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Waffengewalt

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Es war Samstag. Silkes Freundinnen Gabi und Marlene kamen zum Frühstück. „Silke, weißt du eigentlich, was für ein Glück du hattest, dass der Kerl dich nicht gleich abgeknallt hat, so wie der drauf war, mit seinem Psychoterror?“

„Ja, da hab ich auch schon drüber nachgedacht.“, nickte Silke nachdenklich. Marlene legte die Kopie eines Zeitungsausschnittes auf den Küchentisch und schob ihn Silke zu. „Hier, das hab ich gefunden. Lies mal, was DIE ZEIT schreibt! Es wird immer schlimmer in unserem Staat!“

Silke las laut vor, was die Zeitung DIE ZEIT meldete: „Die gezückte Waffe soll Routine werden. Polizeibeamten werde nach dem Motto, ihre Waffe im Dienst sei, was der Kamm für den Friseur ist, in der Ausbildung beigebracht, ihre Haltung den Bürgern gegenüber zu ändern und immer häufiger ihre Waffe zu ziehen.“

Die Rede war hierbei nicht von den USA, wo die US-Polizei schon längst, meistens zu ihrer eigenen Sicherheit, aggressiver mit der Waffe umgeht, weil sie generell mit Waffenbesitz der Verdächtigen rechnet. Im Text ging es um die deutsche Polizei, die sich immer mehr vom einst betitelten Freund und Helfer zur „entschiedenen Sicherungshaltung“ veränderte. Grund dafür war die von den Polizeigewerkschaften seit Jahren beklagte und durch die Medien bekannte Gewaltzunahme gegen Polizeibeamte.

Bei diesem gezielten Schießtraining, das Polizisten dazu zu veranlasse, ihre Dienstwaffen früher zu ziehen, um Chancenverbesserung zu erreichen, geht es allerdings nicht nur um brenzlige Situationen, die mit gefährlichen Gewalttätern zusammenhängen. Diese massiven Handhabungen kommen bereits bei Routinemaßnahmen, wie Fahrzeugkontrollen vor. Der den Verkehrsteilnehmer kontrollierende Polizist wird von seinem sichernden Kollegen, mit der Waffe in der Hand, die er auf den Boden richtet, für den Notfall geschützt.

Dass Polizisten, auch um ihr eigenes Leben zu schützen, ihre Position in Konflikten mithilfe ihrer Dienstwaffe demonstrieren, ist nachzuvollziehen. Der Einsatz der Dienstwaffe durch Polizisten ist in den Bundesländern vom Gesetzgeber im Gesetz über die Ausübung von unmittelbarem Zwang klar geregelt und zieht stets ein Ermittlungsverfahren nach sich. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist darin festgelegt, der bestimmt, dass eine Schusswaffe nur dann gebraucht werden darf, wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft sind, um den beabsichtigten Erfolg zu erlangen. Eine Schusswaffe gebrauchen, bedeutet: schießen. Auch wenn sie der Einschüchterung dienen, fallen offensive Waffenhaltung und entschiedene Sicherungshaltung nicht darunter.

Vor diesem Hintergrund hofften die drei Freundinnen, dass sich in Zukunft die willkürlichen rechtswidrigen Handlungen gewisser aggressiver, konfliktbereiter Polizisten am Bürger, nicht auf den Gebrauch der Waffe ausdehnten, was für das Opfer tödlich enden könnte. Das Ausnutzen der Gelegenheit zur Ausübung von Macht konnte hierbei auch von Bedeutung sein.

Auf der anderen Seite ist von Christian Schwerdtfeger bei RP ONLINE über die Expertenkritik zu lesen, dass Polizisten in NRW zu wenig mit der Schusswaffe trainieren. Zudem fehle es laut Gewerkschaft der Polizei an Trainingsmöglichkeiten, was dazu führe, dass einige Polizisten im Jahr überhaupt keine Übungsmöglichkeit haben. In der Vergangenheit kam es bereits zu tödlichen Schüssen, nachdem ein Polizist dreimal auf den Oberkörper eines psychiatrisch betreuten Messerangreifers schoss. Die Frage, die sich hier stellt ist, ob die Notwehr es zwingend erforderte, dass der Beamte gleich drei Schüsse auf die Brust des Angreifers abgab, so dass der tödlich getroffen zusammenbrach, anstatt auf die Beine zu zielen.

Tödliche Einsätze wie dieser gelten bei der Polizei als bedauernswerte Einzelfälle. Doch wer von uns möchte, ehrlich gesagt, jemals so ein Einzelfall sein?

Es ist innerhalb der Polizei kein Geheimnis, dass die Schießausbildung der Beamten über Jahre zu kurz kam. Aus den Reihen der Polizei wird mitgeteilt, dass es Kollegen gibt, die nicht ausreichend geübt im Umgang mit ihrer Waffe sind. Die Folgen sind hier unabsehbar. Was wird passieren, wenn zukünftig die offensive Waffenhaltung an der Tagesordnung ist? Wenn Polizisten die Dienstwaffe, die sie sichtbar am Körper tragen, in kritischen oder unübersichtlichen Situationen von vornherein aus dem Holster nehmen? Würden solche Maßnahmen zur Folge haben, dass sich die Lage erst recht verschärft? Führt die Handlungsweise, die Waffe bei der Kontrolle von Fahrzeugpapieren bereits sichtbar zu verwenden, erst recht zu Eskalationen, wie in Amerika? Aus dem Kreis der Polizei heißt es, dass offensive Waffenhaltung notwendig und legal sei. Denn heute reiche nicht mehr nur die Uniform aus, um der Polizei Respekt zu verschaffen. Deshalb müssten Polizisten nun härtere Geschütze auffahren.

Spätestens im Zeitalter des Terrorismus, der mittlerweile auch in Deutschland angekommen ist, rüstet die Polizei massiv auf.

Wenn der Einsatz der Waffe auch das letzte Mittel ist, kann es zur Deeskalation einer Situation beitragen, wenn bewaffnete Täter, die einen Polizisten angreifen wollen, bemerken, dass auch dieser eine Waffe bereithält und somit auf einen möglichen Waffeneinsatz entsprechend vorbereitet ist. Sollte allerdings ein Beamter auf Macht aus sein, sind die auf ihn treffenden Bürger noch gefährdeter, mit rechtswidriger Polizeigewalt bedacht zu werden. Wenn hierbei dann die Waffe locker eingesetzt wird, kann das schnell als tödliches Spiel enden.

Für Silke, die unbewaffnet einen Schlüssel aus der Tasche holte und diesen in das für ihn bestimmte Schloss steckte, bedeutete dies, dass ein Polizist, der irrtümlich glaubt, eingeschlossen zu werden, einen übereilten Waffengebrauch damit rechtfertigen könnte, aus Notwehr gehandelt zu haben. Wenn der Justizapparat dies dann in letzter Konsequenz als gegeben hinnähme und akzeptierte, wäre daraus zukünftig nichts Gutes zu erwarten.




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