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21. Januar 1867 – Geburtstag Ludwig Thomas

… von hervorragendem Verstand

Er hatte es mit den Juristen. Er war selber einer. Er hatte sogar eine Dissertation geschrieben und führte den Doktortitel. Was er eigentlich nicht durfte, denn er hatte seine Arbeit nie drucken lassen. Ludwig Thoma war so einer. Irgendwie oa Viech, oa Lausbuab. Eben damit begründete er wohl zuallererst seinen Ruhm: mit den „Lausbubengeschichten“. Ferner bekannt ist der fleißige Schreiber durch eine Vielzahl von Romanen und Stücken, und regional am Ende am berühmtesten durch seinen „Münchner im Himmel“. Außerdem war er lange Jahre Autor und Redakteur des Simplicissimus, auch ein Ausweis seiner humoristischen und satirischen Qualitäten. Dass er in seiner späten Lebensphase zum übelsten antisemitischen Hetzer mutierte, macht es heute schwer, ein allgemeines Urteil über ihn zu fällen.

Aber eben die Juristerei: Mit der hatte er es, sowohl beruflich als auch als Objekt satirischer Attacken. Es ist vor allem ein Satz, der immer wieder gern zitiert wird, zwar unvollständig, aber immerhin. Gern wird er auch einem Kollegen zugeschrieben, der aber erheblich später wirkte: Kurt Tucholsky. Die Ehre gehört zweifelsfrei allein dem Thoma Ludwig und seiner präzisen Beobachtung: „Er war Jurist und auch sonst von mäßigem Verstand.“ Das ist nicht nur fein formuliert, man kann sich auch vorstellen, jemand fühle sich davon persönlich getroffen. Dass ein solcher Satz dann juristisch zu prüfen ist, wenn er in öffentlicher Rede fällt, versteht sich geradezu von selbst. Und so geschah es vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG BaWü, Beschl. v. 24.05.2007 – 9 Ta 2/07).

Dort klagte ein Advokat und Arbeitgeberfunktionär, weil er diesen Satz, geäußert von einem Gewerkschaftssekretär, auf sich bezogen verstand. Der Beklagte wandte ein, er habe einschränkend erklärt: „Sollte jemand im Raum sein Zitat so verstanden haben, dass er damit den Kläger gemeint habe, so würde er sich dafür bei Herrn Dr. K. entschuldigen. Bei Herrn Tucholsky entschuldige er sich dafür aber nicht.“ Falsch!, urteilte die Kammer, eine Entschuldigung sei durchaus angebracht, doch eben eher bei Ludwig Thoma, dem das Zitat zu verdanken sei. Und, in Fragen der Textanalyse gut beraten, vertiefte sich das juristisch-literarische Trio (die Besetzung liegt nahe) leise triumphierend in die literarhistorische Unterströmung, denn die Sequenz laute tatsächlich: „Der königliche Landgerichtsrat Alois Eschenberger war ein guter Jurist und auch sonst von mäßigem Verstand.“ Verkürzt ginge die selbstironische Distanzierung verloren, die dem Thoma, weil selbst Jurist, am Herzen gelegen habe.

Auch wenn der Beklagte aus grober Unkenntnis das Adjektiv „guter“ weggelassen hatte, Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde sah das Gericht nicht, weil es keine Angelegenheit von grundsätzlicher Bedeutung sei, und gab dem einschlägig beruflich erfahrenen Kläger noch mit auf den Weg:

„Jedenfalls ist es uns Juristen im Allgemeinen bekannt, dass wir ob unseres gewählten Berufes und einer damit verbundenen geistigen Prägung gelegentlich als Objekt des Spottes herhalten müssen. Ludwig Thoma hat dereinst davon noch mehr über unser aller Haupt ergossen (nachzulesen in „Der Münchner im Himmel – Von Rechts wegen“ (…) – die Annahme „von mäßigem“ Verstand zu sein, erscheint da noch harmlos). Das lässt sich jedenfalls aushalten.“

[https://justillon.de/2015/04/er-war-jurist-und-auch-sonst-von-maessigem-verstand-wie-man-mit-einem-falschen-zitat-einen-rechtsanwalt-beleidigt/]

Und ein weiteres Mal bewahrheitet sich die Maxime der komischen Kritik: Darf Satire beleidigen? Ja, darf sie. Man darf sich nur nicht beleidigen lassen. Wohlgemerkt: Das gilt für satirische Arbeiten. Was Thoma sich schon frühzeitig an antisemitischen Ausfällen geleistet hat, erfüllte immer schon mehr als nur den Tatbestand der Beleidigung. Da aber gab es keine demokratisch gesinnten, noch dazu textsicheren Gerichte.


Jugendmild und altersirre: Thomas frühe Erfolge und seine späten Hetzschriften im „Miesbacher Anzeiger“.

Jahrestage-Buch

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