Читать книгу Tausche Liebhaber gegen Luxus. - Ruth Broucq - Страница 12
Haus 60
ОглавлениеIn der neuen `H und W´ fand Ruth dienstags zwei Stellenangebote. Einmal wurde eine Empfangsdame gesucht und in der anderen Anzeige hieß der gleiche Job Türfrau. Schnell wählte sie in ihrem Handyspeicher ein annehmbares Foto von sich aus, dann sandte Ruth ihr Bewerbungsfoto mit einem kurzen Text, per MMS, an beide Handynummern.
Schon kurz darauf erhielt sie eine SMS mit der Bitte um Rückruf. Die Frauenstimme war durch starke Hintergrundgeräusche kaum zu verstehen, vermutlich war sie im Auto. Ruth verstand nur die Bitte, es später noch einmal zu versuchen.
`Und warum ruft die mich nicht zurück?´ wunderte sie sich flüchtig, wählte dann direkt die Nummer des anderen Inserates.
Schon dass sich ein Mann namens Antonio meldete, dem Akzent nach Italiener, rief bei Ruth eine leichte Abneigung hervor. Sie war der Meinung, dass Männer in diesem Metier nur als Kunden was zu suchen hatten. Männlichen Puff-Betreibern haftete schnell der Zuhälter-Touch an und mit den ganzen undurchsichtigen Osteuropäern, die sich neuerdings im deutschen Milieu betätigten, konnte sie sich so wie so nicht anfreunden. Aber leider musste sie im Sommer nach jedem Strohhalm greifen, auch wenn Ruth das sehr ungern tat.
Antonio´s Vorstellung von dem „guten Job“ als Empfangsdame, den er zu vergeben hatte, war der Witz der Saison. Er war vermutlich neu in dem Geschäft. Für seinen eben erworbenen Mini-Puff in Paderborn suchte er eine „Doofe“ die 13 Stunden täglich auf seine beiden Huren und die Kohle aufpasste. Die das Telefon bediente, die Wäsche machte, die Gäste in Empfang nahm und ganz nebenbei auch noch den Laden putzte. Und das alles für die stolze Gage von 40 Euro plus zehn Prozent vom Hausgewinn.
Ruth konnte sich ihre Empörung nicht verkneifen. Dachte der Typ sie könne nicht rechnen? Sie musste ihm einfach sagen, dass sie keine Putzfrau sei. Aber dass sie mit putzen sicher mehr verdienen könne als bei seiner zehnprozentigen Beteiligung jemals rauskommen werde. Und ein Puff ohne Putzfrau sei für sie ein „Drecksladen“, in dem sie bestimmt nicht arbeiten werde.
Ruth war noch lange nach dem Telefonat ärgerlich über diese Unverschämtheit. Das war mal wieder typisch Möchte-gerne-Zuhälter, eine speziell männliche Mentalität, ohne Arbeit viel Kohle verdienen, aber für Personal nichts bezahlen wollen. So nötig hatte sie es auch wieder nicht.
Nachdem sie sich wieder abgeregt hatte, rief sie noch einmal die erste Nummer an.
Die freundliche junge Frau nannte sich Angela und suchte für ihren Laden in Ingolstadt eine Türfrau.
´Oh Schreck, ausgerechnet das Kaff! Da war ich doch schon, und das hat mir eigentlich gereicht.` war Ruths erster Gedanke. Aber im nächsten Moment überlegte sie: ´Quatsch, was hat das mit der Stadt zu tun? Muss ja nicht jede Chefin so bescheuert sein wie Mandy!´
Angela war sehr entgegenkommend, erst Ende zwanzig, aber schon zehn Jahre im Geschäft und schien sich bestens auszukennen. Sie erklärte, ihr Laden existiere bereits seit Jahren und sei die bekannteste und auch beste Adresse in Ingolstadt. Es sei ein großes Penthouse mit fünf bis sechs Mädchen und täglicher Öffnungszeit von zwölf Stunden. Sie machte einen sehr sympathischen Eindruck auf Ruth. Als Angela dann den Namen „Hot-Cats“ nannte, dachte Ruth pikiert: ´Ach du Scheiße! Ausgerechnet die versauteste Adresse der Stadt! Darauf brauchst du aber wirklich nicht stolz zu sein! Was du auf deiner Homepage alles anbietest habe ich gelesen. Schon bei dem Wort „Gesichtsbesamung“ hat sich mein Magen umgedreht. Na ja, solange ich da nicht bei sein muss, kann es mir eigentlich egal sein. Aber Penthouse ist auch ganz schön auf den Putz gehauen. Mandy hat mir die scheußliche Industriegegend schließlich gezeigt in der deine Bude liegt. Nur mit dem schönen Namen machst du aus einer Bretterbude keinen Palast. Aber gut, ansehen kann ich mir den Job ja mal. Wenn auch nicht gerne.`
Nach längerem Gespräch erkundigte Ruth sich abschließend nach der Entlohnung. Die Antwort verschlug ihr die Sprache.
