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10.

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Ben Brighton holte tief Luft und versuchte, nicht daran zu denken, was geschah, wenn sie auf ein Korallenriff liefen. Es wollte ihm nicht gelingen.

Gary Andrews lag vorn auf der Galionsplattform und lotete die Wassertiefe aus, aber das nutzte eigentlich herzlich wenig, denn wenn sich plötzlich eine Untiefe ankündigte, dann war es schon zu spät, um durch ein Manöver noch rechtzeitig ausweichen zu können. So ein Atoll war in seiner Struktur unberechenbar und äußerst trügerisch.

Ben Brighton stand auf der Back. Shane, Old O’Flynn und Al Conroy befanden sich in seiner unmittelbaren Nähe, und die Polynesier Andai, Moho und Numil hatten sich vorn über die Balustrade gebeugt, um nach allen Seiten Ausschau halten zu können und die „Isabella VIII.“ nach bestem Wissen und Vermögen durch die Passage zu schleusen.

Keiner sprach ein Wort.

Der Südostwind drückte die mit östlichem Kurs in die Lagune laufende Galeone immer weiter nach Norden hinauf. Ben mußte Überstag gehen und kreuzen, wenn er nicht ganz aus dem Kurs geraten wollte, aber er fragte sich verbissen, ob er überhaupt den Platz hatte, um auf den anderen Bug drehen zu können.

Gary Andrews stieß plötzlich einen verhaltenen Laut aus. Ben wußte nicht, ob es eine Warnung oder eine Erfolgsmeldung sein sollte, aber dann drehte sich Andai lächelnd um und bedeutete ihm durch eine Gebärde, daß sie es geschafft hatten. Tieferes Wasser war erreicht, die Passage lag hinter ihnen.

„Wir gehen auf Steuerbordbug und fahren einen Kreuzschlag nach Süden“, raunte Ben seinen Kameraden zu. „Al, gib das bitte nach achtern weiter.“

Al Conroy stieg zur Kuhl hinunter, um den Befehl weiterzuleiten.

Fast lautlos glitt die „Isabella“ durch die Lagune.

Picou und seine beiden Begleiter marschierten auf der Kuhl der „Saint Vincent“ auf und ab, stiegen hin und wieder auf die Back und auf das Achterdeck und hielten die Augen nach allen Himmelsrichtungen offen, damit ihnen nicht ein ähnlicher Fehler unterlief wie den Kumpanen, die inzwischen von Masot geohrfeigt und niedergeschlagen worden waren.

Picou überlegte sich, daß er durch sein tapferes und loyales Verhalten bestimmt in Grand Ducs Gunst gestiegen war. Der Riese würde dies Masot gegenüber gewiß nicht verschweigen, und das wiederum bedeutete, daß Picou sich einige Chancen ausrechnen durfte, bei der anteilmäßigen Vergabe der Schatzbeute besser als die anderen abzuschneiden. Picou malte sich dies in den schönsten Farben aus und sagte sich im stillen auch, daß es gut war, wenn die Besatzung der „Saint Vincent“ ein wenig schrumpfte. Fünf Mann hatten heute nacht schon das Zeitliche gesegnet – und vielleicht würden die drei übrigen Ankerwachen von Masot höchstpersönlich wegen ihres Versagens hingerichtet werden. Das waren dann acht Kerle weniger. Acht unnütze Parasiten, mit denen man nicht mehr zu teilen brauchte.

Am Strand entstand plötzlich Bewegung.

Picou fuhr herum.

„Ein Angriff!“ riefen seine beiden Kumpane noch. Und dann ging es auch schon los: Zwei Explosionsfeuer stachen zwischen den Palmen himmelan, Donnerschläge rasten über den Strand. Masot, Grand Duc und all die anderen Kerle bei der Jolle schrien auf, zückten ihre Waffen und setzten sich gegen den unbekannten Gegner zur Wehr, der da aus dem Dickicht heraus zu agieren schien.

Die Piraten saßen in der Falle.

Ihr Gebrüll hallte zur Galeone herüber, und Picou und seine beiden Kumpane stürzten entsetzt an das Steuerbordschanzkleid der Kuhl. Alle drei versuchten sie, Genaueres zu erkennen, aber weder mit dem bloßen Auge noch durch den Kieker war etwas von dem unheimlichen Feind im Dunkel zu erspähen. Er hatte sich im Gebüsch eingenistet und schien ein Zielschießen auf die französischen Freibeuter zu veranstalten.

Und was hatte diese rätselhaften Explosionen hervorgerufen?

