Читать книгу Tausche Liebhaber gegen Luxus. - Ruth Broucq - Страница 7
Rabeas Weg
ОглавлениеDie erste Zuschrift kam, als Ruth ihr Inserat schon fast vergessen hatte. Es war ein Witz. Auf einem handgeschriebenen Zettel, forderte der Schreiber:
MELDEN SIE SICH BEI MIR UNTER
HEINRICH; POSTLAGERND; IN QUICKBORN
Welch eine Frechheit! Was dachte sich dieser Kerl? Keine Form von Briefstil oder Höflichkeit, weder Anrede, Absender, Datum noch Grüße, einfach ein hingeschmierter Zettel mit einer Aufforderung, die einem Befehl gleichkam. Der hoffte doch nicht allen Ernstes darauf eine Antwort zu kriegen?
Rabea schüttelte den Kopf und meinte verächtlich: „Schmeiß den Mist dahin, wo er hingehört, in den Müll. Darauf wirst du doch hoffentlich nicht antworten?“
„Natürlich nicht!“ sagte Ruth in verärgertem Ton und steckte das Papier in ihre Handtasche.
`Quickborn? Ist das nicht das Kaff in Ostfriesland, wo dieser Blödel-Sänger mit der langen Nase herkommt? Vielleicht hat der was mit dem Zettel zu tun?` ging es durch Ruths Kopf.
´Unsinn!` schalt sie sich selbst, ´der kann es sich doch nicht erlauben einen Puff zu finanzieren. Dazu ist der Kerl doch viel zu bekannt.`
Aber der Gedanke ließ sie nicht los: ´Oder ist das der Grund, dass auf der Nachricht kein Hinweis auf die Identität der Absenders ist? Weil er inkognito bleiben muss? Auch solche Männer gehen ab und zu in einen Puff. Vielleicht ist er ein Freier, der seine Kohle anlegen und im Milieu ein lukratives Nebengeschäft machen möchte.` Überlegte Ruth hin und her, ohne zu einer konkreten Meinung zu kommen. Schließlich verwarf sie diese Gedanken.
Für Ruth stand auf jeden Fall fest, auch sie würde ihre Anschrift nicht preisgeben, wenn sie nicht wusste, an wen sie schrieb. Deshalb hakte sie den Schmierzettel als Niete ab und hoffte auf ergiebigere Zuschriften.
Aber nichts dergleichen passierte. Ruths Stimmung sank langsam Richtung Nullpunkt. Täglich stand sie schon mit der frustrierenden Gewissheit auf, dass wieder ein langweiliger Tag vor ihr lag.
Ein paar Wochen lang zogen sich die Tage wie Kaugummi und Ruths einzige Abwechslung bestand darin, ihre Tochter zur Arbeit zu fahren. Sie war gerade auf dem Weg zum Düsseldorfer Airport, um Rabea wieder abzuholen, als ihr Handy klingelte.
Die Türkin wollte sich mit ihr über den Hauskauf unterhalten und gab gleich das Telefon an einen Finanzberater weiter. Der Mann vereinbarte mit ihr ein Treffen für die kommende Woche. Nach dem Gespräch war Ruth erst einmal sprachlos vor Staunen. Damit hatte sie nicht gerechnet. Bis dato hatte die Türkin kein Interesse am Kaufen gezeigt, wieso jetzt auf einmal? Sollte der Scheich was damit zu tun haben? Noch waren die 40 Tage nicht vorbei. Hatte Ramsi vielleicht doch recht? Hatte Scheich Ahmed wirklich übersinnliche Kräfte?
