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Kapitel 13

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LondonJuli 1821

„Du willst bei mir wohnen?“, wiederholte Loulou Gabani und brauchte kein schauspielerisches Geschick, um ihrem ungläubigen Entsetzen Ausdruck zu verleihen. „Wie stellst du dir denn das vor? Ich bin die Mätresse des Barons. Was soll ich Glossy sagen, wenn er dich hier bei mir sieht? Du seist mein neuer Butler?“

Dieser Gedanke amüsierte Nik. „Warum nicht? Ich könnte euch Champagner servieren.“ Er tat, als würde er sich eine Serviette über den Unterarm legen, verbeugte sich steif und fragte: „Was darf ich Ihnen sonst noch Gutes tun, Mylady? Whisky, Tee, körperliche Befriedigung?“

Loulou warf ein Kissen nach ihm.

„Du bist unmöglich!“, rief sie, lachte und ging zu ihm hinüber, um ihm einen Kuss auf die Lippen zu drücken. „Du hast mich stets zum Lachen gebracht, Niki, mein Süßer. Darum werde ich dich echt vermissen. Außerdem weiß selten ein Mann seine Hände so geschickt zu gebrauchen wie du.“

„Ich hatte eine gute Lehrmeisterin“, antwortete er augenzwinkernd und überhörte geflissentlich den Satz, in dem das Wort „vermissen“ vorkam. Als er sie jedoch an sich ziehen wollte, um den Kuss zu vertiefen, entwand sie sich seinen Armen.

„Ich habe es ernst gemeint, als ich sagte, dass ich dich vermissen werde. Doch heute ist der Tag, an dem sich unsere Wege trennen.“ Sie ging zur Tür hinüber, um sie für ihn aufzuhalten. „Ich wünsche dir das Allerbeste, Niki, mein Süßer, von ganzem Herzen. Aber jetzt musst du gehen.“ Sie steckte den Kopf in den Vorraum hinaus. „Daisy!“

„Was soll das heißen?“, fragte Nik mit zusammengezogenen Lidern, nicht bereit, sich von der Stelle zu bewegen. „Das klingt, als wäre es ein Abschied für immer.“

„Das ist es auch.“ Nun klang ihre Stimme kühl. „Leben Sie wohl, Mr Barnett.“

„Aber, Loulou, das kannst du unmöglich wollen …“ Sein Unglauben hatte ein Flehen in seine Stimme gebracht. Er trat näher und streckte die Hand nach ihr aus, doch die schlug sie weg.

„Adieu, Nik.“ Nun hatte ihre Miene gar nichts Liebevolles mehr an sich. „Sieh der Wahrheit ins Auge. Dies hier ist kein Asyl für abgehalfterte Junggesellen. Ich muss nicht nur für meinen Unterhalt sorgen, sondern mir auch etwas für meine alten Tage zurücklegen. Irgendwann werden sowohl Theaterrollen als auch die spendablen Galane ausbleiben. Da kann ich mir keinen Klotz am Bein leisten, und mag er auch noch so amüsant sein.“ Sie warf ihm einen ganz kurzen, um Verständnis heischenden Blick zu, bevor sich ihre Miene wieder versteinerte. „Ah, Daisy, sehr gut, bitte führe Mr Barnett zur Tür. Er wird mir ab heute keine Aufwartung mehr machen.“

Was so viel bedeutete, wie: Lass ihn nicht ein, sollte er es abermals versuchen!

„Du willst bei mir wohnen?“ Elli bekam große Augen. „Das kann doch unmöglich dein Ernst sein! Bei mir? In meiner Kammer hinter dem Theater? Du weißt aber schon, dass ich sie mir mit drei anderen Schauspielerinnen teile?“

Nein, das hatte Nicolas nicht gewusst. Seit Eton hatte er kein Zimmer mehr mit mehreren anderen bewohnt, und er hatte es auch nicht für möglich gehalten, dass das anscheinend auch bei manchen Erwachsenen so üblich war. Also lachte er auf und meinte, es wäre ohnehin nur ein Scherz gewesen.

„Du willst bei mir wohnen?“, rief wenig später Marcus Farrensby, als er seinen besten Freund, überrascht von dessen unerwartetem Besuch, ins Wohnzimmer geleitete. „Warum denn das? Ist etwas passiert?“

Nik seufzte und schilderte ihm in kurzen Worten seine missliche Lage.

