Читать книгу Ambulante Pflege in der modernen Gesellschaft - Ruth Ketzer - Страница 14
2.3.1 Sense of Control – die Wohnung6 (Habitat)
ОглавлениеDie Wohnung als Habitat ist eine Kombination aus Biotop, gemeint ist hier die Tier- und Pflanzenwelt, und aus Psychotop als persönlichen Lebensraum mit der entsprechenden Ausgestaltung (vgl. Deinsberger 2007, S. 15). Es bedeutet, dass es sich hier um bestimmte Merkmale handelt, die eine Wohnung von anderen öffentlichen Räumlichkeiten unterscheidet. Eigene Gestaltungsmöglichkeiten, deren Veränderung und Regulation in der Wohnung sowie auch im abgegrenzten Freien, wie z. B. Garten oder Hof, unterliegt der Kontrolle der darin lebenden Menschen. Das Habitat bietet im Wesentlichen eine Schutzfunktion für Menschen ungeachtet von Geschlecht, sozialer oder kultureller Herkunft. (Deinsberger 2007)
Das Zuhause ist ein wichtiger Bestandteil der Kontinuität in der Lebenswelt des Ehepaars Meier. Diese Lebenswelt trennt das Leben draußen von dem Leben drinnen. Die äußere Lebenswelt erscheint in ihrer Komplexität immer schwieriger handhabbar, es muss eine Auswahl getroffen werden, zwischen dem was von draußen mit in die innere Lebenswelt genommen wird. Dabei spielen in diesen Entscheidungsprozessen die eigene Biografie, die Wertvorstellungen, die Notwendigkeit der Anerkennung von Fakten (z. B., dass für die Pflege des Ehepartners Unterstützung von außen benötigt wird) eine bedeutende Rolle.
Der Begriff »supported living« umschreibt zwar zunächst das Konzept der Unterstützung von Menschen mit Behinderung als einen Weg zur Selbstbestimmung, in der Differenzierung zwischen dem Zuhause und den Wohnheimformen jedoch gibt es deutliche Parallelen zu dem Fall Meier. Nach Christian Lindmeier (2001) ist das Zuhause das Zentrum der Lebenswelt von Menschen, egal ob mit oder ohne Einschränkungen. An diesem Ort wird alles organisiert, was innerhalb und außerhalb der Wohnung passieren soll. Menschen sind mit diesem Ort verwurzelt, emotional gebunden und sie haben die Möglichkeit jederzeit wieder an diesen Ort zurückzukehren. Gerade dieser letzte Aspekt ist für kranke und pflegebedürftige Menschen von enormer Bedeutung, denn wenn das Zuhause vorzeitig gekündigt oder verkauft wird, ist dies neben den Einschränkungen ein weiteres Verlusterleben, in der vulnerablen Lebenswelt der Betroffenen.
»Wohnst Du schon oder lebst Du noch?«, der Slogan des Möbelimperiums Ikea beschreibt die enge Verknüpfung zwischen Wohnen und Leben. Im englischen Sprachgebrauch wird diese Trennung zwischen Wohnen und Leben nicht vollzogen, »to live« bedeutet auch immer gleichzeitig wohnen. Es zeigt auch nach Heidrun Metzler und Christine Richter, dass Menschen eben mit dem Wohnen mehr verbinden als nur ein »Dach über dem Kopf« und der Aspekt der Lebensqualität eine Rolle spielt (Metzler und Richter 2004). Das Zuhause als privater Rückzugsort schafft eine gewisse Art von Freiheit, die je nach persönlichem Bestimmungs- und Autonomiegrad einer Art öffentlich-sozialer Norm unterliegt. In den »eigenen vier Wänden« finden Handlungen und Gedanken, Rollenzwänge, Emotionen ihren Platz. Diese individuellen Vorstellungen von Geborgenheit und Sicherheit können in verschiedenen Formen zum Ausdruck kommen. Die Wahl des Einrichtungsstils, die Anordnung der Möbel, Bilder, bevorzugte Farben gehören zu der Wohnindividualität der Personen7.
Der Aspekt der Selbstbestimmung spielt beim Wohnen eine gewichtige Rolle. Der Mensch möchte selbst entscheiden, wer in seine Wohnung kommt, welche Kontaktformen er zu anderen Menschen hält oder wann er der Außenwelt Zutritt gewährt und wann nicht. Es handelt sich letztendlich um eine gelungen Balance zwischen Individualismus und Kollektivität. Diese Balance liegt zwischen unterschiedlichen Lebenszyklen, wie z. B. alleine leben, Partnerschaft, Familie, Auszug der Kinder, Ruhestand etc. Diese Wandlungsprozesse innerhalb des Lebens werden in der Wohnung und in der vertrauten Örtlichkeit gelebt. Selbstverständlich ist ein solch beschriebener Lebenszyklus nicht störungsfrei, er unterliegt Brüchen, wie Trennungen, Tod oder Wegzug. Aber selbst dann unterliegen eine Wohnung und der ausgewählte vielleicht (neue) Wohnort bestimmten Schutzmerkmalen, die nahezu universell sind. Deinsberger (2007) nennt hierzu folgende Merkmale:
• Meteorologischer Schutz (Kälte, Hitze Feuchtigkeit)
• Schutz vor schädigenden Organismen
• Schutz vor fremdem Zugriff anderer Personen
• Schutz vor olfaktorischen, sensorischen, optischen Beeinträchtigungen
• Bewahrung der Privat- und Intimsphäre