Als Rabea ins Auto stieg kam sie erst nicht dazu, ihrer Tochter die Neuigkeit zu berichten, denn Rabea schnatterte sofort strahlend los: „Mama, weißt du was passiert ist? Jetzt halt dich fest! Die Cordula, du weißt schon, die Frau Zecke, die machte heute ganz auf wichtig, hat mich beiseite genommen und mir erst mal das Du angeboten. Und was glaubst du, was sie dann gesagt hat? Na? Na? Ja, das deine Tochter der nächste Purser wird! Ich werde Senior-Cabin-Attandent! Ist das nicht geil? Ich werde befördert! Mensch, Mama, so schnell hab ich da aber nicht mit gerechnet. Ich bin doch gerade mal sechs Wochen in der Firma. Sobald die Zecke mit der Schulung der neuen Kollegin fertig ist, fliege ich unter Super-Vision. Na, nun sag doch was. Wie findest du das denn?“
Breit grinsend antwortete Ruth: „Du redest doch wie ein Wasserfall, da kann ich ja nichts sagen. Herzlichen Glückwunsch, Maus. Ich wusste es, dass du bei der Firma, von Beginn an, auf dem Sprungbrett gestanden hast. War doch abzusehen, bei deiner Benotung und deinem Einsatz. Ich freue mich für dich. Aber ich hab auch vorhin was Neues erfahren. Die Sandra will unser Haus kaufen. Sie hat mich eben angerufen und hatte sogar direkt irgendeinen Finanzmann parat, der mit mir für nächste Woche einen Termin vereinbart hat. Und was sagst du dazu?“ trumpfte sie auf.
„Jawohl! Gib fünf!“ rief Rabea erfreut und die beiden schlugen lachend die Handflächen gegeneinander.
Sie waren sich einig, zwei so gute Neuigkeiten an einem Tag, das war der Anfang einer Glückssträhne.
Noch in der Nacht rief Ruth in Ägypten an und informierte Ramsi über die Ereignisse. Ramsi zeigte sich nicht überrascht, sondern sagte gelassen: „Ich weiß Darling, Scheich Ahmed schickt deiner Mieterin täglich den Gedanken, dein Haus zu kaufen. Was denkst du, warum er ihren Namen wissen wollte? Sie hat nichts anderes mehr im Sinn, es ist ihr größter Wunsch! Sie wird das Haus kaufen, warte es nur ab.“
Auch von Rabeas bevorstehender Beförderung schien er schon zu wissen. Ramsi behauptete, dies habe der Scheich ihm schon alles gesagt. Er erwähnte noch, dass er in Eile sei, weil er am nächsten Tag nach Assuan wolle, um in des Onkels Haus die Ausgrabung zu beginnen. Trotzdem versprach er, ihr in einem Brief noch zusätzliche, spezielle „Glücksbringer“ für den Verkauf ihres Hauses und für Rabeas Beruf zu senden.
Aber das Glück ließ sich Zeit. Der Besprechungstermin kam nicht zustande. Der Finanzier hatte kurzfristig abgesagt, weil die Bank es abgelehnt hatte, ein Rotlicht-Objekt zu finanzieren. Hinzu kam, dass die Türkin sich plötzlich schwer tat, die Miete aufzubringen. Fast am Ende des Monats hatte sie nur einen Teil zusammen, bat für den Rest um Geduld. Beruflich kam Ruth auch nicht voran, obwohl sie noch in mehreren Clubs anrief, war kein Job zu ergattern.
Der angekündigte Glücksbringer-Brief kam nicht an, er ging einfach verloren und von der Glückssträhne war nichts zu merken.
Auch Rabeas Karriere-Schub ließ länger auf sich warten als angekündigt, was ihr allerdings weniger ausmachte, als die verspätete Spesenzahlung ihrer Firma. Deswegen war auch bei Rabea sparen angesagt, da nun die gemeinsame Haushaltskasse gähnende Leere zeigte. Dass sie deshalb an Rabeas freiem Pfingstwochenende nichts unternehmen konnten, trübte nun beider Stimmung.
Zusammen mit Rabeas Kollegin Giovanna saßen sie oft zu Hause und überlegten gelangweilt was sie tun könnten, um der Misere zu entfliehen. Dabei kam immer wieder das Gespräch auf die Vorhersagen des Scheich Ahmed. Giovanna fand okkulte Dinge ebenfalls geheimnisvoll und spannend und sie war ganz versessen darauf, auch einmal solch eine „weiße Sitzung“ mitzumachen. Sie habe schon so viel darüber gehört und gelesen, aber selbst nichts dergleichen erlebt, sagte sie bedauernd. Mutter und Tochter hatten das jedoch schon einige Male gemacht und sie erzählten der Wissbegierigen von ihren Erlebnissen. Immer drängender versuchte Giovanna die Beiden zum „Gläserrücken“ zu überreden.
