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Erinnerungskulturen und -orte
ОглавлениеEin Ausgangspunkt dieses Buches ist die Feststellung, dass in den Debatten zu Erinnerungs- und Gedächtniskulturen der Tourismus ignoriert oder als «negative Kontrastfolie»26 behandelt wird. Erinnern ist edel, Tourismus vulgär oder banal. Bezeichnend dafür ist, wie der Historiker Pierre Nora, der das Konzept der «Lieux de mémoire» begründete, das Wort «touristisch» benutzt. Im Vorwort zu Lieux de mémoire schreibt er, dass das französische Nationalgefühl nicht mehr «auf das Opfer, den Trauerkult und die Abwehr nach aussen bezogen» sei, sondern «zunehmend geniesserisch, neugierig, man könnte fast sagen, touristisch» werde.27 «Touristisch» umschreibt eine neue vergnügliche und individualistische Form des Nationalgefühls oder – in Noras Verständnis – der Geschichtskultur. Dennoch wird Tourismus in der Folge nur am Rand behandelt.28
In diesem Buch wird mehrheitlich dasselbe Quellenmaterial untersucht wie in Forschungen zur Erinnerungskultur. Die materielle Dimension der Erinnerungskultur ist auch für den touristischen Geschichtsgebrauch wichtiges Quellenmaterial. Sie besteht sowohl aus Objekten und kollektiven Handlungen, die Geschichtsbilder transportieren, wie Denkmälern oder Gedenkfeiern, als auch aus Gegebenheiten, die symbolisch aufgeladen und zu Medien von Geschichtsbildern gemacht wurden.29 Dieses Buch wählt jedoch einen anderen Zugang zu diesem Quellenmaterial und geht davon aus, dass sich das Ausstatten eines Orts mit Besucherangeboten und das Besuchen eines Orts vom Gebrauch eines Orts zur Evokation von Geschichte unterscheiden kann. Auch Konflikte zwischen verschiedenen Formen des Geschichtsgebrauchs sind möglich.