„Das klingt wirklich unerfreulich, mein Freund, du bist wahrlich nicht zu beneiden. Natürlich kannst du ein, zwei Nächte mein Bett mit mir teilen. Aber auf Dauer erscheint mir das doch ein wenig ungemütlich.“

„Dein Bett?“, wiederholte Nik und riss die Augen auf. „Ich hatte angenommen, du hättest zumindest ein Gästezimmer.“

Marcus zuckte bedauernd mit den Schultern. „Nein, kein einziges. Du weißt doch, dass ich diese Wohnung mit meiner Mama teile. Daher musst du dich, solange du bei mir schläfst, natürlich an ihre Hausregeln halten.“

„Was denn für Hausregeln?“ Nik lebte schon zu lange das Leben eines sorgenfreien Junggesellen, als dass er sich von anderen Menschen Vorschriften darüber machen lassen wollte, wie dies zu geschehen hätte.

„Na ja“, überlegte sein Freund, „das beginnt mit einem gemeinsamen Frühstück pünktlich um neun Uhr. Zu Mittag wird um zwölf gegessen. Das Fehlen beim Dinner ist nur nach voriger Ankündigung und bei Vorliegen eines triftigen Grundes gestattet. Willst du noch mehr wissen?“

„Es gibt noch mehr?“ Nik hätte das schon gereicht. „Danke, Marcus“, sagte er schnell, bevor sein Freund ihn in weitere Regeln einweihen hätte können, die er nie im Leben einzuhalten gedachte. „Ich weiß dein Angebot sehr zu schätzen, aber ich werde besser weitersuchen. Bisher hatte ich eine eigene Wohnung, nur für mich. Da will ich in Zukunft wenigstens ein eigenes Bett haben.“

Marcus atmete sichtlich auf und bestätigte, dass er das nur zu gut verstünde. „Warum fragst du denn nicht Badwell, ob du in sein Haus am Piccadilly ziehen kannst? Deine Schwester und er sind doch ohnehin immer nur ein paar Wochen im Jahr, zur Saison, in der Stadt.“

„Du willst also bei uns wohnen?“, fragte der Viscount Badwell, um Nik dann gleich darauf jede Hoffnung zunichte zu machen. „Das wird leider nicht möglich sein. Mein Freund Gregory wird in wenigen Tagen hier einziehen. Er hat den Kontinent bereist und bleibt, bis er selbst ein Haus gefunden hat, das er kaufen möchte. Außerdem …“, er ließ nachdenklich den Whisky im Glas kreisen, „… glaubst du tatsächlich, dass sich Derryhill vorgestellt hat, dass du in meinem Stadthaus wohnst, als er verlangte, du solltest auf eigenen Beinen stehen und Verantwortung übernehmen?“

Nik konnte es nicht glauben. „Du weißt davon?“

Badwell nickte. „Deine Familie hält zusammen, Nik. Und zum Zusammenhalt gehört auch, dass man miteinander spricht und sich aufeinander verlassen kann.“ Er zögerte kurz und setzte dann hinzu: „Du bist der Einzige, der etwas aus der Reihe schlägt.“

Nicolas grinste, um sein schlechtes Gewissen zu verbergen.

„Deine Schwestern schreiben einander alle zwei Wochen einen Brief, manchmal sogar öfter“, setzte sein Schwager fort. „Derryhill, der Herzog und ich treffen uns regelmäßig bei Gentleman Jackson und boxen eine Runde. Das würde dir übrigens auch guttun, um dein Temperament in den Griff zu bekommen. Außerdem tauschen wir uns dabei, natürlich auch im Club, über die neuesten Ereignisse aus.“

Der Herzog, von dem er sprach, war, wie Nik sehr wohl wusste, Landmark, der Mann seiner Cousine Agatha.

„Ihr seid also ärger als alle Klatschweiber“, kommentierte er spöttisch.

