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14. März – Pi-Tag

Kreißsaal? Welcher Kreißsaal?

Machen Sie die Ohren auf, Sie taube Nuss! Nicht Kreißsaal, Kreiszahl ist das Zauberwort. Oder die Zauberzahl, eben: Pi. Ihren Ehrentag kann man gar nicht vergessen: Es reicht vollkommen aus, sich seines grundständigen Schulwissens zu entsinnen (für Unterrichtsverweigerer: zu googeln), um drauf zu kommen, dass die legendäre Kreiszahl 3,1415926535 8979323846 2643383279 (und ewig irgendwie so weiter) lautet. Und weil es sich der Mathematiker gern einfach macht, belässt man es bei den ersten beiden Nachkommastellen und erhält als Datum: den 3. Januar? Den 31. April? Nein, so einfach ist die Angelegenheit wieder nicht, ist ihr Schöpfer doch Amerikaner mit Namen Larry Shaw. Und die zählen wenigstens die Jahrestage anders: aus 11.9. wird aus nine-eleven, aus 31.4. entsprechend fourteen-three. So einfach ist das.

Noch entspannter gestaltet sich das Erinnern, wenn ein geschickt gezupfter Knoten im Taschentuch daran mahnt, dass an eben diesem Datum zweier Genies zu gedenken ist, die ausgerechnet am gleichen Datum das Licht der Welt erblickten bzw. für immer darauf verzichten mussten: Albert Einstein und Stephen Hawking. Pis Leben hinwiederum verdanken wir ja recht eigentlich dem antiken Think Tank Archimedes, der schon im dritten Jahrhundert vor Christus das mathematische Phänomen bewies, demzufolge sich der Umfang eines Kreises zu seinem Durchmesser genauso verhält wie die Fläche des Kreises zum Quadrat des Radius – die Archimedes-Konstante. Pi nannte er diese Näherungszahl, die er aus dem Quotienten von 22: 7 gewann, noch nicht, sodass alle wahren Archimedes-Freunde den Pi-Tag abstinent verleben und sich dafür umso inniger auf den 22. Juli freuen – den Pi Approximation Day (Pi-Annäherungstag). Feiern Sie also, aber feiern Sie bewusst Ihren Helden mit der ihm zustehenden Pietät.


Niernand hat die Absicht, Pi unter die Erde zu bringen. Trotzdem allen Wykern Dank für ihre Initiative. Nur: nächstes Mal bitte richtig schreiben!

Nicht fehlen sollte bei jeder guten Pi-Celebration ein gutes Exemplar einer Torte (engl. pie). Auf den Geschmack kommt es bei den Briten, noch dazu den zahlenfixiert backenden, ganz und gar nicht an, nur rund sollte sie selbstverständlich sein, mit einem Pi-Zeichen muss sie versehen sein und sie muss in möglichst geselliger Mathematiker-Runde verzehrt werden (wenn uns so viel Phantasie auch reichlich überfordert).


Solche Süßspeise muss es der Pointe wegen sein, heißt, Torte ‘ doch im Oxford-Englischen „pie“, was sich in dieser fremden Zunge ebenso ausspricht wie die bewusste Kreiszahl. Es handelt sich demzufolge nicht um einen [pipi], sondern um einen [paipai].

Pie the way: In idealer Rundung wird die Kreiszahl überhaupt nie dargestellt, wenn schon rund, dann als Spirale. Was aber eine rechte und echte Kreiskonstante ist, so muss sie doch auch in Form der idealen geometrischen Figur, eben des Kreises, ikonisch präsentabel sein. Da sei ihre vermutliche Unendlichkeit vor? Das wissen wir aber doch gar nicht. Hilfsweise können wir es immer noch mit der Quadratur des Kreises versuchen, doch daran ist selbst Archimedes gescheitert.

Pi oder – wer perfekt auswärts spricht – hat auch in der elaborierten Kultur inzwischen Kultstatus erlangt; weniger in der Musik (seit Don McLeans „American Pi“ ist nicht mehr viel nachgekommen) als in der Kinematographie (gleicher Titel, mehrere follow ups). Die magische Zahl scheint dort manchmal doch arg überschätzt. In dem Pi-Film „Pi – der Film“ z.B. wird die rätselhafte, weil irrationale Zahl zur Weltformel geadelt. So kann man mit ihr etwa die Aktienkurse voraussagen und damit die Weltherrschaft bzw. doch immerhin die Weltwirtschaft in den miesen Griff kriegen, und eine jüdische Glaubensgemeinschaft verspricht sich, mit ihrer Hilfe die Thora zu entschlüsseln. Das ruft natürlich dunkle Gestalten auf den Plan, die aus dem Mathematikgenie Max Cohen die Universalformel pressen wollen. Daraus – man hätte es sich denken können – wird nichts, und alle großen Hoffnungen müssen begraben werden. Wieder einmal, schade.

Wenn eine Zahl als Weltformel gelten kann, dann nur die aus Roman und angedocktem Film, aus Hör- und Computerspiel hinlänglich berühmte. Sie wissen schon: Sie müsste am 2. April gefeiert werden. Per Anhalter Reisende werden sich auskennen, allen anderen wird weiterhelfen HHGTTG, HHGG oder H2G2, oder aber Doch zurück zum 14. März: In Deutschland wird der Kreiskonstanten auch künftig kaum der angemessene Tribut gezollt werden, auch wenn es, so der Berliner Mathematiker Behrens, immer schon Leute gegeben habe, „die merkwürdige Dinge mit Pi getan haben. Etwa auf Berge klettern, um dort laut die Nachkommastellen zu zitieren.“ Wer wollte da dem Direktor des Erlebnismuseums „Mathematikum“, Beutelspacher, widersprechen, der das Ganze „eine offene Flanke Richtung Verrücktheit“ nennt. Gänzlich durchgeknallt ist aber die Idee, die Rechnerei mittels marketingmäßiger Aufrüstung zu popularisieren und den Gedenktag analog dem Girls Day künftig als Pi-Day zu benamsen. Das weckt doch ganz falsche, ja fast unangenehm schiefe, jedenfalls höchst unbritische Assoziationen.

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