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2.5.2 Care-Ethiken für das Ehepaar Meier

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An das Wort Fürsorge/Care sind hohe Erwartungshaltungen gebunden. Es geht um die Übernahme von Verantwortung füreinander, das Sein für und mit jemanden. Wer welchen Anteil von Verantwortung in einem häuslichen Care-Arrangement übernimmt, muss zwischen dem Ehepaar Meier und deren Möglichkeiten sowie der professionellen Pflege ausgehandelt werden. Diese Aushandlungsprozesse sind nicht immer konfliktfrei, sie werden von vielen Faktoren beeinflusst. Josefine Heusinger und Monika Klünder beschreiben in ihrer Arbeit verschiedene Einflussfaktoren, die auf die Aushandlungsprozesse einwirken. Dies sind z. B. die Pflegeverpflichtung, Pflegeerwartung oder Zukunftsvorstellungen, Soziale Netzwerke, Beziehungsgeschichte, materielle Situation (vgl. Heusinger & Klünder 2005, S. 81). Je nach Intensität der Einflussfaktoren gestaltet sich das Care-Arrangement entweder als gelungen oder nicht gelungen. Es unterliegt Veränderungen, wenn sich der Zustand des Pflegebedürftigen verbessert/verschlechtert oder materielle Ressourcen erschöpft sind. Materielle Ressourcen sind gerade dann von Bedeutung, wenn es darum geht, für sich zusätzliche Leistungen zu finanzieren, die weder von der Pflegeversicherung noch von der Krankenversicherung getragen werden. So kann es sein, dass Frau Meier im Pflegealltag freie Zeit für sich benötigt, als Ressource zur Entwicklung der eigenen Resilienz. Zusätzliche Dienstleistungen, die zur Instandhaltung des Zuhauses notwendig sind, müssen aus den eigenen Ressourcen bezahlt werden.

Wäre Frau Meier noch erwerbstätig, müssten für den pflegebedürftigen Herrn Meier Lösungen für die arbeitsbedingte Abwesenheit gefunden werden, damit der Arbeitsplatz15 erhalten werden kann. Unter Umständen müsste Frau Meier ihre Arbeitszeit reduzieren, um die Pflege zuhause bewältigen zu können. Die Nachteile dieser Reduzierung auf die spätere Rente von Frau Meier müssen selbst ausgeglichen werden16.

Um Fürsorge in der heutigen Gesellschaft leben zu können, reicht es nicht mehr aus, nur auf die Fürsorgebereitschaft und moralischen Verpflichtungen der infrage kommenden pflegenden Angehörigen oder Nachbarschaftshilfen zu hoffen. Die Bereitschaft jemanden zu pflegen, hängt angesichts der zunehmenden Erwerbstätigkeit von Frauen sowie der Komplexität der Pflege selbst sowie unter anderem auch von der Frage der Bewältigungsfähigkeit einer solchen Aufgabe ab. Die Zusammenhänge zwischen den Erwartungen an die Pflegeversicherung, soziale Beziehungen und der Milieuzugehörigkeit werden unter anderem auch von der Ausnutzungsfähigkeit beeinflusst. (vgl. Heusinger & Klünder 2005, S. 103) Herr oder Frau Meier sind in der (neuen) Rolle als pflegende/r Angehörige/r auf ihre Krisenbewältigungsmechanismen angewiesen.

Die Situation der Pflegebedürftigkeit im häuslichen Umfeld erfordert unter anderem Kompetenzen im Umgang mit gesetzlichen Regelwerken und der damit verbundenen Bürokratie, die Fähigkeit und Kenntnisse darüber, wie und welche der vielfältigen Beratungsmöglichkeiten in Anspruch genommen werden sollten. Das Wissen um die Verluste, die durch die Erkrankung entstehen können, die neuen Risiken, die vielleicht einen Umzug erforderlich machen, müssen ebenfalls mitberücksichtigt werden. Hier leisten professionell Pflegende im ambulanten Arbeitsbereich unsichtbare und damit unbezahlte Beratungsarbeit, sie kompensieren mangelndes Wissen der pflegenden Angehörigen mit ihrer eigenen Pflegekompetenz weitestgehend ohne die Finanzierung aus dem existierenden System. Wenn diese Finanzierungsgrundlage nicht vorhanden ist, so werden in vielen Fällen unbezahlte Überstunden von professionell Pflegenden geleistet. »Ich hänge die Zeit privat dran« so ein Interviewteilnehmer (P12), der in dem vorgegebenen Zeitkontingent die komplexe Pflege eines Patienten nicht bewältigen konnte (vgl. Adam-Paffrath 2014, S. 134).

In dem Moment, wo das Ehepaar Meier Leistungen aus der Pflegeversicherung bezieht, müssen diese bereit sein sich gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Raum zu rechtfertigen. Die Prüf- und Kontrollinstanz der Medizinischen Dienste der Krankenkassen (MDK) ist berechtigt den Zustand des Pflegebedürftigen sowie die Bedingungen der Pflege in dem Haushalt zu überprüfen. Diese Prüfsituation löst bei den Pflegebedürftigen und deren Angehörigen Ängste aus, gerade dann, wenn es um die Höherstufung in einen anderen Pflegegrad geht.

Die Prüfkonstrukte des MDK’s wurden von Ruth Ketzer und Manfred Borutta analysiert. Die Autoren kamen in ihrer Diskursanalyse zu dem Schluss, dass es machtbezogene Strömungen auf die Art und Weise der Ausgestaltung der Prüfungen gab. Weder die Fachöffentlichkeit noch die breite Öffentlichkeit wurden über die Entwicklungen der Prüfungen für die Leistungen der Betroffenen ausreichend informiert »Vor dem Hintergrund, das nicht alles was sich sagen ließe auch gesagt wird, offenbart sich, dass der öffentliche Diskurs das erste MDK-Prüfkonstrukt, ausschloss, und das zweite und dritte Prüfkonstrukt im öffentlichen Diskurs, lediglich angekündigt wurde. Die Pflegewissenschaften und die Vertreter der Anbieterverbände wurden an der Erstellung der Prüfkonstrukte nicht beteiligt. Es sollte sich um eine MDK-interne Handlungsanleitung handeln« (Borutta & Ketzer 2009) Diese Ergebnisse sind nahezu deckungsgleich mit der Entstehungsgeschichte der Pflegeversicherung, in der es nur äußerst wenige Chancen für Pflege-Fachöffentlichkeit wie Berufsverbände gab, sich in den politischen Gremien zu äußern (Adam-Paffrath 2008).

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