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9. Februar 1948 – Todestag Karl Valentins

Dialektische Hochkomik

Diese Ehrung hat er sich redlich verdient, den Valentinstag am 14. Februar. Schließlich hat er ja nicht nur als Komiker brilliert, sondern auch als Volkssänger, Autor und Filmproduzent. Dialektiker war er allzumal und allezeit: „Jedes Ding hat drei Seiten, eine positive, eine negative und eine komische.“ These, Antithese, Synthese – das sitzt. Ihm einen Tag im traurigen Monat Februar zum Andenken zu widmen, ist Karl Valentin angemessen. Wir wissen ja: Valentin mit ,f‘ ['falantin], nicht ,w‘, man sagt ja auch nicht [‘wog#l].

Um die Sache von hinten aufzurollen („Arschlings heißt von hintenherwärts“): Valentin war ein lustiger Geselle, den ausgerechnet ein besonders absurder Tod ereilte. Unmittelbar nach dem Krieg sehr geschwächt, starb er am 9. Februar 1948 an einer Lungenentzündung und (auch wohl an Unterernährung), weil er versehentlich nach einem Auftritt in den ausgekühlten Räumen des Münchener Theaters an der Wörther Straße eingeschlossen worden war. Am 11. des Monats, einem Aschermittwoch und also drei Tage vor dem eigentlichen Valentinstag, wurde er bestattet. In seinen letzten Jahren, der unmittelbaren Nachkriegszeit, hatte er nach jahrelanger Trennung die Duett-Auftritte mit Liesl Karlstadt noch einmal aufleben lassen; erfolglos.

Während der Kriegsjahre pausierte er. Er, der weder mit den Nazis paktierte noch sie sonderlich provozierte. Viel mehr als ein Kalauer war nicht von ihm zu hören: „Gut, dass Hitler nicht Kräuter heißt, sonst müsste man ihn mit ,Heil Kräuter' grüßen.“ Man kann als Nachgeborener nicht verlangen, dass man unbedingt den Widerstandskämpfer hätte geben müssen. Immerhin gingen beide Seiten auf Distanz zueinander: Die Nazis, weil sie seinen Film „Die Erbschaft“ (1936) wegen „Elendstendenzen“ verboten, Karl Valentin, weil er seine Postkartensammlung mit Motiven aus dem München des 19. Jahrhunderts für eine Summe nicht unter 100 000 Mark an Hitler verkaufen wollte. Der war sogar bereit zu zahlen, allerdings unter der Bedingung, dass Valentin das Geld nicht fürs Filmemachen ausgibt. Auf Auflagen aber mochte sich der klamme Komiker nicht einlassen. Über Hitlers Leibfotografen ließ er ausrichten: „Sagen S' dem Herrn Führer, I bin wie er – alles oder nichts!“

Man ließ ihn weitgehend gewähren – weil er für die Machthaber ungefährlich war, oder weil sie seine spitzfindige Sprachartistik und die tragische Komik seiner Szenen schlicht nicht verstanden. Wie auch immer: Seine erfolgreiche Zeit war da schon vorbei – und die absolut erfolgreichste sollte erst fünfzig Jahre später kommen. Alles Weitere erklärt das Valentin-Karlstadt-Musäum in München („Kinder unter 6 Jahren und 99jährige in Begleitung ihrer Eltern haben freien Eintritt.“).

Der Stand eines anspruchsvollen Humoristen in seiner Zeit ist nie ein ganz leichter, für Valentin auch und gerade in seiner Heimat nicht. Da machte er sich keine Illusionen: „Ich habe meine lieben Bayern und speziell meine lieben Münchner genau kennengelernt. Alle anderen mit Ausnahme der Eskimos und der Indianer haben mehr Interesse an mir als meine ,Landsleute'.“

Immerhin stellte sich nach langer Durststrecke ab dem Jahr 1908 der Erfolg ein: Sein musikalisches Können (er brachte sich eine ganze Reihe an Instrumenten autodidaktisch bei) verband er mit grotesker Körpersprache, Slapstick-Elementen und einem grandiosen Vermögen, mit der Sprache zu spielen. Mit der zuletzt genannten Fähigkeit war er der ,Urvater‘ vieler hochkomischer Nachfahren, von denen Gerhard Polt, der 2001 denn auch als erster Preisträger des Karl-Valentin-Ordens rechtmäßig geehrt wurde, der ihm vielleicht genehmste gewesen wäre.

Die Zielscheibe seiner Witze ist das Publikum oder er selbst. Auf der Bühne wie auch im Alltag lebt er im ständigen Kampf mit der Realität und der Gesellschaft, mit Behörden oder Mitmenschen. Viel Verzweiflung steckte in seiner Komik.

Dann lernt Valentin Elisabeth Wellano (1892-1960) kennen, die später als Liesl Karlstadt neben ihm auf seinen Bühnen stehen wird, kongeniale Partnerin in seinen abstrusen Dialogen, dem virtuosen Jonglieren mit der Sprache auf der Bühne, im Film und im Studio.


Anders schön: Karl-Valentin-Brunnen (Ernst Andreas Rauch, 1953) und Liesl-Karlstadt-Brunnen (Hans Osel, 1961) auf dem Viktualienmarkt in München

Sie, die gleichzeitig seine Geliebte wurde, zog er mit in den Abgrund, als er beider Ersparnisse in sein erfolgloses Panoptikum-Projekt pumpte – und alles verlor. Von dem, was er auf der Bühne zeigte, verstand er etwas: vom ewigen Kampf mit den Misslichkeiten des Alltags, von behördlichen Irrsinn oder seinen Mitmenschen: „Der Mensch ist gut – die Leute sind schlecht.“ Da war viel Pessimismus und Tragik in Leben und Werk, die zu ,überspielen‘ sein Lebenselixier war.

Angefangen hatte dieses Leben eh schon mit einem Realitätsschock („Als ich die Hebamme sah, die mich empfing, war ich sprachlos. Ich hatte diese Frau in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen.“). Apropos sprachlos: „I sag gar nix. Dös wird man doch noch sagen dürfen." Da scheint wie immer die Resignation und der Untertanengeist des Kleinbürgers (nicht Valentins) durch. Was aber auch durchscheint, ist, dass – genau wie in diesem Beitrag – Karl Valentin immer nur als Produzent geistreicher Bonmots in Erinnerung ist, wenn man diese überhaupt ihm zuschreibt. Deshalb: Lest seine Szenen! Schaut seine Filme! Dass niemand hinterher sage: „Mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen habe ich mich nicht getraut.“

Jahrestage-Buch

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