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Hilfesuche um Rechtsbeistand

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Mittlerweile war es 8.00 Uhr geworden. Draußen war es hell. Für Silke war es jetzt an der Zeit, dass sie ihre Gedanken in die Tat umsetzte. Sie versuchte, so gut es mit ihren Verletzungen möglich war, zu duschen. Der Druck des herabfallenden Duschwassers ergoss sich wie tausend kleine Nadeln auf ihrer verletzten Haut, und sie ließ das ausgiebige Einseifen und Abbrausen ihrer Arme lieber aus. Nachdem sie sich vorsichtig trockengetupft und angekleidet hatte, nahm sie ein kleines Frühstück ein. Danach machte sie sich auf den Weg zu einer kleinen Anwaltskanzlei, in die Stadtmitte gelegen. Sie fand einen Parkplatz am Gerichtsgebäude und betrat die Kanzlei von Rechtsanwalt Tränhart. Am Empfang thronte eine blendend aussehende, auf Business gestylte Dame jungen Alters.

„Haben sie etwa einen Termin? Was kann ich denn für Sie tun?“, fragte sie etwas schnippisch. Mein Gott, bist du wichtig, schoss es Silke durch den Kopf. Sie erklärte der Dame, dass sie mit Rechtsanwalt Tränhart sprechen müsse, um sich dessen Rat einzuholen.

„Dann will ich mal sehen, ob Herr Tränhart überhaupt für Sie Zeit hat“, meinte Miss Wichtig hochnäsig.

„Das ist sehr nett von Ihnen“, erwiderte Silke und bedankte sich. Die Angestellte deutete mit dem ausgestreckten Zeigefinger in den Wartebereich, wo Silke sich einen Platz suchte und niederließ. Sie sah sich im Raum um, betrachtete die Bilder an den Wänden und harrte der Dinge, die da kommen würden. Auf einmal stand Miss Wichtig wieder in der Tür und bat Silke in das Zimmer ihres Chefs. Herr Tränhart, ein dicklicher, zur Halbglatze neigender, älterer Herr, dessen Brille soweit auf die Nase gerutscht war, dass Silke dachte, jeden Moment würde sie auf den Schreibtisch knallen, stand auf und begrüßte Silke abschätzend. Er bot ihr einen Platz an und fragte, ob sie einen Kaffee trinken wolle. Der Kaffee kam Silke gerade recht, und sie nahm sein Angebot gern an.

„Frau Hofer!“ rief der Rechtsanwalt nach seiner Sekretärin. „Machen Sie uns mal zwei Kaffee!“

„Aber gern, Herr Tränhart“, flötete Miss Wichtig. Nach einer halben Minute bereits servierte Miss Wichtig zwei dampfende Tassen Kaffee. Vorsichtig nahm Silke den ersten Schluck. Dann erzählte sie ohne Punkt und Komma, was vorgefallen war. Es sprudelte nur so aus ihr heraus. Der Anwalt sah sie über den Brillenrand unentwegt an, nickte immer wieder und machte sich Notizen. Als Silke ihren Bericht beendet hatte, urteilte er: „Für beide Polizeibeamten ein äußerst fehlgeschlagener Einsatz und ein nicht tolerierbares Verhalten. Man hört sich doch erst einmal an, was der Zeuge zu sagen hat und stellt dann seine Fragen.“ Er fragte: „Was wollen wir machen?“

„Eigentlich möchte ich eine Dienstaufsichtsbeschwerde einreichen.“, meinte Silke zaghaft. Sie strich über ihren rechten, vor Schmerzen pochenden Arm. Rechtsanwalt Tränhart stimmte ihr zu. Gleichzeitig empfahl er Silke, in ihrem Auftrag zusätzlich einen Strafantrag gegen den Luftgucker, wegen widerrechtlicher Körperverletzung im Amt, bei der Staatsanwaltschaft einzureichen. Silke stimmte zu, mit den Worten: „Sie sind der Experte. Machen Sie, was Sie für richtig halten.“

Sie hielt es noch für wichtig, dem Rechtsanwalt wahrheitsgetreu von ihrer Beobachtung der ihr aufgefallenen, stecknadelkopfgroßen Pupillen des Luftguckers zu berichten. Rechtsanwalt Tränhart bewertete ihre Beobachtung mit der Annahme, dass durchaus chemische Mittel als Ursache für das inadäquate Benehmen beider Polizisten möglich waren. Wie anders sonst konnte man sich nachvollziehbar ihr ungewöhnlich auffallendes Verhalten erklären?

