Читать книгу Seewölfe Paket 10 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 41

4.

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Don Alfredo blickte in den blauen Himmel, dann kehrte sein Blick zurück und wanderte wieder über Deck.

Die beiden Schiffe befanden sich noch eine gute Kabellänge entfernt, aber sie kamen sich kaum noch näher. Jedes der beiden dümpelte leicht in der kaum spürbaren Dünung.

Die Seewölfe gingen ihrer Arbeit nach. Ab und zu erfolgte ein Befehl in perfekt spanischer Sprache, und so wurde Don Alfredo in Sicherheit gelullt.

„Ich werde Ihnen das gleich erklären“, sagte der Spanier. „Zuvor aber eine Frage: Was gibt es an Neuigkeiten?“

Hasard zuckte bedauernd mit den Schultern.

„Wir sind schon sehr lange unterwegs“, sagte er. „Wir haben Pech gehabt und mußten unser Schiff lange Zeit auflegen, um es zu reparieren. Wir trafen nur einmal einen Landsmann in dieser langen Zeit. Wir wissen nicht einmal, zu unserem allergrößten Bedauern, wie es seiner Allerkatholischsten Majestät geht.“

„Dann haben Sie nichts von der Armada gehört?“ fragte Don Alfredo verwundert. „Nichts von der traurigen Niederlage, an der nur der Sturm schuld war?“

„Armada? Nein“, erwiderte der Seewolf.

„Wir selbst waren leider nicht dabei, ich erfuhr es erst in Habana von anderen.“

Er erzählte von der Schlacht, die für Spanien so schmählich geendet hatte, von der Niederlage Medina Sidonias, von Drake und einem gewissen Seewolf, der entscheidenden Anteil an dieser Schlacht gehabt hätte.

Er sah nicht die maskenhaft starren Gesichter der Seewölfe, die sich halbtot lachten über die Ahnungslosigkeit dieses Trottels, der sich genau auf dem Schiff befand, das der unbesieglichen Armada so schwere Verluste zugefügt hatte. Und er ahnte nichts von dem schwarzhaarigen Mann, der ihm lässig gegenüberstand, seinen Worten lauschte und sich nur mühsam das Lachen verbiß.

Den Seewolf schüttelte es richtig, aber Don Alfredo nahm dieses kaum spürbare Zucken für innere Anteilnahme, denn durch die erlittene Niederlage war natürlich jeder Spanier in seinem Stolz und seiner Ehre tief getroffen und gedemütigt. Das mußte diesem Senor Moreno ja hart zusetzen und an die Nieren gehen.

Er log noch ein bißchen hinzu, sprach von dem heldenhaften Beispiel der Spanier und einer sagenhaften Übermacht. Vielleicht wußte er es aber auch nicht besser, oder man hatte es ihm so erzählt, und nun gab er es mit eigenen Ausschmükkungen weiter.

Anschließend gab der Seewolf sich zerknirscht und todtraurig.

„Über eigene Niederlagen spricht man nicht gern“, sagte Don Alfredo abschließend. „Aber ich bin sicher, daß wir diese Schmach eines Tages tilgen werden und es uns zumindest gelingt, diesen Lobo del Mar zu fangen. Sollte mir das je glücken, dann wird er solange an meiner Rahnock hängen, bis ich wieder in der Heimat bin. Er wird so lange hängen, bis er von selbst abfällt.“

„Sie sprechen mir aus der Seele, Don Alfredo. Auch wir haben schon von ihm gehört, der immer wieder in unsere Reihen einbricht wie ein Wolf in eine Herde unwissender Schafe.“

„Erfrecht sich dieser Halunke, sein Schiff ‚Isabella‘ zu bennen“, empörte sich der Capitano. „Ein Engländer, der den Namen unserer damaligen Königin mißbraucht.“

„Obwohl dieses Recht nur uns zusteht“, pflichtete Hasard ihm bei. „Aber so sind diese englischen Marodeure. Vor nichts und niemandem haben sie Respekt. Wir tragen diesen Namen zur Ehre, und darauf sind wir stolz.“

Don Alfredo nickte bestätigend, er war immer noch empört.