Badwell hielt kurz inne und warf ihm einen weiteren nachdenklichen Blick zu. „Wenn du es so nennen willst, dann steht es dir natürlich frei. Obwohl ich dir rate, diese Worte gegenüber Derryhill oder gar Landmark nicht zu wiederholen. Ich würde eher sagen, wir interessieren uns füreinander. Wir stehen zueinander. Wir leben das, was eine Familie ausmacht: Zusammenhalt und Respekt. Apropos Respekt. Den würdest du lernen, wenn du erst einmal einem von uns im Ring gegenüberstündest.“

„Ha“, fuhr Nicolas auf. „Wie wollt ihr mich denn beim Boxen Respekt lehren? Es hätte doch keiner von euch auch nur die geringste Chance gegen mich. Ich bin jünger, stärker, schneller …“

„Du bist vor allem großspuriger, wie mir scheint“, entgegnete Badwell spöttisch, um dann gleich darauf einzugestehen: „Natürlich hat deine Jugend Vorteile. Doch man muss diese Vorteile auch einzusetzen wissen. Ungestümes Zuschlagen ohne Strategie bringt einen schnell selbst auf die Matte. Wir drei hingegen haben Erfahrung, planen voraus, haben gelernt, unsere Leidenschaft im Zaum zu halten. Glaube mir, das sichert auf Dauer den wirklichen Erfolg.“

Nik spürte, wie wieder einmal Ärger die Oberhand über all seine anderen Gefühle gewann. Wie kam Badwell dazu, ihn schon wieder abzukanzeln? Er hatte doch nur höflich um eine Wohnmöglichkeit gebeten. Das war kein Grund, ihm eine Standpauke über sein angeblich ungestümes Verhalten aufzunötigen, als wäre er …

„Du bist nicht mein Vormund!“, fuhr er auf. „Also hör auf, dich wie einer aufzuführen. Außerdem spricht da gerade der Richtige! Wer war denn ein Tunichtgut, bevor er Vivian kennengelernt hat? Wer hat denn Unsummen verspielt und auf großem Fuß gelebt? Wer hat denn …?“

„Es war mein eigenes Geld, wenn ich dich daran erinnern darf“, unterbrach ihn Badwell scharf und knallte sein Glas auf den Beistelltisch. „Ich war es jedenfalls nicht, der seinem Schwager viele Jahre auf der Tasche lag und in den Tag hineinlebte, als hätte ich nicht die geringste Verantwortung. Nein, ich war jahrelang in Spanien. Ich habe für König und Vaterland mein Leben riskiert. Jeden Tag aufs Neue. Also komm mir nicht mit Vorwürfen. Finde etwas, was dich wirklich interessiert, Nicolas Barnett, und dann beweise uns, dass du etwas zustande bringst. Dass du etwas aufbauen kannst. Und wenn du selbst für nichts brennst, so wie deine Schwester Vivian für die Verbesserung der Situation armer adeliger Mädchen brennt, dann versuche wenigstens, jemand anderen in seinen Träumen zu unterstützen. So wie ich es bei ihr tue. Gib deinem Leben einen Sinn. Erst dann sprechen wir weiter.“

Nicolas hatte mit unbewegter Miene zugehört. In seinem Kopf ratterten so viele Gedanken, dass er keinen einzigen davon klar zu Ende denken konnte. Nun stand er auf, griff zu seinem Hut, der auf dem Sofa lag, und verbeugte sich.

„Eure Lordschaft“, sagte er, und es gelang ihm, sich sein Gefühlschaos nicht anmerken zu lassen. „Ich bedanke mich für das aufschlussreiche Gespräch. Sie erlauben, dass ich mich zurückziehe? Keine Sorge, ich kenne den Weg.“

„Ja, geh nur!“, schnauzte der andere zurück. „Lauf nur davon und such dir jemand anderen, den du mit deinem Charme einwickeln kannst. Beim Herzog brauchst du es übrigens gar nicht zu versuchen. Wir trafen ihn und deine Cousine gestern auf der Soiree der Gräfin Lieven. Agatha meint auch, wir alle hätten dich viel zu lange verwöhnt.“

Nicolas fuhr herum.

„O, wie nett!“ Nun waren seine Worte nur mehr der blanke Hohn. „Es ist doch immer wieder beruhigend zu wissen, dass, wenn man schon zu nichts anderem taugt, zumindest als Gesprächsthema dienlich sein kann.“

Es folgte eine tiefe Verbeugung mit größter Grandezza, bevor er auch das Haus dieses Schwagers im Zorn verließ.

Ein Dandy in Nöten

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