Читать книгу Seewölfe Paket 10 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 35
9.
ОглавлениеDie Lagerfeuer am Strand der Lagune waren jetzt ganz heruntergebrannt, nur die Holzkohlenglut schimmerte rötlich und wurde, wenn sie zu erlöschen drohte, immer wieder von dem Südostwind neu entfacht.
Masot schritt vor seinen Männern auf und ab, blickte immer wieder zur „Saint Vincent“ hinüber und wartete darauf, daß Grand Duc ihm signalisierte. Aber weder die große Hecklaterne noch eine andere Lampe leuchtete an Bord der Dreimast-Galeone auf. Die Erfolgsmeldung blieb aus.
„Da stimmt was nicht“, sagte Masot mit mühsam verhaltenem Zorn. „Sie haben mit den vorderen Serpentinen gefeuert, das heißt, daß die Kanaken irgendwie von Bord gegangen und davongeschwommen sind. Hölle, stehen die denn mit dem Teufel im Bund?“
„Masot.“ Ein untersetzter Kerl zu seiner Linken wies auf das Schiff. „Sie haben die Jolle geborgen, und jetzt pullen sie zu uns herüber, scheint mir.“
„Das wird aber auch Zeit.“ Der Schwarzbart war kurz stehengeblieben, nahm seine Wanderung jetzt aber wieder auf. „Und Vignoc? Wo steckt bloß Vignoc? Verdammt, ich habe ihn doch zur Lichtung geschickt, damit er nachsieht, warum dort geschossen worden ist. Was haben Saint Cyr und Gugnot bloß angestellt?“
Er warf seinen Kumpanen wilde, herausfordernde Blicke zu, aber sie wußten auf seine Fragen auch keine Antworten. Sie konnten nur betreten zu Boden blicken und darauf hoffen, daß er seine unbändige Wut nicht an ihnen, sondern an denen ausließ, die jetzt mit der Jolle auf sie zupullten.
„Holt Vignoc, diesen hirnverbrannten Idioten!“ brüllte Masot sie an. „Stellt fest, was für eine Schweinerei dort oben passiert ist! Wenn Saint Cyr und Gugnot den Deutschen niedergeschossen haben, können sie was erleben! Noch muß der Hund am Leben bleiben, denn ich will den Schatz, verflucht noch mal!“
Zwei Piraten wandten sich ab und rannten los. Sie überquerten den Strand und waren kurz darauf im Inseldickicht verschwunden.
Masot und die anderen Freibeuter blickten ihnen nach, fuhren dann aber zur Lagune herum, denn in der Jolle war ein Schuß gefallen.
Masot sah eine weißliche Qualmwolke von dem Beiboot hochpuffen und Grand Ducs große Gestalt, die sich von der achteren Ducht aufgerichtet hatte. Er konnte auch beobachten, wie die Gestalt eines anderen Mannes langsam über das rechte Dollbord nach außen sank, das Übergewicht erlangte und in den Fluten verschwand. Die Jolle schwankte ein wenig.
Grand Duc glich die Bewegungen durch Beinarbeit aus, hantierte mit seinen beiden Pistolen herum und rief so laut, daß es auch am Strand klar zu verstehen war: „Hat noch jemand Lust, sich mit mir anzulegen? Wer will die nächste Kugel in den Kopf haben?“
Masot ballte die Hände zu Fäusten und stöhnte in ohnmächtigem Zorn auf. Er war am Ende seiner Selbstbeherrschung und wußte, daß er jeden Augenblick zu toben beginnen würde.
Wenig später landete die Jolle.
Masot und seine Leute wateten ein Stück durch die Brandung und empfingen die vier Männer. Grand Duc kletterte als erster aus dem Boot und rief: „Die Wilden sind uns entwischt, und sie haben die vier Mann von der Wachablösung umgebracht. Das alles haben wir nur diesen Hunden hier zu verdanken!“
Er wollte in seinem Lagebericht fortfahren, aber Masot stieß einen Wutschrei aus und warf sich auf die drei Männer in der Jolle. Er sprang zu ihnen in das schwankende Fahrzeug und schlug wie ein Wahnsinniger um sich, ehe sie sich auch nur ansatzweise wehren konnten.
Zegú, der König von Hawaii, beobachtete dieses Geschehen von seinem hängenden Gitterverlies aus. „Die Bestien zerreißen sich untereinander“, murmelte er. „So ist es recht. Pele straft alle, die sich an ihren Kindern vergreifen. Feuerspeiende Göttin von Hawaii – steh meinen Leuten bei! Und hilf auch Thomas Federmann, daß er diesen Teufeln entkommt!“
Die Hauptinsel des Atolls schloß sich von Osten her wie eine Klaue um die große Lagune, und die Greifzangen dieses Gebildes bestanden im Norden und im Süden aus langgestreckten, faserigen Landzungen.
Am Südufer der unteren Landzunge war fast zur selben Zeit auch eine Jolle gelandet, aber davon ahnten Masot und seine Meute nichts. Vorsichtig hatte der schwarzhaarige Bootsführer die Jolle auf die Küste zumanövriert, in der ständigen Befürchtung, mit Untiefen zu kollidieren.
