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Dienstaufsichtsbeschwerde

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Dem Polizeipräsidenten schilderte Silke wahrheitsgetreu ihre Beobachtungen und Erkenntnisse vom Tag des Übergriffes auf sie. Sie wollte dem Behördenleiter deutlich machen, wie in seinem Revier der Dienst von zweien seiner Beamten aufgefasst wurde. Sie hatten weder ermittelt, noch waren sie auf Silkes Ausführungen eingegangen. In keiner Weise hatten sie es für nötig befunden, Sicherheitsmaßnahmen einzuleiten und vorhandene Zeugen zu befragen. Offenbar wichtig war ihnen nur das beschädigte Gartentor. Für Silke war es immer noch unbegreiflich, wie zwei vereidigte Beamte, die zum Wohle und Schutz der Bevölkerung auf Steuerkosten ausgebildet wurden, sich ihr gegenüber verhalten hatten. Der rechte Arm war vor Schmerzen kaum zu gebrauchen. Silke musste eine Schreibpause einlegen, um ihn erneut zu kühlen. Dazu holte sie eine knackige Tafel Haselnussschokolade als Trostpflaster aus dem Schrank. Sie konnte den Schmerz nicht stillen, aber etwas dämpfen, spürte sie und arbeitete weiter an der Dienstaufsichtsbeschwerde. Silke dokumentierte das Geschehen vollständig, auch, dass sie dem Luftgucker, nach ihrem Blick in seine Augen, die Frage gestellt hatte: „Haben Sie Drogen genommen?“

Die stecknadelkopfgroßen Pupillen in abstruser Verbindung mit dem abnormen Verhalten des Beamten wollte sie nicht unter den Tisch fallen lassen. Schließlich gibt es nicht nur weiße, sondern auch schwarze Schafe. Sie ging davon aus, dass der Behördenleiter diesen Zusammenhängen seine Aufmerksamkeit widmen würde. Schließlich trägt er die Verantwortung für das Tun und Lassen seiner diensthabenden Mitarbeiter, zum Wohle der Bürger. Ausführlich schilderte sie den Übergriff des Luftguckers auf ihre Person. Sie gab an, dass man sie auf der Notfallstation des Krankenhauses ärztlich versorgt hatte und fügte den ärztlichen Befundbericht bei. Ihr Blick haftete an den Diagnosen fest, und Silke hörte auf zu schreiben. Sie griff sich mit der Hand an den Kopf und sagte laut zu sich selbst: „Jetzt bin ich auch noch gezwungen, mich mit diesen negativen Dingen zu beschäftigen.“

Sie brach ein Stück Schokolade ab und ließ es schnell in den Mund wandern, wo sie es langsam zergehen ließ. Schokolade ist doch ein Allheilmittel, dachte sie. Jetzt, da sie ihre Stresshormone ein wenig heruntergefahren hatte, konnte sie ihre Mitteilung sachlich zu Ende schreiben und auf den Postweg bringen. Sie setzte all ihre Hoffnungen in die Gerechtigkeit.

Silke blieb jetzt nichts anderes mehr übrig, als zu warten, was passieren würde, und ob das Gesetz auf ihrer Seite stand. Am Abend telefonierte sie mit Maximilian. Er erzählte ihr, wie er seinen Tag verbracht hatte und was auf dem Gut alles zu tun gewesen war. Silke wusste nicht so genau, ob sie ihn nun auch noch mit ihrer hässlichen Sache belasten sollte. Mit Rücksicht auf ihn ließ sie es bleiben.

In der Folgezeit musste Silke ständig an die Machenschaften des Luftguckers denken. Ihre blauen Flecken erinnerten sie jeden Tag aufs Neue. Im Laufe der Heilung nahmen sie täglich neue bunte Farben an, was bewies, dass ihr Körper arbeitete und das durch die Verletzungen ausgetretene Blut allmählich abbaute. Silke wartete auf die Antwort des Polizeipräsidenten auf ihre Eingabe. In den folgenden Tagen geschah nichts. Als die blauen Flecken langsam verblassten, ging Silke längst wieder arbeiten und verbrachte ihre Feierabende meistens mit Max, dem sie gerne zuhörte, während er von seiner Gutsarbeit erzählte. Sie genossen ihre gemeinsame Freizeit unter anderem mit Ausflügen, zum Tanzen gehen und Kinobesuchen.

Jeden Tag, wenn sie nach Feierabend zuhause angekommen war, ging Silke sofort zum Briefkasten, um nachzusehen, ob der deutsche Staat endlich in die Hufe gekommen war. Eines Tages war es dann soweit. Ein Brief des Polizeipräsidenten lag im Postkasten. Erwartungsvoll öffnete Silke den Umschlag und entnahm dem Brief lediglich, dass man erst in der nächsten Zeit auf ihre Eingabe zurückkommen würde. Silkes Rechtsanwalt informierte sie darüber, dass er inzwischen Anklage gegen den Luftgucker wegen rechtswidriger Körperverletzung im Amt eingereicht hätte. Silke genügte das erst einmal. Sie wartete nun wieder darauf, dass der Amtsschimmel wieherte.

Nach vielen langen Wochen und etlichen Beruhigungsschokoriegeln schickte die Staatsanwaltschaft Silke einen Brief. Voller Erwartung und Vertrauen in das deutsche Recht, öffnete Silke ihn und verlor sofort den Glauben an die Gerechtigkeit.


GEFANGEN in der Gesetzesmühle

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