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2.3.3 Conditio humana – die Beziehung des Menschen zur Welt

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Um verstehen zu können, warum die Pflege zuhause einer speziellen Handlungslogik unterliegt, werden im Folgenden das Menschsein und der Mensch in der Welt betrachtet. Dabei geht es um die Grenze zwischen dem privaten Raum und der Welt, kurzum dem »drinnen und draußen«. Entwicklungsgeschichtlich strebt der Mensch aus Angst vor Lebensbedrohungen seit je her nach Schutz und Sicherheit (Mitzerlisch 2013). Gleichzeitig war es jedoch für die Nahrungsaufnahme wichtig, in die Welt zu gehen. Später ergab sich aus diesem Bestreben der Wille, die Welt zu erkunden und zu erforschen. Diese Bestrebungen sind bis heute immer noch vorhanden. Eine ausschließliche Auseinandersetzung mit sich selbst ohne Einbezug der Um-Welt, führt zum Tod durch Verhungern oder Verdursten. Der Mensch ist bis heute darauf angewiesen, mit der Welt in Beziehung zu treten, sei es aus Gründen der Nahrungssuche, der Erwerbstätigkeit, des Willens zur Kontaktaufnahme zu anderen Menschen oder Tieren, Pflanzen, Gegenständen. Patricia Benner und Judith Wrubel (1997) bezeichnen in ihrem Werk, ausgehend von den Gedanken Heideggers, dass für den Menschen »das In-der-Welt-sein« existenziell ist.

Weitere Überlegungen zu diesen Aspekten bietet die philosophische Anthropologie. Sie fragt unter anderem nach dem Verhältnis von Natur zu Kultur und versucht Erklärungen für die Position des Menschen in der Welt (Conditia humana) zu finden10. Hier stehen sich zwei unterschiedliche Weltbilder11 gegenüber, mit denen der Mensch konfrontiert ist; zum einen das mechanistische naturwissenschaftliche geprägte und zum anderen das lebensphilosophisch orientierte Weltbild. Diese Betrachtung ist keineswegs banal, denn sie hat bis heute Auswirkungen auf das heutige Gesundheitssystem, in dem die Pflege einen breiten Raum einnimmt. Die Beziehung, die der Mensch zur Welt hat, speist sich nicht alleine nur aus den obengenannten Weltbildern, sondern wird kulturell, individuell beeinflusst und ständig neu von Menschen ausgehandelt. Weltbilder können konträr, sich gegenseitig ergänzend, individuell oder gruppenspezifisch sein.

So haben über die Jahrhunderte verschiedene Philosophen, verbunden mit der Frage »Was ist der Mensch?«, die Weltbilder der jeweiligen Zeit geprägt. Exemplarisch für diesen Beitrag werden die Ausführungen der Philosophen Decartes und Heidegger vorgestellt. Selbstverständlich gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Philosophen, die sich in den unterschiedlichen Zeitepochen der Geschichte der beiden hier genannten Themen beschäftigt haben und somit auch verschiedener Kritik ausgesetzt waren.

René Decartes lebte als Philosoph, Physiker und Mathematiker in einer Zeit des Fortschritts und Aufstrebens der Naturwissenschaften, hier vor allem die der Mechanik. Dennoch fragte auch er nach dem Sinn des Seins des Menschens und teilte ihn res cogitans und res extensa also in die Spaltung von Körper und Geist ein. Die körperliche Substanz war für ihn eine völlig homogene Masse, die in ihrem Wesen ausschließlich in Breite, Höhe und Länge ausdehnbar ist (vgl. Anzenbacher 2010, S. 55). Diese Ausdehnung ist gekoppelt an die Möglichkeit der Bewegung und war für Decartes als Physiker von besonderem Interesse.

Der denkende Mensch ist für ihn eine ausschließlich denkende Substanz, die res cogitans. Das denkende Individuum ist getrennt vom körperlichen Dasein. Sein berühmter Satz »Ich denke also bin ich« ist Ausdruck dieser Trennung. Materielle Dinge sind strikt vom rein körperlichen Dasein getrennt und können als solches kein Merkmal der Körperlichkeit (res extensa) sein (vgl. Schmidlinger et al. 1999, S. 73).

Der Geist ist für Decartes die eigentliche Seins-Materie:

»Außer dem Geist erkenne ich nämlich noch nichts an mir. […] Ich weiß jetzt, dass die Körper nicht eigentlich von den Sinnen oder von der Einbildungskraft, sondern von dem Verstand allein wahrgenommen werden, und zwar nicht, weil wir sie berühren und sehen, sondern lediglich, weil wir sie denken; und so erkenne ich, dass ich nichts leichter oder evidenter wahrnehmen kann als meinen Geist.« (Descartes 1986, S. 96)

Dieser so erschaffene Dualismus in Form der Trennung von Körper und Geist findet sich heute noch in vielen Bereichen, z. B. in der Medizin, als klassisch-dualistische Perspektive wieder (vgl. Uzarewicz & Uzarewicz 2005, S. 25). So gibt es somatische Schwerpunkte in Krankenhäusern, wie internistische, chirurgische Fachgebiete und den Bereich der Psychiatrie mit der Ausrichtung auf psychische Erkrankungen. Diese strenge Teilung wird durch die stetige Entwicklung der Psychosomatik als ein (neueres) Fachgebiet der Medizin aufgehoben. Das biopsychosoziale Krankheitsmodell ist eine Ergänzung zu dem lange Jahre bestehenden biomedizinisch-naturwissenschaftlich ausgerichteten Modell. Es wurde erkannt, dass es eine Körper-Seele-Einheit (body mind unity) gibt, die sich bei vielen Erkrankungen nicht unerheblich gegenseitig beeinflussen (Egger 2017).

An dieser Stelle seien zwei bedeutende Vertreter der Psychosomatik kurz genannt. In den 1970iger Jahren gründete der Biologe und Mediziner Thure von Uexküll an der Ulmer Universitätsklinik gemeinsam mit der Pflegewissenschaftlerin Antje Grauhan aus Heidelberg und der Oberin des Ulmer Reformkrankenhauses Ilse Schulz in einem interdisziplinären Modellversuch eine der ersten internistisch-psychosomatischen Krankenstationen in Deutschland.

Zu Beginn des Beitrags wurden die Gedanken von Antonovsky (1923–1994) bereits genannt und ich komme an dieser Stelle nochmals darauf zurück. In den 1980iger Jahren entwickelte er das Modell der Salutogenese (salus = Gesundheit, genese = Wohlbefinden) und stellte damit die Verbindung zwischen körperlicher und seelischer Gesundheit und deren Entstehung her. Die Entstehung von Gesundheit, ist als Prozess und nicht als naturgegeben zu verstehen. Sie unterliegt damit nicht (nur) einem mechanistischen Reparaturschema, sondern beinhaltet weitaus mehr Einflüsse, wie Schutz- und Risikofaktoren, Coping-Strategien und Resilienz der erkrankten Personen (Tameling 2018).

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