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Ich bin nie richtig in den Kindergarten gegangen. Ich wollte nicht. Dann, auf einmal, wollte ich doch, aber dann durfte ich nicht. »Du darfst nicht, weil deine Eltern nicht in der Kooperative sind.«

Für mich gab es einen Platz in einem Kindergarten in der Stadt, versicherte mir Maminka, aber ich konnte nicht den Platz eines anderen Kindes aus dem Dorf einnehmen. Alle, Plätze und Kinder, waren gezählt, und es gehörte sich nicht, dass ein Kind bei den Großeltern lebte, wo doch seine eigenen Eltern in der Stadt arbeiteten und lebten. Das leuchtete mir ein. Großmutter hatte ihr Bestes getan. »Ich habe sogar mit dem Bürgermeister gesprochen ... es geht eben nicht!«

Eines Tages jedoch, als Maminka mit den anderen Frauen der Siebten Brigade aufs Feld gehen und ich zu Hause allein bleiben sollte, nahm sie mich an die Hand, schleppte mich hinter sich her, brachte mich doch noch in den Kindergarten und sprach lange mit der Kindergärtnerin, die dauernd die Schultern hochzog und auf ihre eigene dicke Brust zeigte. Ich hockte dann unter dem Nussbaum und verfolgte das Gespräch aus der Ferne. Der ganze Kindergarten glich einem Aquarium: hinten die kleinen, bunten Fischlein, die Kinder, die dauernd den Sandkasten belagerten und die Schaukel stürmten; im Vordergrund die zwei großen Fische, Maminka und die dicke Kindergärtnerin, die stets mit der kurzen Flosse auf ihre eigene Brust zeigte. Die Fischchen musterten mich stumm aus der Ferne, als sei ich eine unbekannte Amphibie. Schließlich kam Großmutter zu mir. Sie nähert sich mit gelöstem Gesicht, sie lächelt mich an, sie zeigt mir ihre mit Silber bezogenen Seitenzähne.

»Du darfst bleiben!« Und sie gibt mir einen Henkelmann mit Gekochtem, ein Stück Brot und einen Löffel.

»Du sollst nicht weinen, Maminka«. Ich bleibe, während sie sich entfernt, und ich weiß nicht mehr, was ich mit dem Beutel anfangen soll. Ich sehe mich um und stelle ihn vorsichtig am Nussbaum ab, in eine kleine Vertiefung in der Erde, so dass die Suppe nicht auslaufen kann.

Der Kindergartenhof ist weitläufig. Kleine Sträucher teilen ihn, grenzen den Gemüsegarten ab, in dem stets eine der Kindergärtnerinnen wühlt. Eine niedrige Steinmauer trennt Kindergarten und Kirchhof. Hinter der niedrigen Steinmauer das fleißige Geräusch einer Harke: »Chrrrrsss, chrrrrsss!« Baba Popadija, die Frau des Popen, müht sich mit den Stangenbohnen ab. Im Schatten ist es kalt, aber ich traue mich nicht, die Schattengrenze zu überschreiten. Ich erkälte mich lieber, als mich den Blicken der anderen auszusetzen. Ich bleibe dort, wo ich bin, unterm dichten Dach der großen, sehnigen Blätter.

Ich kam mir überflüssig vor. Überflüssig und allein. Obwohl mich ein Junge einmal auf die Schaukel ließ – worauf ich mich sofort in ihn verliebte. Als die Kinder zum Mittagessen gerufen wurden, stellte ich mich als letzte an und glaubte, mitessen zu müssen. Ich sah durch die Tür die vielen schönen kleinen Tischchen, die Stühlchen, und fragte mich, bei wem ich wohl sitzen würde, ob vielleicht bei dem Jungen, der mich auf die Schaukel gelassen hatte? Als fast alle Kinder saßen, fragte die Kindergärtnerin, ob ich Hunger hätte, und ich bildete mir ein, sie hätten kein Essen für mich.

»Nein danke!«

Sie versprach, mich zu holen; ich aber schämte mich so sehr, dass ich zum Nussbaum zurückging, mein Gekochtes, das Brot und den Löffel herausholte und mich mit dem Henkelmann im Schoß auf die kleine Bank unter dem Nussbaum setzte. Ich tat so, als würde ich essen. In Wirklichkeit schämte ich mich zu Tode. Hoffentlich sah er mich nicht, der Junge von der Schaukel, sonst musste ich unbedingt sterben! Ich hob den leeren Löffel zum Mund hinauf, verharrte einen Augenblick lang, »chrrrrsss, chrrrrsss!«, kam es hinter der Steinmauer hervor, der Löffel tauchte ins Essen, ich wischte mir den Mundwinkel mit dem Handrücken ab, wie es Maminka nach jedem Bissen oder Kuss tat. Als ich die Kindergärtnerin kommen sah, versteckte ich meinen Henkelmann hinter dem Nussbaum.

Sie nahm mich an die Hand.

