mit Grand Duc und den drei anderen Piraten darin – soviel hatte Andai durch einen raschen Blick über das Schanzkleid eben noch sehen können – war der Galeone wirklich bedrohlich nahe.
Andai deutete auf die Stückpforte. „Wir müssen diese Klappe öffnen, glaube ich. Hilf mir.“ Er zerrte an der Verriegelung der Pforte.
Numil und Moho glitten heran, um ihnen bei dem Vorhaben zu helfen.
Die anderen Polynesier hatten das Beiboot jetzt über das Backbordschanzkleid hinausbefördert und begannen, es in Lee abzufieren.
Heftiger strich der ablandige Wind über das Deck der Galeone.
Wieder fiel in der heranschwimmenden Jolle ein Schuß, und diesmal glaubte Andai die Kugel haarscharf über seinen Kopf hinwegpfeifen zu hören.
Er hatte die Verriegelung der Stückpforte gelöst. Numil zog sie vermittels des dazugehörigen Tampens auf, und sie konnten jetzt durch die Öffnung genau auf die Jolle mit den vier Seeräubern blicken.
Hauula und Moho mühten sich damit ab, das Rohr der Kanone zu senken und sie in Feuerstellung zu bringen. Sie schafften es aber erst, als auch Andai und Numil mit zupackten.
Die Mündung des schweren 17-Pfünders richtete sich durch den Lukensüll auf die Jolle der Piraten.
Andai und seine Freunde taten dies alles zum erstenmal in ihrem Leben, aber sie wußten in etwa, wie sie mit der Culverine umzugehen hatten, denn Thomas Federmann hatte es ihnen zumindest theoretisch beigebracht. Der Erfolg, den sie mit den Handfeuerwaffen im Kampf gegen die Piraten zu verzeichnen gehabt hatten, bestärkte sie in ihrem Unternehmen.
Ehe die Jolle sich noch näher an den Segler heranschieben konnte, hatte Andai die Lunte in der glühenden Holzkohle entfacht und senkte den Stock auf das Bodenstück der Culverine. Hauula, Moho und Numil wichen zu den Seiten fort und hielten die Hände gegen die Ohren.
Andai sah, wie die Glut von der Lunte auf das Pulver im Zündkanal des Bodenstückes übersprang, und hörte es vernehmlich knistern. Dann rückte auch er aus der unmittelbaren Nähe des Geschützes fort – keinen Augenblick zu spät.
Das Wummern der Explosion war ohrenbetäubend, Andai schützte seinen Kopf mit den Händen, weil er glaubte, die Culverine würde ihnen nun um die Ohren fliegen. Hauula stieß einen Schreckensschrei aus. Numil verlor vor lauter Aufregung das Gleichgewicht und stürzte auf die Planken.
Der 17-Pfünder raste auf seiner Lafette zurück und spuckte Feuer und Eisen aus. Das Deck erbebte und schien zerspringen zu wollen. Es mutete wie ein Wunder an, daß die Planken diesem höllischen Rumpeln und Zittern doch standhielten. Die Brook stoppte den Rückstoß. Plötzlich stand das Geschütz still.
Im Heulen der 17-Pfünder-Kugel war das Brüllen der Piraten in der Jolle zu vernehmen. Grand Duc und seine drei Begleiter schrien in Todesangst.