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Reise in die Vergangenheit

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Antilius und Tirl setzten sich ans Feuer. Ein letztes Mal versicherte er sich mit bloßem Augenkontakt, dass Tirl und Mila für die nächsten Stunden alleine zurechtkommen würden.

Die Siobsistin setzte sich auch, blieb aber nach wie vor außerhalb ihres Sichtfeldes.

»Leg den Spiegel auf den Boden. Du und Gilbert, ihr solltet euch beide hinlegen.«

Antilius nahm Gilberts Spiegel aus seiner Brusttasche und sah hinein. Sein Freund auf der anderen Seite sah blass aus und alles andere als bereit für das, was sie erwarten würde.

»Alles in Ordnung, Gilbert?«

»Ja. Ich... ich habe irgendwie Angst. Ich habe Angst vor den Dingen, die wir sehen werden, und auf die wir keinen Einfluss haben.«

»Schon gut. Wir werden aufeinander aufpassen. So wie immer.«

Antilius legte den Spiegel neben sich ab und legte sich selbst auf den Rücken. Der Boden war durch das Feuer ausreichend aufgewärmt, sodass es gar nicht unangenehm war. Gilbert legte sich in seinem Gefängnis-Zimmer auf sein Bett.

»Schließt jetzt die Augen und befreit eure Gedanken von Sorgen und Furcht.«

Seine Gedanken befreien? Das war gar nicht so einfach. Aber irgendwie gelang es ihnen nach einer Weile dann doch. Das Knistern des Feuers wirkte beruhigend und half ihnen dabei, wenn es auch ein wenig dauerte.

»Gut«, sagte die Siobsistin. »Ich werde jetzt den Ort suchen, an dem eure Reise beginnen wird. Kommt mit mir! Lasst euren Körper hier und folgt mir in die tiefen Wege der Erinnerungen.

Lasst los und folgt mir.«

Tirl sah gespannt zu. Ja, auch er hatte Angst. Wenn Mila nicht wäre, dann wäre er vielleicht in Panik geraten.

»Nur Mut, mein lieber Tirl. Ich bin bei dir«, sagte sie. Und das genügte schon, um ihn zu beruhigen, weil er ihr bedingungslos vertraute.

Gilbert und Antilius fühlten sich schläfrig, während sie die letzten Worte der Siobsistin vernahmen. Ihre beider Seelen glitten langsam davon und entfernten sich aus dieser Realität. Es war, als wenn sie träumten, aber es war kein Traum. Ihre Seelen begaben sich nun auf eine Wanderschaft durch die Zeit. Für einen Augenblick sahen sie von oben auf sich selbst herab, um kurz darauf in einen Tunnel aus Licht zu stürzen. Immer tiefer sanken sie herab, immer weiter entfernten sie sich von ihren Körpern. Die Siobsistin führte sie in die tiefsten Tiefen von Raum und Zeit.

Dunkelheit und Stille legten sich über sie. Sie waren angekommen. Sie befanden sich auf einer endlosen Ebene. Einer Leere, die noch ausgefüllt werden würde. Ganz allmählich dämmerte es. Stimmen waren zu hören. Viele Stimmen.

Die Umrisse eines Baumes wurden erkennbar. Und dann die eines weiteren. Mehr und mehr materialisierte sich ein Schauplatz der Vergangenheit vor ihren Augen. Es wurde so hell, dass Antilius Gilbert vor sich stehen sehen konnte. Die Siobsistin hatte also nicht gelogen. Gilberts Spiegelgefängnis war in dieser Realität nicht existent. Wenigstens für die Dauer ihrer Reise durch die Vergangenheit wäre er vom Spiegel befreit.

Gilbert sah hektisch um sich und konnte es nicht fassen. »Sieh doch nur!«, sagte er zu seinem Meister. »Ich bin wirklich hier!«

Antilius reichte ihm die Hand, und Gilbert schlug ein. Beide lachten und freuten sich.

Die Umgebung hatte sich indes vervollständigt. Sie standen auf einer Parkanlage mit grünem Gras und großen Eichen, die im vollen Saft standen. Vogelgezwitscher erklang von überall her. Die Bäume warfen kurze Schatten. Es war Sommer. Auf der gegenüberliegenden Seite des Parks sahen sie mehrere große Gebäude, die aus weißem Stein gebaut waren. Zwei Türme mit Rundbogenzinnen an den Spitzen ragten dahinter auf, die im hellen Sonnenlicht ebenfalls weiß funkelten.

