Читать книгу Jugendstrafrecht - Sabine Swoboda - Страница 48
V.Jugendstrafrecht in anderen europäischen Staaten
Оглавление139Von den Jugendstrafgesetzen unserer Nachbarstaaten250 hat das Österreichische JGG 1988 auch in der Bundesrepublik besondere Beachtung gefunden. Es galt in vielen Punkten als vorbildlich. Das betrifft etwa die Regelung des Täter-Opfer-Ausgleichs („Außergerichtlicher Tatausgleich“ – ATA), aber auch die zahlreichen und differenzierten Möglichkeiten des Strafverzichts bei „ubiquitärer“ Jugendkriminalität mit geringer Schuld, die von materiell-rechtlichem Strafausschluss über verfahrensrechtliche Diversionsformen bis zum Schuldspruch ohne Strafe und mit Strafvorbehalt reichen. Das österreichische Recht bekennt sich absolut zum Vorrang der Diversion, sowohl in der Form einer schlichten Diversion als auch einer intervenierenden Diversion mit der Folge, dass ein sehr hoher Prozentsatz aller Verfahren gegen Jugendliche ohne formellen Schuldspruch und ohne Verurteilungswirkung erledigt werden kann.251 Hinsichtlich der Unrechtsfolgen gilt das Subsidiaritätsprinzip, also ein abgestufter Katalog der Unrechtsfolgen mit Vorrang der Diversionsmaßnahmen. Als Sanktionszweck wird ausdrücklich die Legalbewährung, also die Individualprävention genannt. Erziehung darf nur mit Blick hierauf stattfinden. Aspekte der (positiven) Generalprävention werden aber herangezogen, um den Möglichkeiten zu einem informellen Verfahrensverzicht auch Grenzen zu setzen. Die Höhe der verhängten Strafen ist durch die Einzeltatschuld begrenzt. Es gelten – anders als im deutschen Recht – die Strafzumessungsregeln des allgemeinen Rechts aus §§ 32 ff. des Österr. StGB. Den Jugendarrest kennt das Österr. JGG nicht, wohl aber die Geldstrafe und die problematische Freiheitsstrafe mit einer Mindestdauer von 1 Tag. Weisungen und Auflagen werden mit vorläufiger Einstellung des Verfahrens kombiniert, so dass bei Nichtbefolgung die Wiederaufnahme des Verfahrens droht. In das Österr. JGG sind Heranwachsende – dort sog. „junge Erwachsene“ nur prozessual mit einbezogen, während materiell für sie grundsätzlich die Strafrahmen, Strafsätze und Strafzumessungsregeln des Erwachsenenstrafrechts gelten, jedoch mit der Ausnahme, dass die Begehung einer Straftat vor Vollendung des 21. Lebensjahres einen besonderen Milderungsgrund nach § 34 I Ziff. 1 Österr. StGB bildet und anstelle der lebenslangen Strafe nur eine Höchststrafe von 20 Jahren verhängt werden kann.252 § 36 Österr. StGB sieht weitere Strafrahmenverschiebungen zugunsten des jungen Erwachsenen vor. Außerdem muss auch der junge Erwachsene bei einer Strafaussetzung zur Bewährung zwingend der Bewährungshilfe unterstellt werden.
140In den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts haben zahlreiche europäische Staaten ihr Jugendstrafrecht reformiert. Während sich dabei in den westlichen Staaten nahezu durchgehend politisch veranlasste Verschärfungen des Jugendstrafrechts durchsetzen,253 versuchten andere Staaten dem starken Anstieg der Jugendkriminalität mit dem Erlass relativ moderner, weniger repressiv denn erzieherisch ausgerichteter Jugendgerichtsgesetze zu begegnen.254