Читать книгу Ambulante Pflege in der modernen Gesellschaft - Ruth Ketzer - Страница 19
2.5 Sorge und Fürsorge aus philosophisch-ethischer Perspektive
Оглавление»Sein und Sorge« waren die Themen, mit denen sich der Existenzialist Martin Heidegger beschäftigte. Die philosophische Richtung des Existenzialismus entwickelte sich Mitte des 19. Jhd. aus der phänomenologischen Bewegung heraus. Als eine Ich-Philosophie dreht sich in dieser Philosophierichtung alles um die Existenz des Seins. Wie erlebe ich mich in der Welt, wie gestalte ich meine Freiheit, wie ist das Sein zum Tode (Heidegger), wie sind die Erfahrungen um die Brüchigkeit des Lebens in Grenzsituationen (z. B. Karl Jaspers; vgl. Anzenbacher 2003, S. 139). Heidegger betrachtet Existenz in Verbindung mit der Welt, sie ist immer vorhanden in Form als besorgendes und fürsorgendes Wesen in der Welt. Die Sorge (cura) als anthropologischer Grundbegriff entstand nach Heidegger aus der Angst, die aus dem Werden des Seins entsteht (vgl. Heidegger 1993, S. 183). Sorge ist ein Bestandteil des Daseins und es geht um die Sorge, um sich selbst sowie um den Anderen.
Der Grundcharakter des In-der-Welt-Seins der Menschen ist die Sorge. Diese Möglichkeit der Wesensausformung drückt sich in verschiedenen alltagsweltlichen Aktivitäten aus. Nach Heidegger sind dies die Fürsorge, das »Sein für jemanden«, wie z. B. für andere Menschen oder Tiere und »Sein bei etwas«, das sich auf das Besorgen von Gegenständen, Nahrung, Kleidung etc. bezieht (Heidegger 1993, S. 184).
Ausgehend von den Gedanken Heideggers konzipierten die Autoren Charlotte und Michael Uzarewicz eine Übersicht der Zusammenhänge um die Sorge. Die Angst ist der Motor des Seins und steht damit über allem. Demzufolge ist die Sorge eine Daseinsform, die in Besorgen und Fürsorge unterschieden wird. Das Besorgen umfasst alltagsweltliche Gegenstände und Konsumgüter, wie Kleidung, Nahrung das »Sein bei etwas«. Die Fürsorge beinhaltet die sozialen Beziehungen zu mir selbst als Mensch und zu anderen. Das Sein als Mensch ist geprägt als mit oder für jemanden. Diese Art von Fürsorge äußert sich als einspringende, vorausspringende (z. B. zur Gefahrenabwehr) Fürsorge sowie als Sorge abnehmende (abhängig) und Sorge zurückgebende Fürsorge (unabhängig). Als defizitärerer Gegenpol steht das Gegeneinander, ohne einander zu sein oder aneinander vorbeizugehen (vgl. Uzarewicz & Uzarewicz 2005, S. 39).
In dieser Ausdifferenzierung von Fürsorge werden die Abhängigkeit und Unabhängigkeit des Menschen in der Welt deutlich. Denkt man die Ausführungen Heideggers um die differenzierte Sichtweise auf die Sorge weiter, so könnte ein weiterer Fokus die Sorge um das Sein des vulnerablen Menschen sein.
Wie bereits erwähnt, ist der Mensch ohne die Welt nicht überlebensfähig, und es entsteht die Frage, wie sich das Sein bei Menschen, die aufgrund von Krankheit einen Teil ihrer Unabhängigkeit verlieren, gestaltet? Welche Rolle kann professionelle Pflege hier in Bezug auf die Versorgung des Ehepaars Meier übernehmen? Was bedeutet fürsorgliches Pflegehandeln in diesem Zusammenhang für die professionelle Pflege?