„Ein Polizist, der offenbar eine kurze Zündschnur hat und ausrastet, kann natürlich unberechenbar sein. Da kann ich Ihre Angst gut verstehen.“, sagte Rechtsanwalt Tränhart und ließ sich von Silke eine Prozessvollmacht unterzeichnen, mit dem begleitenden Kommentar: „Ich muss ja auch was verdienen.“

Silke fand das gar nicht zum Lachen. Sie unterschrieb das Blatt und übergab ihm auch noch das ärztliche Attest, das sie am Vortag im Krankenhaus erhalten hatte. Rechtsanwalt Tränhart rückte seine Brille gerade und versprach Silke, die Angelegenheit höchstpersönlich zu erledigen. Sie bräuchte sich erstmal um nichts weiter zu kümmern, als die Dienstaufsichtsbeschwerde selbst zu Papier zu bringen und an der richtigen Stelle einzureichen. Silke war erleichtert und bedankte sich bei dem, wie ihr schien, netten Anwalt. Er dankte ihr ebenfalls höflich und schickte sie ins Vorzimmer zu Miss Wichtig, um dort einen weiteren Gesprächstermin in etwa drei Wochen zu vereinbaren.

Miss Wichtig schlug in einem großen Terminplaner nach und suchte nach einem freien Termin. Aber sie wäre nicht Miss Wichtig gewesen, wenn sie keinen gefunden hätte. Silke war mit dem angebotenen Wiedervorstellungstag einverstanden, bedankte sich auch bei ihr und verließ die Kanzlei.

Draußen auf der Straße holte sie tief Luft. Schulter und Arme taten ihr weh, und sie wäre am liebsten gleich wieder ins Bett gegangen, um sie zu kühlen. Doch ihre Freundin Claudia, die seit einigen Jahren im Marbella lebte, war gerade vom Düsseldorfer Flughafen eingetroffen und wartete schon im Café am Marktplatz auf sie. Silke wollte die Verabredung nicht platzen lassen, fuhr ins Parkhaus und ging von der vierten Etage die Treppe hinunter, zum Marktplatz hinaus und ins Café, wo ihre Freundin schon auf sie wartete. Silke und Claudia freuten sich über ihr Wiedersehen und fielen sich zur Begrüßung in die Arme. Das aber war für Silkes Verletzungen zu viel. „Aua!“ jammerte sie.

„Was hast du denn?“ fragte Claudia erschrocken.

Silke erzählte ihr, was geschehen war. Sie schilderte das lückenlose Geschehen, insbesondere auch das Benehmen des Pappulski, so plastisch, dass Claudia nicht anders konnte, als sich einerseits über den Mann zu echauffieren, andererseits aber auch über ihn zu lachen. Sie fand dessen Verhalten absolut nicht hinnehmbar, zudem auffallend lächerlich und stützte den Rücken ihrer Freundin. „Kämpfe um dein Recht.“, sagte sie.

Silke hatte keine rechte Ruhe für ausgedehntere Unternehmungen mit ihrer Freundin. Sie verabschiedete sich bald bis zum nächsten Tag und fuhr nach Hause. Dort angekommen, setzte sie sich an ihren Schreibtisch und machte sich mit dem Nachgeschmack der Erinnerung an das schlimme Erlebnis mit den beiden Polizisten ans Werk, die Dienstaufsichtsbeschwerde zu verfassen und in den Computer zu tippen.


GEFANGEN in der Gesetzesmühle

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