Jetzt aber lag das Boot sicher und unbeschädigt auf dem Strand, und die Brandungswellen umspülten rauschend seinen Rumpf. Der Wind aus Südosten hatte erheblich nachgelassen, umfächelte jetzt fast nur noch die Gestalten der neun Männer und der schwarzhaarigen Frau mit den dunklen Leinenhosen und der roten Bluse.
Der Trupp lief auf das Dickicht zu und tauchte darin unter.
Hasard hatte die Spitze übernommen, gleich hinter ihm folgte Siri-Tong. Ed Carberry, Ferris Tucker, Smoky und Dan O’Flynn schlossen sich an, und hinter ihnen waren Batuti, Sam Roskill, Matt Davies und Jeff Bowie.
Die „Isabella VIII.“ hatte das Westkap der Insel gerundet und war dann mit drei Kreuzschlägen bis dicht vor das südliche Ufer gesegelt. Jetzt hatte sie längst wieder gewendet, lief vor dem Wind nach Nordwesten ab und schickte sich unter Ben Brightons Kommando an, jenseits des Kaps auf Nordost-Kurs zu gehen. Andai, Moho und Numil fungierten als Lotsen, so gut sie konnten. Ben und der Rest der Besatzung sollten durch die Passage, die auch Masot benutzt hatte, um sein Ankergewässer zu erreichen, ganz behutsam in die Lagune lavieren.
Hasard hatte aus seiner privaten Waffensammlung einen scharfgeschiffenen Cutlass mitgenommen, mit dem er sich jetzt einen Weg durch das Dickicht säbelte. Er hatte sich außerdem den Radschloß-Drehling über die linke Schulter gehängt, eine gewehrartige Waffe mit einem sechsschüssigen Cylinder, die sie seinerzeit von den Ladronen mitgebracht hatten.
Die zweite „Wunderwaffe“ von den Diebes-Inseln war der Schnapphahn-Revolverstutzen, den man wechselweise mit einer sechs- oder achtschüssigen Trommel benutzen konnte. Siri-Tong trug den Stutzen bei sich, und sie hatte die Achtkammer-Trommel eingesetzt, um so viele Schüsse wie möglich zur Verfügung zu haben.
Der Profos, Ferris Tucker, Smoky und die fünf anderen hatten sich sowohl mit Pistolen als auch mit kurzläufigen Tromblons, Entermessern und Säbeln ausgestattet. Der schwarze Herkules aus Gambia hatte wie üblich Pfeil und Bogen mitgenommen. Ferris Tucker hatte sich vier prall gefüllte Flaschenbomben in die Jackentaschen gestopft – für alle Fälle. Kurzum, der Stoßtrupp der „Isabella“ war im wahrsten Sinne des Wortes bis an die Zähne bewaffnet.
Hasard plante, in nördlicher Richtung zu wandern und so auf den Strand der Lagune zu stoßen, wo Masots Leute ihre Lagerfeuer entfacht hatten. Es sollte ein Überraschungsangriff werden, kurz, hart, kompromißlos, mit dem Ziel, Zegú und Thomas Federmann herauszuhauen.
Masot mußte inzwischen wohl begriffen haben, daß es ein ausgesprochener Fehler gewesen war, das Lager am Strand einzurichten. Er hätte seine Bande lieber vollzählig an Bord der „Saint Vincent“ belassen sollen, dann wäre den zwanzig Geiseln die Flucht garantiert nicht geglückt.
Ehe Masot veranlassen konnte, daß seine Mannschaft auf die Galeone übersetzte, wollte Hasard seinen Überfall durchgeführt haben.
Ben Brighton sollte zur selben Zeit seinen Beitrag zu dem Unternehmen leisten – es hing viel davon ab, daß er die Passage fand und sich an die „Saint Vincent“ herantasten konnte.
Hasard hatte seine Gruppe ungefähr vierhundert bis fünfhundert Yards tief in den Inseldschungel geführt, da vernahm er plötzlich einen Laut schräg vor sich und blieb abrupt stehen. Durch eine Geste bedeutete er seinen Gefährten, sich gleichfalls still zu verhalten.
Er hatte sich nicht getäuscht – nah vor ihnen raschelte es im dichten Unterholz, und jemand schien mit einemmal in Todesangst zu keuchen. Der Seewolf konnte in der Finsternis nicht die geringste Kleinigkeit vor sich erkennen, im übrigen hätten auch die schweren, Feuchtigkeit ausschwitzenden Blätter des Gestrüpps seine Sicht behindert, aber er war sicher, daß dort vorn ein Kampf stattfand.
Geduckt arbeitete er sich weiter vor, verzichtete jetzt aber darauf, den Cutlass zu benutzen. Er wollte keine unnötigen Geräusche hervorrufen, kroch nur noch flach auf dem modrig riechenden Untergrund entlang und teilte mit den Händen die Zweige und Blätter.
