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Johann Gottfried Ebels Anleitung, 1792

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1792 erschien in Zürich einer der ersten Reiseführer der Schweiz: Johann Gottfried Ebels Anleitung auf die nützlichste und genussvollste Weise die Schweiz zu bereisen.116 Das Werk entwickelte sich zu einem mehrfach aufgelegten, übersetzten und bald auf vier Bände erweiterten Bestseller. Der Name Ebel wurde zu einem Markennamen für Reisehandbücher.117 Ebels Werke wurden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in ganz Europa viel gelesen und zahlreiche spätere Reiseberichte, Reiseführer und auch literarische Werke stützten sich auf Ebels Beschreibungen der Schweiz.118 Der aus Schlesien stammende Johann Gottfried Ebel (1764–1830) war Arzt, Gelehrter, Verfasser geologischer Schriften, Anhänger der Französischen Revolution und ab 1801 helvetischer Bürger.119

Ebels Anleitung markiert für die Schweiz den schnellen Aufstieg der Reiseführer. Zwar existierten bereits seit der Antike Reisehilfen, beispielsweise für Pilgerfahrten nach Rom, doch das sich verändernde Reisen brachte zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine Vielzahl von Reiseführern hervor, die zu Recht als neues Medium bezeichnet werden.120 Auch Reiseerzählungen integrierten oft reisepraktische Angaben wie Fahrzeiten oder Landkarten, doch berichteten sie in einem subjektiveren Ton von einer Reise, wie sie sich nur einmal abgespielt habe. Ab 1800 erschienen weniger «Briefe von», «Reise nach» oder «Anmerkungen über», stattdessen verfassten die Reiseschriftsteller nun ein «Handbuch», einen «Führer» oder, wie Ebel, eine «Anleitung».121 Die methodischen Überlegungen zu Reiseberichten gelten jedoch weitgehend auch für Reiseführer. Roland Barthes hat am Beispiel des «Guide bleu» darauf aufmerksam gemacht, dass Reiseführer den Blick auf eine «reale, in der Zeit existente Landschaft» verformen können, wenn sie in einem mystifizierenden Prozess zum Gegenteil ihres Scheins werden: «zu einem Instrument der Verblendung».122 Wie formte Ebel den Blick auf die Geschichte?

Die Geschichte gewichtete Ebel weniger stark als die Geografie und die Erdwissenschaften. Ebel begründet dies im Vorwort der Erstauflage damit, dass über die Geschichte (und andere nicht prioritäre Wissensbereiche) bereits sehr viel geschrieben worden sei.123 Damit verweist Ebel auf die Absicht, in seinem Reisehandbuch das zeitgenössische Wissen über die beschriebenen Regionen zugänglich zu machen. Die «Vulgarisierung» von Wissen, kombiniert mit reisepraktischen Informationen und ein paar moralischen Regeln, war sein aufklärerisches Anliegen und seine Motivation, ein Reisehandbuch zu schreiben.124 Allerdings hatte Ebel die erste Auflage vor allem auf Reisende ausgerichtet, die sich für die Alpen begeisterten. Der Erfolg der ersten Auflage veranlasste Ebel, die zweite Auflage zu erweitern, gerade um historisches und wissenschaftliches Wissen. Das Werk wuchs auf unhandliche vier Bände an. Ab der dritten Auflage von 1809 kürzte Ebel die Anleitung wieder.125