»Komm, wir haben für dich noch einen Platz gefunden.«

Ich ging erleichtert mit.

Im Speisesaal herrscht Totenstille. Ich stehe neben der Genossin Leiterin, während alle dasitzen. Dann sitze ich auch – Pechvogel, der ich bin, natürlich mit dem Rücken zum Jungen von der Schaukel, den Blick auf die dampfende Suppe gerichtet. Sie riecht zwar nicht schlecht, doch schwimmen in ihr einige Fettaugen und drei winzige Bauklötze aus geröstetem Zwieback, den ich verachte. Langsam leeren sich die Teller um mich herum, nur mein Teller ist noch voll. Die Dicke mit der Fischflosse von vorhin nähert sich.

»Hast du auch alles aufgegessen?« Und zeigt diesmal auf mich, und ich schiebe den vollen Teller von mir weg.

»Ja!«

»Heute lasse ich das durchgehen ...« Die dicke Genossin Leiterin mit der Fischflosse richtet sich auf – oh, wie laut sie ist, alle Köpfe drehen sich nach mir um – »... da es dein erster Tag hier ist«

»Ja, Genossin!« Ich werde rot bis zum Haaransatz. Ich spüre es.

»Aber ab morgen wird der Teller leergegessen! Verstanden?«

»Ja, Genossin ...« Alle Köpfe drehen sich zum Wasserpudding hin, »... ich komme, Genossin ...«, während sie mich wieder an die Hand nimmt.

Sie führt mich in den Schlafsaal. »Du darfst mit den anderen schlafen!«

Obwohl ich gar nicht müde bin.

Alles im Schlafsaal, in dem die dreißig Kinder auf ihren Betten lagen, war so sehr sauber, dass ich im ersten Augenblick glaubte, im Krankenhaus gelandet zu sein. Ich kam mir auch besonders schmuddelig vor und schämte mich, als ich mein Kleid auszog. Ob der Junge von der Schaukel ...? Ob er wohl den Tomatenfleck auf meinem Unterhemd sah? Hätte ich bloß auf Maminka gehört und gestern Abend das Hemd gewechselt! Dann lagen wir alle zwei Stunden lang ganz still, manche schliefen sogar ein, oder war ich die einzige, die vor Hunger nicht ruhen konnte? Mir schlief stattdessen der linke Arm ein, doch ich wagte nicht, mich umzudrehen. Die Genossin, die am Eingang saß und strickte, nahm jede noch so kleine Bewegung, jedes Geräusch wahr. Sobald sich eine der Decken verdächtig rührte, hob sie den Kopf vom Strickzeug und schmetterte einen furchterregenden, warnenden Blick in Richtung Übeltäter. Dieser Mittagsschlaf war so anstrengend, dass ich nie wieder auf die Idee kam, in den Kindergarten gehen zu wollen.

Ich blieb lieber zu Hause allein mit dem »anderen Zimmer«, mit dem ganzen stillen und auf mich lauernden Haus, allein mit den Gerüchen der Sommerküche und den Hühnern im Hof. Damals gab es keinen Kalten Krieg, oder ich nahm ihn noch nicht wahr. Es gab noch keine Norm zu erfüllen. Die Kamille existierte noch nicht. Sie war da, aber daraus konnte man Armbänder, Kränze und Ringe flechten. Maminka hatte mir beigebracht, wie man aus dem dünnen, zarten Stiel der Kamille eine Schlinge um den Hals der Blüte machte, sodass man beim leichten Ziehen mit der Blüte »schießen« konnte. Es gab noch nicht die Zehn Gebote des Kodex der Pionierorganisation, die später auswendig gelernt und praktiziert werden mussten. Es gab die Fremdwörter nicht, die in »Isten« endeten, wie Faschisten, Kommunisten und Kapitalisten, die später mein Bewusstsein umlagerten. Selbst die Buchstaben existierten nicht, da mir Maminka regelmäßig vorlas. Rajna Knjaginja, Rajna die Königin mit der Fahne der Aufständischen, bedeutete mir noch gar nichts. Nur wenn ich fiel und mir die Knie aufschlug und heulen wollte, hörte ich von der tapferen Soja Kosmodemjanskaja, die niemals weinte. Ich wusste noch nichts von ihren Qualen, von ihrem Märtyrertod, die Faschisten waren mir noch kein Begriff.

Ich falle hin, stehe auf, schweige, reibe das Knie, weine nicht. Fünf Jahre alt und weine nicht. »Du bist unsere tapfere Soja, nicht wahr?«, höre ich Vaters Stimme, und ich weiß, dass ich immer tapfer sein werde, komme, was wolle. Später, beim Abschied im Bus – in zwei Wochen kommen Vater und Mutter wieder zu Besuch – weine ich lauthals. Es läuft mir aus Nase und Augen, ich schäme mich, weil ich Soja Kosmodemjanskaja verraten habe.

Maminkas Sommerküche

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