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b) Die „Verzahnung“ von Unionsrecht und nationalem Recht

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Die Frage nach dem Verhältnis zwischen Unionsrecht und nationalem Recht beschränkt sich aber keineswegs auf diese Rangfrage und die Suche nach Kollisionslösungen. Unionsrecht und nationales Recht stehen sich zwar als jeweils eigenständige und getrennte Rechtsordnungen gegenüber, jedoch nicht isoliert voneinander. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass einerseits das Unionsrecht des nationalen Vollzugs bedarf (Durchführung von Verordnungen und nationalen Gesetzen, die Richtlinien umsetzen, s. Rn 480 ff; legislative Umsetzung von Richtlinien, s. Rn 487 ff), andererseits auch das Unionsrecht der zulässigen Anwendung nationalen Rechts Grenzen setzt (Kompetenzbeeinträchtigung durch Sachnormen, vgl Rn 189).

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Dieser wechselseitigen Beeinflussung und Abhängigkeit wird allein eine Sichtweise gerecht, die die „Verzahnung“ des Unionsrechts mit dem nationalen Recht in ihrer Gesamtheit erfasst. Dazu gehören aber neben der Rang- und Kollisionsfrage auch die speziellen Fragen des Zusammenwirkens beider Rechtsordnungen und der durch sie geschaffenen Organe. Hervorzuheben ist hier das Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 AEUV mit dem Vorlagerecht und der Vorlagepflicht nationaler Gerichte und deren Pflicht zur Wahrung des Unionsrechts im nationalen Vollzug (vgl Rn 700, 727).

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Neben dieser Verzahnung der Rechtsordnungen und der Organe ist auch die Verzahnung durch die gegenseitige Beeinflussung beider Rechtsordnungen zu beachten[133]. Deutlich lässt sich dies am Verwaltungsrecht aufzeigen. Die nationalen Verwaltungsrechte beeinflussen das Europäische Verwaltungsrecht zwangsläufig dadurch, dass sie Erkenntnisgrundlage der im Wege der Rechtsvergleichung gewonnenen allgemeinen Rechtsgrundsätze des Europäischen Verwaltungsrechts sind (s. Rn 814). Umgekehrt hat auch das Europäische Recht Einfluss auf das nationale Verwaltungsrecht[134] und Verwaltungsprozessrecht.

Beispiel:

Anforderungen für den gerichtlichen Rechtsschutz in Unionsrechtsfällen, die zB über das bisherige System des britischen Rechtsschutzes hinausgehen (Anfechtung von Verwaltungsakten[135]; vorläufiger Rechtsschutz[136]); Einräumung von Klagerechten an den Einzelnen durch das Unionsrecht, die über die in Deutschland herrschende Schutznormtheorie hinausgehen[137].

§ 3 Grundlagen der Europäischen Union › VII. Das Verhältnis von Unionsrecht und nationalem Recht › 2. Die Lösung des Rangverhältnisses

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