Er sah nicht die Seewölfe, die fast in die Planken krochen und sich fürstlich amüsierten.

Dieser Don Alfredo hat größere Scheuklappen vor den Augen als ein Gaul, dachte Carberry. Aber das war eben das Motto des Seewolfes: Frechheit siegt! Und darauf fiel dieser Don ebenso herein wie schon etliche andere vor ihm auch.

„Lassen wir das unliebsame Thema“, sagte der Capitano. „Wenn ich den Namen dieses Kerls höre, läuft mir die Galle über. Ich hoffe nur, daß ich eines Tages entweder ihm selbst oder diesem dreimal verdammten Drake gegenüberstehe.“

„Sie wollten mir etwas über Ihren Einsatz erzählen“, erinnerte Hasard den Spanier.

„Richtig! Die spanische Krone will Kolonien gründen, noch bevor sich Franzosen, Portugiesen oder Engländer hier festsetzen. Hier wurde die Brotfrucht entdeckt, ein Gewächs, das mehr Probleme löst, als es zunächst den Anschein hat. Diese Inseln hier sind Paradiese, die Insulaner gutgläubig und dumm, einfältig wie Kinder und natürlich Heiden. Sie zum christlichen Glauben zu bekehren, ist nur eine unserer Aufgaben.“

Hasard nickte. Er kannte diese Art von Bekehrungen. In Südamerika hatten die Spanier so viele Eingeborene bekehrt, daß ganze Stämme restlos ausgerottet waren. Aber er nahm sich vor, ihnen diese Bekehrungen gründlich zu versalzen, jedenfalls so gründlich, wie es in seiner Macht stand.

„Und was ist die Brotfrucht?“ fragte er neugierig.

„Sie löst teilweise unsere Verpflegungsprobleme auf See“, erzählte Don Alfredo bereitwillig. „Hier auf den Polynesischen Inseln bildet sie die Hauptnahrung, aber sie wächst nur auf einigen wenigen dieser Inseln.“

„Ich verstehe immer noch nicht recht“, sagte Hasard, obwohl er schon ahnte, was die Dons ungefähr planten.

„Ganz einfach“, sagte Don Alfredo lächelnd. „Wir werden die Brotfrucht auch auf den Inseln anpflanzen, die bereits in unserem Besitz sind, auf denen sie aber bisher nicht anzutreffen war. Wir nehmen sie den Insulanern weg und pflanzen sie woanders an.“

„Aber es ist doch ihre Hauptnahrung“, wandte der Seewolf ein.

Don Alfredo winkte geringschätzig ab.

„Diese paar Insulaner sind nicht so wichtig“, sagte er laut. „Es geht doch um uns, vordringlich um uns. Wenn es schon überall an Gold und Silber fehlt, werden wir unseren Machtbereich eben auf andere Gebiete ausdehnen. Unsere Leute auf den anderen Inseln müssen verpflegt werden. Was bietet sich da an? Die Brotfrucht natürlich! Ah, ich sehe, Sie kennen diese Pflanze nicht. Nun, Capitan Moreno, das ist ganz einfach, und sie wurde durch uns nur per Zufall entdeckt. Es gab aber ein paar helle Köpfe, die den ungeheuren Wert sofort erkannten. Die Brotfrucht ist ein Baum mit etwa kopfgroßen Früchten. Bevor sie reift, wird sie in Scheiben geschnitten und geröstet. Die Insulaner rösten sie auf heißen Steinen. Ihr Holz findet Verwendung zum Boots- und Hausbau. Ihr Same von Kastaniengröße ist ebenfalls eßbar. Das Wichtigste an dieser Frucht aber ist die lange Haltbarkeit. Außerdem schmeckt sie vorzüglich. Wir können also künftig auf Zwieback mit Maden verzichten, von dem die Leute ohnehin nur krank werden. Verstehen Sie jetzt die Bedeutung dieser Frucht? Sie ist unersetzbar. Es wird auf den langen Reisen nie wieder Probleme mit dem Hunger geben.“

Hasard nickte. So nach und nach ging ihm die Bedeutung dieser Frucht auf, obwohl er sie noch nicht kannte.

