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III. Vergabe von Sportereignissen

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Dass es eigentlich bei der Vergabe von Sportgroßereignissen häufig nicht mehr mit rechten Dingen zugehen kann, ist ein offenes Geheimnis. Als Beispiel braucht bloß die Fußball-WM der FIFA herangezogen werden, die in ihrer Geschichte schon so viele Vergabeskandale heraufbeschworen hat, dass man sich mit abgeklärtem Blick schon wundern muss, warum Verband und Vergabe nicht nachhaltig reformiert worden sind.

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In Deutschland liegt der Fokus natürlich auf dem sog. Sommermärchen, der Fußball-WM 2006 in Deutschland, bei deren Vergabe es um eine nach wie vor jedenfalls im Kern ungeklärte 6,7-Millionenzahlung zwischen dem adidas-Manager Louis-Dreyfus, Franz Beckenbauer und dem DFB kam.[51] Während in Deutschland strafrechtlich deswegen zumindest das Hauptverfahren gegen die damals verantwortlichen Funktionäre des DFB wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung eröffnet wurde[52] (obwohl auch hier recht bald absolute Verjährung droht), steht der entsprechende Prozess in der Schweiz vor dem aus.[53] Dieser scheint sich in der Schweiz mittlerweile sogar zu einem handfesten Justizskandal zu entwickeln.[54] Dabei wäre eine umfassende gerichtliche Aufklärung äußerst wünschenswert, um von dazu berufener Stelle die Klärung zu erhalten, ob es insoweit tatsächlich zu einem korrumptiven Stimmenkauf bei der Vergabeentscheidung gekommen ist. Hierbei ist klar, dass Deutschland – anders als seinerzeit Argentinien und im Jahr 2022 Katar, hierzu sogleich – aus gesellschaftlicher, politischer und sportlicher Sicht ein geeigneter Ausrichter für das Turnier war.

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Aus der Retrospektive skandalös war ebenfalls die Vergabe der Fußball-WM 1978 nach Argentinien, die angesichts der damaligen politischen Lage und Menschenrechtssituation vor Ort niemals hätte erfolgen dürfen bzw. hätte revidiert werden müssen. Die Menschenrechtsverletzungen durch die herrschende Militärjunta gerade auch im Hinblick auf zehntausende sog. „Desaparecidos“ (Verschwundene) waren (zumindest nach zahlreichen Hinweisen) bekannt, wenn auch vor und lange nach dem Turnier noch nicht in vollem Umfang. Die damalige argentinische Militärakademie ESMA etwa diente der Diktatur als Geheimgefängnis, auch während der WM. Dort wurden insgesamt etwa 4 700 Menschen illegal gefangen gehalten, gefoltert und bis auf wenige Überlebende ermordet. Sie liegt in Buenos Aires in der Nähe des „River-Plate-Stadions“, wo unter anderem das WM-Endspiel stattfand.[55] Besucht man, wie Verf., das ESMA-Gebäude, das heute ein Museum und eine Gedenkstätte ist, wird eines schreckliche Gewissheit: Die seinerzeit dort Inhaftierten der argentinischen Militärdiktatur werden das ausgelassene Spektakel um das WM-Finale in ihrer Hilflosigkeit und in Todesangst mitangehört haben.

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Unabhängig davon, welche Umstände zu einer Vergabe des Turniers nach Argentinien oder – trotz einer schon damals geführten Diskussion – zur Teilnahme auch der deutschen Nationalmannschaft geführt haben, scheint es klar, dass unter dem Gesichtspunkt der Compliance im Hinblick auf Menschenrechtsverletzungen eine solche Vergabeentscheidung heute nicht mehr getroffen werden würde bzw. zahlreiche Mannschaften einen Boykott des Turnier erklären würden. Entsprechende Entscheidungen wären den jeweils Verantwortlichen aus Compliancesicht indes dringend zu raten.

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Dass das so klar nicht ist, wird allerdings auch bei der anstehenden Fußballweltmeisterschaft, der Fußball-WM 2022 in Katar, leider allzu schnell deutlich. Berichte über mangelnde Arbeitsbedingungen und Menschenrechtsverletzungen für die unzähligen Gastarbeiter auf den Baustellen für die WM-Stätten reißen nicht ab.[56] Anlässlich der Covid-19-Pandemie gerieten sie kürzlich erneut in den Fokus.[57]

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Allein dies würde aus einer Unternehmenssicht für ein komplettes PR- und Compliance-Desaster ausreichen. Aber auch im Hinblick auf die eigentliche Vergabeentscheidung der FIFA gibt es neue Erkenntnisse: Die US-amerikanischen Ermittlungsbehörden geben an, klare Beweise dafür zu haben, dass zur Vergabe der WM 2018 nach Russland und zur WM 2022 nach Katar Schmiergeldzahlungen geflossen sind.[58]

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Dies erklärt zumindest Vergabeentscheidungen, die von jeglichen Sacherwägungen befreit zu sein scheinen. Warum eine Fußball-WM in einer islamisch geprägten Monarchie ohne nennenswerte Fußballtradition – dafür aber damit mit Traditionen, die im menschenrechtszentrierten demokratischen Rechtsstaat europäischen Gepräges höchst problematisch dahergekommen – und selbst im Winter noch unter fußball- und zuschauerfeindlichen Bedingungen durchgeführt werden soll, erschließt sich – auch in Kenntnis einiger dafür vorgebrachter Argumente – letztlich nicht.

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Jedes Compliance-Management-System auf einer solchen Ebene im Sport muss Mechanismen enthalten, die solche – schlechterdings nicht mehr erklärbare – Entscheidungen schon auf der Auswahlebene (und wegen möglicher Bestechung nicht erst auf der Abstimmungsebene) verhindern. Anhaltspunkte für verschiedene (Straf-)Rechtsverletzungen geben solche Vergabeentscheidungen ohnehin.[59]

Antikorruptions-Compliance

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