Ruth weigerte sich energisch weil der Scheich von solchen „Spielchen“ abgeraten hatte. Auf gar keinen Fall wollte sie das in der eigenen Wohnung machen. Rabeas Angst war es hauptsächlich, dass ungebetene Geister zurückbleiben könnten, deshalb war sie auch gegen das eigene Heim. Giovanna hatte keinerlei Bedenken, deshalb bot sie sofort ihre Wohnung als Sitzungsort an.
Als dann auch noch Rabea dazu drängte und bettelte sie wolle doch so gerne mal mit ihrem verstorbenen „Opi“ sprechen, gab Ruth schließlich nach. Sie bestand allerdings darauf, nicht aktiv mitzuwirken, sondern nur als Verstärkung zu dienen, da zwei Personen erwiesenermaßen zu wenig waren.
In Giovannas Wohnung herrschte das Chaos. Das tagelange Werken einiger Handwerker hatte deutliche Spuren hinterlassen. Weil die Bewohnerin selbst wenig Lust zeigte, das umfangreiche Durcheinander zu beseitigen, wurde nur der Küchentisch von dem Maurerstaub befreit. Die Sitzungs-Vorbereitungen waren schnell abgeschlossen. Das Alphabet, die Zahlen von 1 bis 10 sowie die Worte ´Ja` und ´Nein` wurden auf kleine Zettel geschrieben und im Kreis auf den Tisch gelegt. Ein Weinglas diente zur Kontaktaufnahme, indem es umgekehrt in die Mitte gestellt und von allen Anwesenden mit einem Finger „leicht“ berührt werden musste. Dann entstand eine Diskussion, wer beginnen sollte. Die beiden Mädels drängten Ruth erneut, sie möge beginnen, weil sie die Erfahrene sei.
Doch Ruth weigerte sich weiterhin energisch, bestand darauf nur Beisitzerin sein und sagte bestimmt: „Du wolltest die Sitzung unbedingt, Giovanna, also fang du auch mal an.“
Den beiden Jüngeren war anzumerken, dass ihnen doch etwas mulmig zumute war, als sie am späten Abend, bei Kerzenlicht die Geister –Beschwörung begannen. Ruth setzte ein gleichmütiges Pokerface auf.
Nachdem Rabea ihrer Freundin noch einmal den Ablauf genau erklärt hatte, ihr Mut zusprach, den sie selbst nicht hatte, legten die Frauen die Finger auf das Glas und schlossen konzentriert den Kreis.
Giovanna rief ihre Großmutter, erst zögerlich, dann energisch, mehrere Male, aber ohne Erfolg. Schließlich gab sie enttäuscht auf. „Ich kann das nicht,“ sagte sie traurig. „Versuch du doch mal deinen Opa zu rufen. Du hast das ja schon gemacht. Vielleicht geht es bei dir besser.“ bat sie ihre Freundin.
Also versuchte Rabea ihr Glück. Wieder und wieder Rabea versuchte einen Kontakt herzustellen, aber die Geister schienen keine Lust zu haben. Die Arme wurden ihnen lahm, vom langen Stillhalten, deshalb wechselten sie öfter die Hände, die das Glas berührten. Nichts rührte sich.
Enttäuscht zogen sie die Hände zurück um eine Pause einzulegen und beratschlagten, woran der Misserfolg liegen könne. Während sie noch überlegten entlud sich ein heftiges Gewitter und der Donnerhall klang so nah, als sei es direkt über ihnen. Die drückend-schwüle Luft trieb ihnen den Schweiß auf die Stirn, so dass sie das Fenster öffneten. Als durch das geöffnete Fenster dann noch ein Windstoss eine der Kerzen ausblies, zuckten die beiden Mädchen zusammen. Die Szene wurde noch gespenstiger, als die Glocken der nahen Kirche zu läuten begannen und gleichzeitig das Licht des Blitzes den Raum durchfuhr und die Gesichter mit einem bläulichen Schein erhellte. Das harte Trommeln der Hagelkörner auf die Scheibe des Küchenfensters war der endgültige Anlass, dass keine der beiden Jüngeren mehr den Mut aufbrachte, einen Geist zu rufen.