„Das heißt also“, sagte er und gab sich betont gleichgültig, „wir nehmen sie den Insulanern einfach weg, falls sie sie nicht freiwillig herausrücken.“

Don Alfredo schlug ihm gönnerhaft auf die rechte Schulter.

„Genauso ist es, mein Lieber. Natürlich verhandeln wir erst mit dem Papalatschi1) der Form halber, aber diese Insulaner hocken auf ihrer Brotfrucht ja wie die Glucke auf den Eiern. Deshalb wird er sie auch nicht herausrücken. Wie geht es weiter?“

„Wir werden diese Inseln befrieden“, sagte Hasard. „Die Seesoldaten an Land schicken und die Früchte holen. Ob den Insulanern das nun paßt oder nicht, das kann uns egal sein.“

„Sehr richtig, sehr richtig“, lobte Don Alfredo den Seewolf. „Was wollen diese Burschen denn gegen ein bewaffnetes Schiff und tausend Seesoldaten unternehmen? Wir jagen sie in die Berge und stecken ihre Hütten in Brand. Sie werden sehr schnell gefügig sein.“

Dem Seewolf sah man nicht an, was er dachte. Er kochte innerlich vor Wut und Empörung, aber er gab sich weiterhin verbindlich und war Don Alfredo für den Hinweis sogar dankbar.

„Da verspreche ich Ihnen, kräftig mitzumischen, Don Alfredo“, sagte er eifrig.

„Ich danke Ihnen!“

„Oh, bedanken Sie sich erst später“, sagte Hasard doppelsinnig. „Dann wird die Freude um so größer sein. Das verspreche ich Ihnen, und ich gebe Ihnen sogar mein Wort darauf!“

Don Alfredo schenkte dem Seewolf einen wohlwollenden Blick. Ja, dachte er, dieser Handelskaptiän war ein Kerl, ein ganzer Kerl, der würde kräftig mitmischen, das sah man ihm an. Zum Glück konnte er Hasards Gedanken nicht lesen.

Denn der Seewolf dachte: Das ist ein Scheißer, dieser Don Alfredo, ein Kerl, dem er die Haut in Streifen von seinem Affenarsch ziehen würde. Dann konnte er sich bei ihm bedanken und die spanische Krone ebenfalls, einschließlich seiner Allerkatholischsten Majestät.

Was die Spanier hier vorhatten, war nicht mehr gemein, es war unmenschlich. Es war das gleiche, als würde man den Europäern das Getreide wegnehmen, damit sie kein Brot mehr backen konnten.

Don Alfredo sah zu der „Patria“ hinüber und nickte.

„Wir werden uns auf der Insel wiedersehen, mein Lieber. Und dann rechne ich mit Ihrer Hilfe, falls die anderen Schiffe noch nicht eingetroffen sind. Wir laufen vorher jedoch noch eine der anderen Inseln an, um uns dort umzusehen. Jetzt verstehen Sie sicher, warum ich Laderaum brauche, und den werden Sie mir ja nun gewiß nicht verweigern. Es ist Ihre moralische Pflicht, Capitan.“

„Ich werde mich an meine moralische Pflicht stündlich erinnern“, versprach Hasard. „Wie lange wird es dauern, bis Sie in Tahiti sind, Don Alfredo?“

„Etwa vier bis fünf Tage. Vermutlich treffen Sie dort auf die ‚Kap Hoorn‘, die das gleiche Ziel hat. Vielleicht ist sie schon eingetroffen.“

Das war nun wieder etwas, was dem Seewolf ganz und gar nicht gefiel, aber es ließ sich nicht ändern. Also würden sie so schnell, wie es nur ging, Tahiti anlaufen, um zu retten, was noch zu retten war.