Dann hatte er den Platz erreicht, an dem der Kampf stattfand.
Ein hagerer Mann mit nacktem Oberkörper lag auf dem Rücken, und über ihm kniete ein zweiter Mann in Siegerpose, soviel konnte der Seewolf in der Dunkelheit gerade erkennen. Als nächstes hatte er den Eindruck, daß der unten liegende, schwer atmende, total erschöpft wirkende Mann Thomas Federmann, der Deutsche, war, und er brauchte keine wertvolle Zeit mehr zu vergeuden, um sich endgültig Gewißheit darüber zu verschaffen.
„Fahr zur Hölle“, sagte der Besiegte nämlich – auf deutsch.
Ein dritter Kerl trat soeben hinzu. Er hielt eine Muskete in den Fäusten. Ihrer abenteuerlichen Kostümierung nach konnten die beiden Bezwinger des Deutschen nur Freibeuter sein. Die Situation war klar genug – Thomas war seinen Wächtern entflohen, aber jetzt hatten sie ihn wieder gefaßt.
Hasard schwang hoch, hechtete mit einem panthergleichen Satz auf den über Thomas Knienden zu und riß ihn mit sich von dem Deutschen fort.
Der andere Pirat wollte eingreifen, aber Siri-Tong, Carberry und Ferris Tukker sprangen wie die Teufel aus dem Dickicht und warfen sich gegen ihn, ehe er schießen oder schreien oder seinen Säbel zücken konnte.
Hasard wälzte sich mit dem ersten Kerl auf dem Boden. Es war Saint Cyr, mit dem er kämpfte, aber das sollte er erst später erfahren. Saint Cyr entwikkelte beachtliche Kräfte und brachte den Seewolf für einige Augenblicke in Schwierigkeiten, aber dann hatte Hasard zumindest seinen rechten Arm so weit frei, daß er dem Kerl die Faust unter die Kinnlade rammen konnte.
Siri-Tong hatte Gugnot, dem anderen Widersacher, beachtlich schnell die Muskete entrissen. Carberry wollte den Franzosen mit einem Hieb fällen, aber Ferris Tucker kam ihm zuvor. Seine Fingerknöchel massierten die Schläfe des Freibeuters, und dieser sank mit einem tiefen Seufzer zu Boden.
„Fesselt und knebelt die Burschen“, zischte der Seewolf. „Wir nehmen sie ein Stück mit. Wir können sie hier nicht einfach liegen lassen. Immerhin könnten sie sich befreien und uns dann verraten.“
Thomas Federmann hatte sich halb aufgerichtet. Er stützte sich auf seine Arme und stammelte: „Das – das geht nicht mehr mit rechten Dingen zu. Ich glaube, ich sehe doch Gespenster. Philip Hasard Killigrew, Siri-Tong, Carberry, Tucker – mein Gott, wie schrecklich ist doch der Wahnsinn.“
Smoky, Dan, Batuti, Sam, Matt und Jeff traten jetzt auch aus dem dichten Gebüsch hervor, und Hasards Decksältester wandte sich grinsend an den Deutschen. „Paß mal gut auf, was ich dir sage, mein Freund. Ich will auf der Stelle tot umkippen, wenn wir Geister oder so was Ähnliches sind. Unser Profos sieht zwar aus wie ein Monstrum aus dem Jenseits, aber das sollte dich nicht stören.“
„Wie war das?“ fragte Carberry.
„Ruhe“, raunte der Seewolf ihnen zu. „Himmel, es könnten noch mehr von diesen Kerlen im Dickicht stekken.“
„Ja, das halte ich auch für möglich, Hasard“, sagte Thomas Federmann. „Die beiden hier haben auf mich geschossen, und Masot hat daraufhin bestimmt jemanden losgeschickt, der nachsehen soll, was los ist.“
„Aha, er ist aufgewacht“, sagte Matt Davies.
„Den Rest kannst du uns später erzählen“, flüsterte Hasard dem Deutschen zu. „Mehr brauchen wir vorläufig nicht zu wissen. Kannst du dich auf den Beinen halten?“
„Ja. Jetzt sogar wieder sehr gut“, versetzte Thomas grimmig. „Aber wie seid ihr …“
„Später“, unterbrach ihn der Seewolf. „Zeig uns jetzt lieber, wie wir am schnellsten zum Strand der Lagune gelangen. Dan, gib Thomas deine Pistole und dein Messer, damit er nicht unbewaffnet ist.“
Dan befolgte den Befehl. Thomas Federmann nahm mit dankbarem Lächeln die Waffen entgegen, hob dann auch noch Gugnots Muskete auf und trat zu Hasard und zu Siri-Tong.
Batuti, Sam Roskill, Smoky und Dan O’Flynn hoben die reglosen Piraten Saint Cyr und Gugnot aus dem Dickicht auf. Hasard hatte sich wieder an den Kopf seines Trupps gebracht, blickte sich kurz um und fragte: „Alles in Ordnung da hinten?“
„Ja, Sir“, raunten die Männer.
„Dann los“, sagte er.