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Gerichtsverhandlung Landgericht

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Es war ein warmer Tag im Februar 2014. Silke saß auf dem riesigen Flur vor dem Saal im Landgericht, wo die Verhandlung gegen das Land stattfinden sollte. Sie war überpünktlich und noch allein auf dem Gang. Sie kam sich ziemlich verloren vor auf der großen, robusten Holzbank wartend, und fragte sich, wie viel Angstschweiß wohl schon in das alte Holz hineingeflossen war. Ihr Handy summte und sie mailte mit Maximilian, der leider nicht bei ihr sein konnte, weil er wie jedes Jahr zu der Zeit mit seinen Freunden in Ischgl Urlaub machte. Er erzählte ihr, dass gerade alle beim Frühstück saßen und danach durch den Schnee zur Schneehütte stapfen wollten. Silke wünschte ihm viel Spaß.

Allmählich füllte sich der Gang. Mittlerweile waren auch die Teilnehmer der Gerichtsverhandlung fast vollzählig eingetroffen. Die Verhandlung ließ dennoch auf sich warten, da die gegnerische Rechtsanwältin sich verspätete. Nach ihrer kurzen Entschuldigung konnte es endlich losgehen. Silke betrat den Gerichtssaal und folgte ihrem Anwalt zum Sitzplatz. Ihnen gegenüber saßen ein Vertreter des Landes und die gegnerische Rechtsanwältin. Auf dem Podest hinter dem Richtertisch hatten die Richterin in der Mitte, links von ihr eine Gerichtsschreiberin und rechts ein Staatsanwalt Platz genommen. Silke fühlte sich von allen Seiten misstrauisch beäugt. Die Richterin führte sogleich das Wort, und nach kurzer Feststellung der Personalien erklärte sie Silke rigoros: „Die Beamten müssen sich von Ihnen nicht einschließen lassen.“

Sie hielt quasi einen Vortrag, an Silke gerichtet, bei dem keine Einwände zugelassen wurden. Die Worte der Richterin waren Silkes bereits erfolgte Vorverurteilung, eine fälschliche Unterstellung wider besseres Wissen und eine Ohrfeige ins Gesicht von Silke. Sie holte Atem, um zu antworten, sich zu verteidigen und der Richterin klar zu machen, dass sie die Polizisten nicht hatte einschließen wollen. Doch die Worte mussten ihr im Hals stecken bleiben, denn die Richterin wollte nichts hören und winkte widerwillig ab. Mit abwertendem Blick gegen Silke untersagte sie ihr jegliche Wortmeldung. Rechtsanwalt Tränhart gab zu bedenken, dass Silke bei der Polizei Hilfe gesucht hatte und als Hilfesuchende vom Polizisten Pappulski verletzt wurde.

Er sagte: „Frau Behring hat Verletzungen erlitten, mehrere Hämatome.

Der Arztbericht liegt Ihnen vor.“

„Die paar Hämatome tun nichts zur Sache“, sagte die Richterin wörtlich.

„Und Prellungen“, erinnerte sie Rechtsanwalt Tränhart an den Inhalt des ärztlichen

Befundberichtes.

„Die spielen auch keine Rolle“, entgegnete die Richterin gleichgültig.

Mit ihren Worten hatte sie die Gewalt des Polizeibeamten Pappulski gegen Silke gerichtlich legalisiert und sich seiner Machenschaft angepasst. Silke kam sich vor, wie eine Verbrecherin. Hätte die Richterin als eine der Säulen des Rechtsstaates Recht sprechen wollen, hätte sie mindestens auch Silke nach der Sachlage befragen und anhören müssen, fand Silke. Dazu sei eine Gerichtsverhandlung doch da, glaubte sie. Doch es wurde nicht verhandelt. Die Richterin bestand auf einseitiger Prozessführung und ließ Silke weiterhin nicht zu Wort kommen. Dadurch wurde zumindest Rechtsanwalt Tränhart klar, dass sie die Klage abweisen würde. Er bat die Richterin, mit Silke auf den Flur gehen zu dürfen. Sie nickte gebietend und von oben herab. Um Handlungsfreiheit für das weitere Procedere zu behalten, war Silke, auf Empfehlung ihres Anwalts Tränhart aus strategischen Gründen dazu gezwungen, die Klage zurückzuziehen.

Silke fiel auf, wie unterschiedlich die Rechtsverteidiger waren: Die Rechtsanwältin von der Gegenseite haute gegen Silke ohne Rücksicht in die Vollen. Sie schilderte sie als die Böse, die den Schlüssel ins Tor gesteckt hatte, so dass die Beamten vermuten mussten, dass sie eingeschlossen werden sollten. Silkes eigener Anwalt aber hielt sich sehr bedeckt, hörte verstummend zu und vergaß scheinbar die Verteidigung von Silke, wegen der er vor Ort war. Silke saß zusammengesunken auf ihrem Platz, wie ein begossener Pudel, und musste sich noch von der Richterin am Sprechen hindern und fertigmachen lassen. Deren Aussage und Beurteilung ließ das Recht und Gesetz vermissen.

Silke begriff nicht, wie diese Richterin, ohne auch sie zum Sachverhalt angehört zu haben, die an ihr grundlos durchgeführte, nicht angekündigte und daher rechtswidrige Gewalt des Polizisten, zu ihrem Nachteil, nachträglich gutheißen konnte. Gerichte stehen nicht über dem Gesetz. Aus diesem Grund empfand Silke die schnöde Behandlung, die ihr widerfahren war, als Rechtsbeugung. Sie wusste, dass man mit diesem Begriff sehr vorsichtig umgehen musste, da man sich, wenn man ihn jemandem vorwarf, selbst strafbar machen konnte, was geahndet wird. Sie beschloss das, was die Obrigkeit ihr angetan hatte, als „Unrechtsbegradigung“ zu bezeichnen. Denn sie hatte es nun am eigenen Leib erfahren, wie dem Unrecht von Rechtswegen her ein gerader Weg geebnet wurde.

Wenn die Begriffe nicht klargestellt sind, dann treffen die Worte

nicht das Richtige.

Wenn die Worte nicht das Richtige treffen, dann kann man in

seinen Aufgaben keinen Erfolg haben, dann können Ordnung

und Harmonie nicht blühen.

Wenn Ordnung und Harmonie nicht blühen können, dann sind

die Strafen nicht gerecht.

Wenn die Strafen nicht gerecht sind, dann weiß das Volk nicht

mehr aus noch ein.

Konfuzius

GEFANGEN in der Gesetzesmühle

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