„Bestellen Sie Capitano Sinona einen herzlichen Gruß von mir, falls er schon dort ist!“

„Das werde ich mit Freuden tun, Don Alfredo“, versprach der Seewolf.

Damit war eigentlich für Don Alfredo alles gesagt. Er hatte einen Landsmann getroffen und war froh darüber, denn er konnte jede Art von Unterstützung brauchen.

Jetzt hatte er sogar die vermeintliche Unterstützung eines Mannes, der Spanien durch die Armada in eine Katastrophe geführt hatte, und dafür bedankte sich dieser Kerl auch noch, dachte Hasard.

Sie dienerten und lobten ihn von Bord, wünschten ihm höhnisch Hals- und Beinbruch, Schot- und Mastbruch und was der Dinge mehr waren.

Dann stieg Don Alfredo über die Jakobsleiter, fluchte über seinen Degen, der ihm ständig zwischen die Beine geriet, und stieg ins Boot.

Er winkte hoheitsvoll mit der Hand zurück und freute sich über die grinsenden Gesichter am Schanzkleid.

„Richtig glücklich sieht er aus, dieser Affenarsch“, sagte Carberry, dem kaum ein Wort des Gespräches entgangen war wie vielen anderen auch.

Sie winkten Don Alfredo nach und grinsten noch stärker.

„Dem werden wir den Affenarsch mit Brennesseln pudern“, versprach der Profos grimmig. „Solche Bastarde kotzen mich an, sie kotzen jeden ehrlichen Kerl an.“

„Du sprichst mir aus der Seele, Ed“, sagte der Seewolf. „Laß jeden Fetzen Tuch setzen, über alles andere unterhalten wir uns später.“

„Aye, aye, Sir!“ brüllte Ed.

Etwas später nahm die „Isabella“ Fahrt auf, und auch auf der „Patria“ wurden wieder die Segel gesetzt. Sie änderte noch einmal leicht den Kurs und segelte weiter. Die Entfernung wurde größer.

Hasard schritt auf dem Achterkastell der „Isabella“ auf und ab.

Ben Brighton lehnte an der Balustrade und blickte der entschwindenden „Patria“ nach.

„Brotfrucht“, murmelte der Seewolf erbittert. „Darum geht es diesen Lausekerlen. Das ist für sie ein Grund, bedenkenlos die Insulaner zum Teufel zu jagen. Aber die Brotfrucht werden wir. ihnen vermiesen, so gut wir können. Ich bin froh, daß wir diesem Spanier begegnet sind und Don Alfredo sich eher onkelhaft als militärisch gab. Ben, du sorgst dafür, daß unsere Kerls, die blonde Borsten auf dem Schädel haben, schwarzhaarig gefärbt werden. Sonst sind wir unglaubwürdig, wenn wir die ‚Isabella‘ mit so wenigen Leuten segeln. Der Kutscher soll gleich beginnen, damit wir später alle vorzeigen können.“

„Gut, Sir, ich werde das sofort veranlassen“, sagte Ben. „Wir dürfen um keinen Preis auffallen, denn Erfolg haben wir nur, wenn wir auch weiterhin ihr uneingeschränktes Vertrauen haben.“

Es dauerte nicht lange, bis auf der „Isabella“ wieder ein Zeremoniell begann, das von vielen gefürchtet, von den anderen, die nicht davon betroffen waren, grinsend kommentiert wurde.

Der Kutscher trat in Aktion und rührte seinen Papp an, der so fürchterlich stank, daß sie das Grausen kriegten.

Es wurde gelästert und gelacht, gewitzelt und gespottet, aber alle sahen ein, daß diese Maßnahme unumgänglich war, denn der Zweck heiligte die Mittel, wie ein Sprichwort sagte.

Von dieser Stunde an wurde der Ausguck doppelt besetzt, und die „Isabella“ trug jeden Fetzen Tuch an ihren überlangen Masten.

Sie brannten darauf, Tahiti zu erreichen.

Seewölfe Paket 10

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