„Fünfzig Euro Garantie, plus fünf Prozent vom Hausumsatz. Da kommst du auf circa zehn Euro die Stunde.“ Sagte Angela voller Stolz.
„Bitte?“ fragte Ruth ungläubig. „Dann müssen ja mindestens fürs Haus Eintausendvierhundert am Tag übrig bleiben. Das sind dann bei fünf Prozent, die restlichen siebzig Euro für mich. Wie soll das denn gehen? Dann muss der Laden aber rennen statt laufen.“
„Ja, wie das geht weiß ich auch nicht. Das hat unsere Türfrau aber, circa Hundert bis Hundertvierzig am Tag.“ Behauptete Angela.
„Aber nur wenn sie selbst auch aufs Zimmer geht. Und das mache ich absolut nicht! Ich ficke nicht!“ antwortete Ruth verärgert.
Ruth war bedient, sie ließ sich nicht gerne für dumm verkaufen. Deshalb wollte sie nur noch das Gespräch beenden, das auch noch auf ihre Rechnung ging. Sie gab vor, sich das Angebot überlegen zu wollen und bat darum, Angela möge sich in zwei Tagen noch einmal melden. Sollte Angela die Telefonkosten selbst bezahlen um sich dann, auf jeden Fall, Ruths Absage anzuhören.
´Frechheit! So einen Mist kann die jemand anders erzählen. Ich kenne Ingolstadt. Die Freier sind sehr schwierig, die laufen durch alle Puffs der Stadt, machen nur Fleischbeschau und feilschen um jeden Euro. Nie im Leben schafft da ein Laden einen solchen Umsatz! Was ist denn neuerdings in Deutschlands Puffs los? Sind denn im Moment alle Chefs so gierig? Sollen sich selbst den Scheiß reinziehen, wenn sie nicht vernünftig zahlen wollen. Nee, dafür arbeite ich nicht im Puff! Für das Geld kann ich lieber beim Bäcker Brötchen verkaufen!` dachte sie genervt.
Wehmütig erinnerte sie sich an ihren Job in Jennys Haus 60, im Saarland. Es war genau die gleiche Jahreszeit, im Juni zwei Jahre zuvor gewesen. Als die junge Frau mit der zarten Stimme ihr den Vertretungsjob angeboten hatte, hatte Ruth erst freundlich, aber bestimmt abgelehnt. Zwar suchte sie zu der Zeit ganz dringend Arbeit, weil ihr die Steuerschuld im Genick saß und sie die Absprache mit der Vollstreckungs-Beamtin einzuhalten hatte, aber Jennys Angebot hatte Ruth abgeschreckt. Türfrau in einem Privathaus; der Gästeempfang, die Wäsche, die Kasse und die Abrechnung und fürs Grobe kam sogar täglich eine Putzfrau, das hatte sich zuerst nach einem angenehmen Job angehört. Aber als sie hörte, dass sie auch die Anrufe der Freier entgegennehmen sollte, war ihre Arbeitsfreude verraucht.
Das Gestöhne und die versauten Ausdrücke am Telefon hatte Ruth noch zu gut von ihrem eigenen Club in Erinnerung. Sie hasste es. Trotzt ihres turbulenten Lebens und der langen Jahre im Milieu, war Ruth immer eine „Otto-Normal-Verbraucherin“ geblieben. Nicht dass sie ein „Kind von Traurigkeit“ wäre, aber jegliche sexuelle Abartigkeiten oder Perversionen lagen ihr fern. Die normale „Zweier-Beziehung“ allein im Kämmerlein, das entsprach ihrem Charakter. Deshalb mochte sie keinerlei ungewöhnliche Varianten, weder verbale Entblößung noch Swingerclubs oder ähnlichen Schweinekram.
Aber die sympathische Bordell-Chefin hatte ihr versichert, dass die meisten Stamm-Gäste einfach ohne vorherigen Anruf kämen, das Telefon also nebensächlich sei. Jenny hatte Ruth überredet, es doch mal ein paar Tage zu versuchen, sie bräuchte so dringend für eine Woche monatlich eine Vertretungskraft.
Überzeugt hatte Ruth letztlich die Tagesgage von einhundertfünfzig Euro. Ruth war Schnellrechnerin. Für das Geld, was sie da in sieben Tagen verdiente, hatte sie zuletzt 21 Tage hinter der Theke arbeiten müssen. In der Nachtbar hatte sie sich für Kleingeld mit besoffenen Gästen und Weibern herumschlagen und über einen arroganten Chef ärgern müssen.
Nachdem sie schnell erfasst hatte, dass Jennys Angebot mehr Vor- als Nachteile hatte, gab sie sich großzügig: „Na ja, ich würde dir ja gerne helfen. Du bist mir sehr sympathisch. Ich kann es mir ja mal ansehen. Wann brauchst du mich denn?“
Schon drei Tage später hatte sie in der Bahn nach Saarlouis gesessen.