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Kleine Chefin

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Die Chefin holte Ruth sogar vom Bahnhof ab, damit erwarb sie sich den nächsten Pluspunkt. Jenny war erst einundzwanzig, eine schlanke Blondine mit langem Engelshaar, und einer lieben freundlichen Art. Dennoch war sie durch und durch Hure und wusste sie genau was sie wollte. Das dreigeschossige freistehende Haus machte außen wie innen einen gepflegten Eindruck. Die Einrichtung war einfach, aber zweckmäßig. Zwischen sechs und acht Mädchen arbeiteten täglich von zwölf Uhr Mittags bis zwei Uhr Nachts, und am Wochenende sogar bis vier Uhr morgens. Der Job war stressiger als Ruth auch nur geahnt hätte, trotzdem machte ihr die Arbeit richtig Spaß. Selten hatte sie einen Job so gerne gemacht.

Als Mensch sowie als Chefin war Jenny angenehm, umgänglich und entgegenkommend. Selten hatte sie etwas zu bemängeln, lobte Ruths Engagement und ließ ihr weitgehend freie Hand. Auch mit den Mädels, die im vierzehntägigen Wechsel dort arbeiteten, verstand Ruth sich sehr gut. Die meisten mochte sie echt gerne, denn sie waren ähnlich wie Ruth, in ihrer Art normal geblieben.

Zu Ruths Favoritinnen gehörte vorrangig Clodine, die dunkelblonde Hamburgerin, die Ruth gerne als „blonde Norddeutsche“ verkaufte. Richtig hieß sie eigentlich Melanie, stammte aus Rostock, also eine „Ossi-Frau“. Mit ihrer gleichmütigen, aber manchmal etwas Gouvernantenhaften Art hätte sie gut Lehrerin sein können, hatte allerdings Kellnerin gelernt. Dass sie seit der Maueröffnung Hure war, hätte rein optisch nie jemand vermuten können, dazu sah sie zu solide aus. Ruth mochte Clodines realistische Ansichten, ihre ruhige fast gleichgültige Art auch mit unangenehmen Dingen umzugehen und ihren „Gesundheits-Tick“. Clodine wirkte in dem quirligen „Hühnerstall“ ein wenig wie eine bedächtige Oberglucke, was vielleicht auch daran lag, dass sie mit Mitte dreißig schon zu den „reiferen Damen“ gehörte. Es war für Ruth immer eine Freude mit ihr zusammenzuarbeiten.

Besonders kurzweilig war die Arbeits-Woche wenn Marika, die dralle, blonde Polin aus Berlin da war. Ihre lustige Art, alles und jedes zu verulken, lockerte die Atmosphäre auf und hob die allgemeine Stimmung enorm. Durch ihren polnischen Akzent wurde alles noch komischer. Schwierig war es nur manchmal, Marika vom Alkohol fern zu halten. Ruth hatte nichts dagegen, wenn die Mädels nach Feierabend etwas tranken, nur während der Dienstzeit erlaubte die Chefin es nicht. Das war Ruth auch ganz recht so, denn von besoffenen Weibern hatte sie weiß Gott die Nase voll. Ab und zu versuchte die Polin Ruth zu überlisten. Einmal hatte Ruth ihr großzügig erlaubt, zum Abendbrot nur eine Flasche Bier trinken, was Ruth schnell bereuen musste. Einmal angefangen, fand Marika kein Ende mehr, sie trank heimlich weiter. Zwar hatte Marika sich als Alleinunterhalterin entpuppt und alle Mädels zum Dauerlachen gebracht, aber sie war zum Arbeiten nicht mehr zu gebrauchen gewesen. Dennoch gehörte auch Marika zu Ruths bevorzugten Mitarbeiterinnen.

Obwohl Nada, die kleine knabenhaft-zierliche Kroatin, ein eher rebellischer Typ war, hatte Ruth das schwarzhaarige Mädel ins Herz geschlossen. Sie war mit Mitte zwanzig auch schon eine Weile im Milieu aktiv, deshalb recht abgeklärt und illusionslos. Jede Kleinigkeit reklamierte sie sofort, wenn es ihr nicht in den Kram passte. Sei es das Verhalten einer Kollegin, oder etwa das Versäumnis der Chefin Werbung zu machen. Mit Nada konnte es manchmal schwierig werden, wenn sie eine anwesende Kollegin nicht mochte. Dann war es besser ihr aus dem Weg zu gehen. Nur Ruth hatte mit Nada absolut keine Probleme. Nada respektierte sie wohl als eine Art „Ersatzmutter“ und Ruth mochte Nadas Ehrlichkeit.

Ruth sah es aber als besonderes Problem an, wenn Nadas spezielle Freundin Elke in der gleichen Woche arbeitete. Die beiden ungleichen Frauen stritten sich im Wechsel miteinander oder mit anderen Kolleginnen.

