Читать книгу Jugendstrafrecht - Sabine Swoboda - Страница 49
VI.Internationale Vereinbarungen zum Jugendstrafrecht
Оглавление141– Immer stärker finden die Belange der jugendlichen Straffälligen auch in internationalen Abkommen und Richtlinien Beachtung.255
– Im Jahre 1985 wurden die Mindestgrundsätze der Vereinten Nationen für die Jugendgerichtsbarkeit (United Nations Standard Minimum for the Administration of Juvenile Justice, „The Beijing-Rules“) verabschiedet.256 Hierin werden alle Verfahrensabschnitte des Jugendgerichtsverfahrens angesprochen. Neben allgemeinen Prinzipien finden Diversion, Untersuchungshaft, Verfahrensbeteiligte, Sanktionsmöglichkeiten (unterteilt nach ambulanten und stationären Maßnahmen) und die Behandlung von jugendlichen Strafgefangenen Erwähnung.
– Ihnen folgten im Jahre 1990 die Grundsätze der Vereinten Nationen zum Schutz von Jugendlichen, die sich in Freiheitsentzug befinden (United Nations Rules for the Protection of Juveniles Deprived of their Liberty).257 Diese Regeln erklären insbesondere, dass der Vollzug von Freiheitsstrafen an Jugendlichen das äußerste Mittel der Sanktionierung darstellen muss.
– Ferner ist 1992 mit den Richtlinien der Vereinten Nationen für die Prävention von Jugendkriminalität (United Nations Guidelines for the Prevention of Juvenile Delinquency, „The Riyadh Guidelines“)258 eine Resolution entstanden, die versucht, der Entstehung von Jugendkriminalität vorzubeugen, indem sie Grundsätze zur Sozialisation von Kindern und zur Sozialpolitik aufstellt. Diese Grundsätze bilden zwar kein unmittelbar geltendes Recht in den Mitgliedstaaten der UNO, geben aber doch einen gewissen Leitfaden für den Umgang mit straffälligen Jugendlichen.
– Am 5.4.1992 ist in der BRD das Übereinkommen vom 20.11.1989 über die Rechte des Kindes („UN-Kinderrechtskonvention“) in Kraft getreten,259 das sich unabhängig von strafrechtlichen Aspekten mit der Rechtsstellung von Kindern befasst. Immerhin sollten die dort aufgestellten Standards auch für das Jugendstrafrecht Geltung beanspruchen (z. B. Art. 5, 9, 16, Respektierung der Elternrechte).
– Zur UN-Kinderrechtskonvention formulierte die UN-Kinderrechtskommission am 24.4.2007 den Allgemeinen Kommentar Nr. 10 betreffend „Kinderrechte in Jugendkriminalrechtssystemen“.
142– Auch auf europäischer Ebene wurden seit 1987 zahlreiche „Empfehlungen“ zum Umgang mit Jugendkriminalität und mit jungen Straftätern im Strafvollzug erlassen, namentlich:
– Empfehlung Rec. No. (1987) 20 „über die gesellschaftlichen Reaktionen auf Jugendkriminalität“;
– Empfehlung Rec. No. (1988) 6 „über die gesellschaftlichen Reaktionen auf Kriminalität unter Jugendlichen aus Gastarbeiterfamilien“;
– Empfehlung Rec. No. (1992) 16 und (2000) 22 über die Europäischen Grundsätze zu ambulanten Sanktionen und Maßnahmen;
– Empfehlung Rec. No. (1999) 19 über „Mediation in Strafsachen“;
– Empfehlung Rec. No. (2000) 20 „über die Rolle des frühzeitigen psychosozialen Einschreitens zur Verhütung kriminellen Verhaltens“;
– Empfehlung Rec. No. (2003) 20 zu „neuen Wegen im Umgang mit Jugenddelinquenz und der Rolle der Jugendgerichtsbarkeit“;
– Empfehlung Rec. No. (2008) 11 mit dem Titel „Europäische Regeln für Sanktionen und Maßnahmen bei jugendlichen Straftätern“, sog. „ERJOSSM“.260
– Art. 3 (2) der Richtlinie 2012/13/EU des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission vom 22.5.2012 über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren.261
– Richtlinie 2016/800/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.5.2016 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für Kinder, die Verdächtige oder beschuldigte Personen in Strafverfahren sind.262
Diese Empfehlungen sind ebenso wie die von den Vereinten Nationen gefassten Richtlinien und Grundsätze zwar nur sog. „soft law“, nicht zwingendes Recht, doch legt ihre Nichtbeachtung bzw. ein Unterschreiten der internationalen Mindeststandards eine Grundrechtsverletzung nah.263 Anders bei den Richtlinien der EU. Diese gelten unmittelbar in allen Mitgliedstaaten und trotz Umsetzungspflicht lassen sich aus diesen bei nicht rechtzeitiger oder fehlerhafter Umsetzung der Richtlinie ins nationale Recht unter Umständen sogar individuelle Rechte gegen den Staat ableiten. Das gilt dann, wenn die Richtlinie in einzelnen Punkten hinreichend bestimmt und unbedingt ist und individuelle Rechte formuliert. Diese können dann über den Mechanismus der unmittelbaren Wirkung gegen den Staat geltend gemacht werden, aber nicht zulasten Dritter. Generell sind zudem klare Zielsetzungen der Richtlinie im Wege der richtlinienkonformen Auslegung zu berücksichtigen, sofern das nationale Recht Anknüpfungspunkte für eine entsprechende Auslegung bereithält bzw. eine entsprechende Auslegung nicht eindeutig verbietet.264