In der Mitte des Parks zwischen all den Bäumen und Maulwurfshügeln, da saß eine Gruppe Menschen bei einem Picknick. Sie lachten viel und unterhielten sich.

Gilbert war völlig perplex: »Wie ist das nur möglich? Sind wir wirklich hier?«

»Ja, wir sind hier. Auch wenn unsere Körper noch auf dem Kayen sind.« Antilius ging in die Hocke, riss ein Büschel Gras aus und hielt es sich an die Nase. »Frag mich nicht, wie die Siobsistin das gemacht hat, aber es fühlt sich alles real an.«

»Wo sind wir hier?«

»Ich bin mir nicht sicher. Aber diese Türme dort hinten mit diesen charakteristischen Zinnen, die habe ich schon einmal gesehen.«

»Und wo?«

»In der versunkenen Stadt auf Arbrit. Wenn mich nicht alles täuscht, sind wir in Eventum, bevor es in den Fluten versank.«

»Dann sind wir zumindest in der richtigen Zeit, denn Eventum versank zum Ende des Krieges.«

»Hoffen wir es«, sagte Antilius und sah neugierig zu der Gruppe beim Picknick hinüber.

»Wer sind diese Leute? Erkennst du jemanden?«

Antilius wollte mit 'Nein' antworten, aber je länger er zu den Menschen hinübersah, desto vertrauter wurden ihm einige ihrer Gesichter. Er konnte sie aber niemandem zuordnen, weil er sich immer noch nicht erinnern konnte.

»Was machen wir jetzt? Wollen wir einfach mal zu ihnen gehen?«

Antilius zuckte die Achseln. »Warum nicht? Was soll schon passieren? Die Siobsistin hatte gesagt, nichts, von dem, was wir tun, wird die Zukunft beeinflussen.«

Sie näherten sich also der heiteren Gruppe. Kaum hatten sie ein paar Schritte gemacht, kam auch schon jemand auf Antilius zugestürzt. Es war ein Mann, hoch gewachsen, mit breiten Schultern. Er war älter als Antilius jetzt. Er wirkte wie jemand, der als Anführer geboren zu sein schien, und dennoch hatte er etwas Gütiges in seinem Blick.

»Was ist los mit dir?«, rief er dem verdutzten Antilius zu. »Das ist unsere Abschiedsfeier, und du machst dich einfach aus dem Staub?«

Der Mann fing ihn ab, legte gut gelaunt seinen Arm um ihn und dirigierte ihn zum Picknickplatz. Gilbert ignorierte er.

Bei den anderen angekommen, sahen die kurz zu ihnen und lachten.

»Du hast ja noch gar nichts gegessen!«, sagte eine Frau zu Antilius.

»Ich, äh, ich habe keinen Hunger.«

»Also wirklich! Ich kann das nicht mehr hören!«, sagte der Mann mit den breiten Schultern bestimmt, aber nicht bereit, sich seine gute Laune verderben zu lassen. »'Ich möchte nichts essen. Ich mache mir Sorgen. Ich will allein sein.'

Das will ich nicht hören! Heute sind wir hier, um zu feiern! Sorgen kannst du dir auch morgen noch machen. Also, setz dich jetzt hin und iss! Sonst kriegst du es mit meiner Frau zu tun«, sagte der Mann mit einem Augenzwinkern.

»Es ist besser, du hörst auf Terius. Ich kann ziemlich unangenehm werden, wenn man mein Essen verschmäht«, sagte die Frau, die zu Terius gehörte. Alle lachten. Antilius wurde von jemanden am Arm gezogen, als unmissverständliche Aufforderung, endlich neben den anderen Platz zu nehmen.

Gilbert stand abseits und wunderte sich, warum ihn niemand beachtete. Nicht weniger verwundert fragte er sich, wer dieser Mann mit den breiten Schultern war. Der Mann, den seine Frau Terius nannte.

Zu seiner Überraschung ließ die Antwort auf diese Frage nicht lange auf sich warten.

Antilius hatte immer noch Mühe, sich in die neue Situation hineinzufinden und kaute unsicher an einem Stück Brot. Terius lachte, schlang erneut seinen Arm um ihn und drückte ihn ganz fest an sich. »Na also«, sagte er. »Mein Bruderherz weiß also doch noch, was sich gehört.«

Verlorenend Band III

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