Die blonde Deutsche war nicht nur um die zehn Jahre älter als die Kroatin, sondern auch optisch das krasse Gegenteil. Sie war groß, mollig, hatte mächtige Silikon-Titten und eine abfällige, überhebliche und laute Art mit anderen Menschen umzugehen. Elke machte auf allwissende Althure. Bei den Freiern kam sie nicht mehr gut an, was Ruth nicht wunderte. Elke war zwar eine gepflegte Frau, aber die Abneigung, ja fast Ekel, stand in ihrem hübschen Gesicht geschrieben, wenn sie bei der Vorstellung in der Reihe stand. Nicht alle Freier sind doof, viele sahen das und wählten Elke deshalb nicht.

Auch mit Elke kam Ruth gut zurecht, wenn Nada nicht dabei war. Dann frönten sie ihrer gemeinsamen Leidenschaft, dem Kartenspiel, sobald sie die Zeit dafür fanden. Im Gewinn sowie Verlust hatten sie gleichermaßen Spaß beim zocken.

Die große Ausnahme war die blonde Violetta aus der Ukraine, mit der Ruth niemals freiwillig über die Straße gegangen wäre. Allein wie die kleine Russin auf den überhöhten High Heels einher trippelte war provokant, denn auch privat verzichtete sie nicht auf ihre „Nutten-Stelzen“. Noch dazu kleidete sie sich so extrem, dass man ihrem gesamten Outfit die Hure aus Entfernung ansah. Auch deshalb war Ruth ihr anfangs mit großem Abstand und Skepsis begegnet. Violetta machte auf niedliche kleine „Kindfrau“, die mit ihrer Art, ein Schmollmündchen zu ziehen, einem bekannten Püppchen ähnelte. Als Ruth „Barbie“ kennen lernte war ihr deren Schlampigkeit sofort sauer aufgestoßen. Bis dato hatte Ruth noch keine Frau gesehen, die ein derartiges Chaos und einen solchen Müllhaufen um sich herum verbreiten konnte. In ihrer rücksichtslosen Art blockierte Violetta gleich die ganze Personal-Couch mit ihren Klamotten, so dass keine Andere mehr Platz fand.

Wie es Ruths Art entsprach, hatte sie anfänglich mit kleinen diskreten Hinweisen versucht, Violettas Sinn für Kameradschaft zu wecken. Vergeblich! Als nächstes hatte sie die Unordentliche freundlich gebeten, doch auch an die anderen zu denken. Umsonst! Ruths Ton war schon etwas schärfer geworden, als sie selbst im Hochbetrieb über Violettas Müll stolperte. Erst als die kleine Hexe mehrfach versucht hatte, die Kolleginnen auszustechen und sich bei deren Freiern in den Vordergrund zu bringen, verwies Ruth die Russin energisch in deren Grenzen. Die Spannung lockerte sich, als Ruth der Kleinen gegen einen ausgeflippten Freier beiseite stand, und den Gast energisch des Hauses verwies. Nach diesem Vorfall änderte sich beider Einstellung zueinander. Violetta zeigte sich dankbar, achtete auf ihre Umgebung und nahm mehr Rücksicht auf die Anderen, was Ruth lobend anerkannte.

Zu diesen Mädels hielt Ruth ständigen Kontakt und wenn man sich in einem anderen Puff wiedersah war die Freude jedes Mal groß.

Leider hatte Jenny ihr nach einem Jahr kündigen müssen, weil sie Ruths Gage nicht mehr bezahlen konnte. Jennys Lover hatte so viel Mist gebaut und Geld gekostet, das diese Eskapaden Jenny fast in den Ruin getrieben hatten. Ruth sowie einige der Stammfrauen des Hauses hatten das Fiasko kommen sehen. Aber daran konnte man Jennys Jugend erkennen, auch wenn noch so viel falsch lief, glaubte sie dennoch alles im Griff zu haben. Zwar erzählte Jenny jeder Mitarbeiterin sämtliche privaten Details, nahm jedoch weder Rat noch Warnungen entgegen.

`Das war noch eine schöne Zeit.` dachte Ruth traurig. ´Zu schade, das die Jenny ihre Kohle für nichts verpulvert hat.`

Über Jennys Art und die Kurzfristigkeit der Kündigung war Ruth sehr enttäuscht gewesen, denn Jenny hatte das so nebenbei telefonisch erledigt. Auf Ruths Heimfahrt von Saarlouis nach Düsseldorf hatte Jenny ihr gesagt, sie könne Ruth leider nicht mehr beschäftigen. Zum Glück hatte Ruth ihre Steuerschuld beglichen gehabt, aber so plötzlich auf der Straße zu stehen war schon ein Schock gewesen. Von Jenny hätte sie mehr Fairness erwartet. Zumindest mit Vorankündigung eine Woche vorher oder so ähnlich.

Trotzdem war Ruth der Meinung, dass Jenny noch zu den wenigen Puff-Betreibern gehörte, die ein halbwegs normales Bordell führten. Alles was Ruth nach Saarlouis gesehen hatte, war nicht mehr vergleichbar gewesen.

Sie war in mehren Städten gewesen, jeder Puff hatte eine andere Macke gehabt.

Tausche Liebhaber gegen Luxus.

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