Читать книгу Ein Dandy in Nöten - Sophia Farago - Страница 7

Kapitel 1

Оглавление

CambridgeDezember 1820

„Was ich Ihnen nun zu sagen habe, Mr Barnett, ist von allerhöchster Wichtigkeit.“ Der Rektor der ehrenwerten Universität von Cambridge blickte über den Rand seines Zwickers zu dem jungen Mann auf, der regungslos vor seinem wuchtigen Schreibtisch stand. Es ärgerte ihn, dass dieser mit gleichbleibend freundlicher Miene die Wappen auf der holzvertäfelten Wand musterte, gerade so, als würde ihn diese Unterredung nicht im Mindesten betreffen. Dabei hatte er ihm doch absichtlich keinen Platz angeboten, um ihm den Ernst der Lage deutlich vor Augen zu führen.

„Natürlich haben schon viele junge Männer hierorts ihr Studium absolviert, die sich rühmen konnten, über einen wachen Verstand und herausragende Geisteskraft zu verfügen. Nicht ohne Grund zählt unsere Universität zu den besten des Königreichs, nein, ich wage zu behaupten, sie ist die beste. Doch noch selten hat ein Absolvent uns verlassen, der für seine hervorragenden Zensuren so wenig Einsatz hatte zeigen müssen wie Sie. Sie sind über den Durchschnitt hinaus intelligent, Mr Barnett, das wissen Sie selbst. Leider, wie ich hinzufügen muss. Ihre rhetorischen Fähigkeiten sind herausragend, auch wenn Sie damit in den letzten Jahren so manchem Professor das Leben schwergemacht haben. Aus Ihnen könnte Großes werden, wenn Sie es denn wollten. Suchen Sie sich eine sinnvolle Aufgabe, die Sie erfüllt. Die Sie fordert, Barnett, etwas, das das Beste in Ihnen zum Vorschein bringt.“

Er verstummte, sah abwartend zu dem jungen Mann hinauf und hoffte auf irgendeine Reaktion, vorzugsweise dessen Beteuerung, dass er bereit wäre, sich dem Ratschlag zu beugen. Doch Nicolas Barnett hatte nur kaum merklich die Augenbrauen gehoben und entfernte nun ein imaginäres Staubkorn vom Ärmel seines graublauen Jacketts. Eitler Geck, dachte der Rektor abschätzig und bemerkte selbst, wie verbittert er darüber war, dass es ihm nie gelingen würde, sein Halstuch in einem derart akkuraten Faltenwurf zu binden, wie es der Dandy vor ihm vermochte.

„Sie vergeuden die Ihnen von Gott gegebenen Talente, junger Mann“, stieß er hervor, um noch eins draufzulegen, „und zeigen einen erschreckenden Hang zu Leichtsinn und für einen Mann Ihres Standes völlig unpassenden Schabernack. Nehmen Sie wirklich an, es wäre dem Kollegium nicht aufgefallen, dass Sie Ihre freie Zeit lieber mit irgendwelchen …“, der Rektor suchte einige Augenblicke nach dem passenden Wort, bevor er es mit einer fahrigen Handbewegung fand, „Tändeleien vertrödeln, statt sich in das Studium philosophischer Schriften zu vertiefen? Besinnen Sie sich endlich Ihrer Talente, Barnett. Kommen Sie Ihren Pflichten nach.“

Er warf einen weiteren kritischen Blick zu dem so Ermahnten hinauf, sah die ebenmäßigen Gesichtszüge, die wachen blauen Augen, die dichten blonden Locken und konnte es sich einfach nicht verkneifen, hinzuzufügen: „Verlassen Sie sich besser nicht auf Ihre Schönheit, denn wisse, Schönheit ist vergänglich.“

Das Lächeln des jungen Mannes war die ganze Zeit gleichbleibend freundlich geblieben. Fast hätte man den Eindruck gewinnen können, er sei taub und habe nicht ein Wort der mahnenden Tirade gehört. Allein die Hände, die die Schriftrolle umfassten, die man ihm als Zeichen seines erfolgreichen Studienabschlusses verliehen hatte, zeigten eine andere Sprache. Sie waren weiß geworden, so fest krallten sich die Finger jetzt um das Papier.

„Nun“, forderte der Rektor ungeduldig, „was haben Sie zu meinen Worten zu sagen?“

Nicolas Barnetts Lächeln vertiefte sich und in den Mundwinkeln zeigte sich ein Anflug von Spott: „Sie finden mich tatsächlich schön, Eure Magnifizenz?“, fragte er dann und verneigte sich leicht. „Haben Sie vielen Dank, das ehrt mich sehr.“

Es war in der Vergangenheit noch nicht oft vorgekommen, dass der Rektor der altehrwürdigen Universität die Contenance verloren hatte, doch in diesem Augenblick war es so weit.

„Scheren Sie sich zum Teufel!“, brüllte er, und es hätte nicht viel gefehlt und er hätte dem Dandy das schwere Lateinwörterbuch an den Kopf geworfen, das stets griffbereit auf seinem Schreibtisch lag.

Ein Dandy in Nöten

Подняться наверх