„Wir müssen ihnen helfen!“ schrie Picou. „Los, feuern wir die Kanonen ab!“

„Und wenn wir unsere eigenen Leute treffen?“ rief sein Kumpan zur Rechten. „Was ist dann? Wir können doch gar nicht richtig zielen!“

Picou kümmerte sich nicht um diesen Einwand. Er stürzte an das Geschütz der Steuerbordseite, das ihm am nächsten stand, wollte die Lunte mit Feuerstein und Feuerstahl entfachen, aber unvermittelt hielt er inne und wandte sich zur anderen Schiffsseite um, weil er dort eine schattenhafte Bewegung wahrgenommen hatte.

Er fuhr zusammen, verschluckte sich und begann heftig zu husten.

Ein Gigant schien sich aus den Schleiern der Nacht hervorzuschieben. Von Backbord achtern schlich er auf die „Saint Vincent“ zu, geräuschlos, unheimlich, unaufhaltsam.

Die „Isabella“ hatte sich mit einem weiteren Kreuzschlag in der Lagune auf Ostkurs gebracht, war dann abgefallen und hatte sich in einer engen Schleife genau auf das Heck der Piraten-Galeone zugeschoben. Dank der ziemlich präzisen Angaben der Männer von Hawaii hatte Ben Brighton dieses Manöver trotz der tiefen Finsternis einwandfrei durchführen können.

Jetzt war die „Isabella“ heran und schickte sich an, bei der „Saint Vincent“ längsseits zu gehen. Auf der Back standen schon die Männer zum Entern bereit, allen voran Ben Brighton, Shane und der alte O’Flynn.

„An die Serpentinen!“ brüllte Picou.

Er stürmte noch zum Achterdeck hinauf und wollte die beiden achteren Hinterlader der Galeone auf den Feind abfeuern, aber dazu kam er nicht mehr. Drohend schob sich die „Isabella“ neben den Franzosen, die Seewölfe jumpten von Bord zu Bord, gefolgt von den Insulanern – ein Menschenschwall schien sich auf das Piratenschiff zu ergießen.

Picou hatte seine Pistole Grand Duc überlassen und sich dummerweise keinen Nachschub aus der Waffenkammer des Schiffes geholt. Er merkte, daß er einen großen Fehler begangen hatte, wollte seinen Säbel zücken, sah sich auf dem Achterdeck aber plötzlich einer überragenden Zahl von Feinden gegenüber. Entschlossen rückten sie auf ihn zu.

Knirschend und schabend drückte sich die „Isabella“ noch ein Stück weiter vor, ihre Kork- und Taufender verhinderten, daß die Bordwände eingedrückt wurden.

„Streicht die Flagge!“ rief Ben Brighton Picou zu. Sein Französisch war nicht das beste, aber es reichte aus, um sich zu verständigen.

Picou ließ den Säbel fallen. Seine Kumpane auf der Kuhl sahen ebenfalls ein, daß Widerstand zwecklos war. Was konnten drei Kerle schon gegen diese Übermacht ausrichten?

Sie ließen also auch von ihren Waffen ab und hoben die Hände.

„Na also“, sagte Ben zu seinen Begleitern. „Damit hätten wir den Zweck der Übung erreicht. Hasard wollte eine heile, seetüchtige ‚Saint Vincent‘ haben – kein Wrack.“

Die beiden Höllenflaschen, die Ferris Tucker und der Profos unter den Palmen hatten hochgehen lassen, hatten nur der Ablenkung gedient. Masot, Grand Duc und die übrigen Piraten waren verwirrt, hasteten quer über den Strand auf den Ort der Detonationen zu – und genau das hatte der Seewolf gewollt. Er brach mit seinem Trupp aus dem Dickicht hervor und fiel der Piratenbande in die Flanke, ehe diese richtig reagieren konnte.

Hasard wollte ein Blutvergießen vermeiden. Im Handgemenge fielen nur wenige Schüsse, und den Radschloß-Drehling brachte er überhaupt nicht zum Einsatz. Mit einigen gezielten Fausthieben trieb er eine Bresche in die Masse von Leibern, arbeitete sich zu Masot durch und forderte diesen vor die Klinge.

Siri-Tong schlug zwei Kerle mit dem Kolben des Schnapphahnstutzens nieder, dann zückte sie ihren Degen und parierte einen wilden Entermesserhieb von Grand Duc.

Smoky, Dan, Batuti, Sam, Matt und Jeff warfen sich derweil in den Kampf gegen die übrige Meute. Thomas Federmann griff ebenfalls mit ein, so gut er konnte.

Die gefesselten und geknebelten Piraten Gugnot und Saint Cyr hatten sie im Dickicht hinter sich zurückgelassen.

Carberry und Ferris wollten unter den Palmen hervortreten und die anstürmenden Piraten zurückwerfen, da gab es einen unerwarteten Zwischenfall. Von Süden her rückten Vignoc und die beiden anderen Freibeuter an, die nach dem Verbleib von Federmann und dessen Bewachern Gugnot und Saint Cyr geforscht hatten. Sie schossen auf den Profos und den rothaarigen Schiffszimmermann, und Ferris Tucker spürte es plötzlich siedendheiß über seine Schulter brennen.