Ebel faszinierten die Alpen als «unermessliche Ruine», als Zeugnisse einer beeindruckend alten Erdgeschichte.126 Die Geologie der Alpen rege seine Fantasie stärker an als die Denkmäler der Antike, und er hoffe, dass in den Alpen das Buch aufgeschlagen liege, in dem man die geheimnisvollen «tiefen Fernen der Vergangenheit» werde lesen können. Die Geschichte der Schweiz betrachtete Ebel aus der Gegenwart der Französischen Revolution heraus als die Geschichte von drei Völkern, die «für die heiligste Sache des Menschen» – die Freiheit – «mit Heldenglanze kämpfend» siegten, dabei «bescheiden und mässig» waren und in den folgenden Jahrhunderten in humaner Weise Flüchtlinge aufnahmen.127 Die Besetzung der Schweiz durch französische Truppen im März 1798 beschreibt Ebel (in der zweiten Auflage von 1802) als unglaublich tragische Katastrophe, die den Hort der Freiheit zerstört habe. Diese jüngste Wendung habe die Geschichte der Schweiz noch «merkwürdiger» gemacht. Die mittelalterliche Geschichte der Eidgenossenschaft, aber auch die Zeitgeschichte der Helvetik pries der Aufklärer Ebel als lehrreiche politische Merkwürdigkeit vor dem Hintergrund der aufklärerischen Ideale von Freiheit und Gleichheit an:128 «Nur hier allein in Europa bestehen Hirtenvölker und Volksregierungen. Wer also die merkwürdige Staatseinrichtung in der Wirklichkeit kennen lernen will, der muss die Hochgebirge der Schweiz besuchen.»129 Der Begriff «bestehen» machte auf die unveränderte und lange Dauer dieser Modelle aufmerksam, die in den Bergkantonen existiert haben sollen.

Ebels Anleitung besteht in der ersten Ausgabe aus zwei, in der zweiten Ausgabe aus vier Bänden. Der erste Band der zweiten Auflage enthält allgemeine Informationen – von «Der Wirkung der Bergluft» über den «Einfluss des hohen befehlenden Tons auf die Rechnung» zu einer Abbildung des besten Fusseisens für Gletschertouren – sowie Reiserouten, kommentierte Verzeichnisse von Karten, Bildern und Reiseberichten. Im zweiten und dritten Band informiert Ebel in alphabetischer Reihenfolge über die Ortschaften der Schweiz. Unter «Egeri» beschreibt er den Ort und die Schlacht am Morgarten in der ersten Ausgabe von 1793: «Zwischen ihm [dem Kaiserstock] und dem Berg Morgarten schweift das Land in einer sanften Linie hinab, über welche die beschneyten fernen Felsen herüberschauen.»130 Wegen der berühmten Schlacht erhalte dieses Tal grosses Interesse, werde jedoch von den Reisenden wenig besucht. Als idealen Startpunkt nennt Ebel das Dorf Sattel, von wo aus es zu Fuss eine halbe Stunde zum «klassischen Ort Morgarten» sei.131

In der zweiten Ausgabe von 1804 beschreibt Ebel das «Egeri-Thal» mit anderen Worten: «Dieses Thal ist über alles merkwürdig, weil an dem östlichen Theil des Sees die Eidgenossen für ihre Freyheit und Existenz die erste und wichtigste Schlacht erkämpften. Damals stand der See um vieles höher […].»132 Ebel erzählt ausführlich die Geschichte der Schlacht, so wie man sie bei Tschudi und inzwischen auch in den populären Werken Johannes von Müllers lesen konnte. Dabei greift er die 1780 veröffentlichte Äusserung des Zuger Militärunternehmers und Gelehrten Beat Fidel Zurlauben auf, dass der Spiegel des Ägerisees zum Zeitpunkt der Schlacht 100 Meter höher gewesen sei. Und wie Bridel betont er, dass man «ohne eine genaue, sinnliche Anschauung dieser Gegend» die Schlacht nicht verstehen könne – sein Bericht ist hingegen vom Augenschein erhellt. Weiter erzählt Ebel vom «Gefecht bey Morgarten gegen die Franzosen im J.1798», als «selbst die Weiber, in Sennhemde gehüllt», mitgekämpft hätten.133

Morgarten vereint somit die alte und jüngste Geschichte der Schweiz. Der tragische Verlust der Freiheit macht den Ort des ersten Freiheitskampfs besonders merkwürdig, das heisst, zu einer Sehenswürdigkeit. Weil die Ideologie der Aufklärung die subjektive und unmittelbare Anschauung fordert, ist Ebels Reisehandbuch eine Aufforderung an die aufgeklärten Zeitgenossen, die Schweiz selbst zu bereisen. Der grosse Erfolg von Ebels Reisehandbuch bewirkte, dass sich ein Kanon von Sehenswürdigkeiten, die im 18. Jahrhundert besucht worden waren, verfestigte.

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