Er warf sich hin, überrollte sich und brachte die dritte Höllenflasche zum Vorschein.

„Ferris!“ schrie der Profos, der sich hinter dem Stamm einer Palme in Dekkung geworfen hatte. „Hölle, du alter Klamphauer, hat es dich etwa erwischt?“

„Nur ein Streifer“, stieß Tucker undeutlich aus. Dann hatte er die Flaschenbombe gezündet und ließ sie mit einem wilden Schlenker des linken Armes zu den anstürmenden drei Franzosen hinübersegeln.

Die Ladung ging im richtigen Moment hoch, und die Todesschreie der Angreifer gellten über den Strand bis auf die Lagune hinaus. Dies gab den Ausschlag – die meisten Piraten ergaben sich plötzlich.

Carberry sah aber, daß Grand Duc die Rote Korsarin immer noch mit dem Entermesser bedrängte. Mit einem Fluch sprang der Profos auf, war mit zwei Sätzen bei Grand Duc und hieb diesem die Faust in die Körperseite. Der Riese mit dem gelben Kopftuch ächzte und ließ seine Hiebwaffe unwillkürlich sinken. Carberry schlug noch zweimal zu, ehe Grand Duc sich richtig gegen ihn zur Wehr setzen konnte. Der Pirat sank in den Knien ein und brach auf dem weißen Sand zusammen.

„Edwin“, sagte die Rote Korsarin lächelnd. „Ich danke dir für die Unterstützung. Es stimmt eben doch – wo der Profos hinhaut, da wächst kein Gras mehr.“

„Och“, meinte Carberry. „War doch nicht der Rede wert, das …“

Plötzlich wirbelte etwas durch die Luft – es war Masots Schiffshauer. Der Seewolf stand mit leicht gespreizten Beinen auf dem Strand und hielt dem Schwarzbart die Spitze seines Cutlass gegen die Gurgel.

„Töte mich!“ schrie Masot. „Warum zögerst du noch?“

„Fesselt ihn“, sagte Hasard, ohne auf das Geschrei des Kerls zu achten.

Ferris Tucker und Carberry packten den vor Zorn bebenden Mann. Hasard ließ den Cutlass sinken, steckte ihn weg und ging zu dem leicht hin und her schwankenden Holzkäfig hinüber, um Zegú, den König von Hawaii, aus seiner schmählichen Lage zu befreien.

Die Schlacht war geschlagen.

In dieser Nacht fand keiner Schlaf. Es gab eine turbulente Wiedersehensfeier der Seewölfe und der Männer und Frauen von Hawaii.

Der Morgen kündigte sich mit strahlendem Sonnenschein an, und die See hatte sich wieder beruhigt. Zwei Schiffe verließen die Lagune und segelten an den hier und da aus dem Wasser ragenden Mastspitzen gesunkener Schiffe vorbei – die „Isabella VIII.“ und die „Saint Vincent“. Fliegende Fische waren aufgetaucht und begleiteten beide Galeonen zur Passage, als wollten sie ihnen eine gute Reise wünschen.

Masot, Grand Duc und die anderen Überlebenden von der Piratenbande blieben auf der Koralleninsel zurück. Sie würden einige Zeit brauchen, bis sie sich von ihren Fesseln befreit hatten, und auch danach würde es ihnen nicht so leichtfallen, den ungastlichen Ort zu verlassen. Hasard hatte ihnen zwar die beiden Jollen der „Saint Vincent“ gelassen, aber er hatte sie weitab vom Ufer der Lagune an verschiedenen Küsten des Eilandes versteckt.

Die „Saint Vincent“ segelte mit Thomas Federmann, Zegú, Andai, Moho, Numil, Hauula, Mara und den anderen Insulanern an Bord nach Norden davon – zurück nach Hawaii mit dem Schatz an Bord. Es hatte eine ergreifende Abschiedszene gegeben, doch nichts hatte den Seewolf davon abhalten können, seine Absichten zu verfolgen.

Er lief mit der „Isabella“ an dem nun wieder aus Osten blasenden Wind nach Süden ab. So sehr Thomas und dessen Freunde ihn auch gebeten hatten, mit ihnen nach Hawaii zurückzukehren – er wollte tiefer in die unbekannte, bisher noch unerforschte Wasserwelt vordringen, die südlich des Atolls lag, und davon konnte ihn nichts und niemand abbringen.

Nicht einmal Siri-Tong hätte es vermocht – und das wollte schon etwas heißen.

Aber sie versuchte es auch gar nicht. Sie war selbst versessen darauf, zu erfahren, was jenseits des Äquators in den Weiten des Stillen Ozeans lag …

Seewölfe Paket 10

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