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Aeia - Selbstgespräche

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Das Alte ist hier perfekt mit ausgefeilter Technik und modernster Innenarchitektur kombiniert. Fahrstühle eingelassen in massive Schlossmauern, Wandleuchter mit elektrischem Licht, das Sonnenlicht nachempfunden ist, vom Alter gezeichneter Parkettboden in schmalen Gängen mit satinierten Glastüren zu den einzelnen Gates.

Hier und da ein tiefes Fenster oder ein nachträglich angelegter Lichtschacht ins Freie oder ein Klimaschacht, der frische Luft hereinlässt.

Ich bin angetan und fühle mich das erste Mal in einem Gebäude annähernd so wohl wie in der freien Natur.

Ich bin eine ganze Weile unterwegs, ohne einer Menschenseele zu begegnen. Dann betrete ich wieder einen Gang mit abgehenden Türen.

Ich lese auf der ersten Tür rechts von mir Gate 11. Gleich bin ich am Ziel und spüre, wie das Blut schneller durch meine Adern gepumpt wird. Ich bin tatsächlich nervös, meinem Chef und Professor das erste Mal gegenüberzutreten. Ein bisschen Adrenalin kann nicht schaden, beruhige ich mich.

Ich überlege, wie ich das Gespräch beginnen soll. Hallo, ich bin Aeia Engel. Oder: Guten Morgen, mein Name ist Frau Engel.

Ich wünschte, ich hätte mir vorher einen passenden Satz zurechtgelegt, anstatt kurz bevor ich Gate 13 betreten würde, darüber nachzudenken, wie ich meinen ersten Eindruck gestalten soll.

Mir springt das Herz aus der Brust, als rechts vor mir, mit einem Knall, eine Tür auffliegt und ein junger Mann ausgespuckt wird. Oder wurde er herauskatapultiert?

»Ich will diesen Auftrag haben! Lass dich hier nicht mehr ohne dieses verdammte Siegel blicken, sonst schlitze ich dir höchst persönlich die Kehle auf. Und pass dieses Mal auf, dass der Alte nicht das ganze Pergament mit seinem Blut besudelt!«

Eins.

Zwei.

Drei Sekunden Pause.

»Und jetzt raus hier!«

Die letzten Worte hätte sich die Frau sparen können - wer auch immer sie war - denn der junge Mann war ja schon draußen. Mein Gott, ich bin erleichtert, dass es eine Frauenstimme ist, denn dann kann es sich unmöglich um Professor Meusburger handeln. Das ist egoistisch von mir.

Ich stehe direkt vor dem Kollegen. Ist das der richtige Ausdruck? Kollege?

Er schließt die Tür nicht etwa verängstigt oder eingeschüchtert. Nein, im Gegenteil. Er schlägt sie zu und als es Wumm macht, zeigt er der satinierten Glasscheibe einen einzigen Finger, der keiner weiteren Erläuterung bedarf.

»Ist das die übliche Form, sich bei TREECSS zu verabschieden?«, frage ich und bin überrascht, wie schlagfertig ich bin.

Jetzt erst bemerkt er mich und zuckt unwillkürlich mit den Schultern. Ich weiß nicht, ob ich lächeln soll. Ich schaffe es, keine Miene zu verziehen und so neutral, wie es mir in der peinlichen Situation möglich ist, dazustehen.

»Sie hat es verdient«, sagt er, als er mir in die Augen sieht und ich ihn näher betrachte.

Die dunkelbraunen Locken stehen ihm zerzaust vom Kopf ab. Er hat eine hübsche Nase, ein kantiges Kinn, nette Augen. Er ist jung. Vielleicht Mitte Zwanzig.

Er steht vor mir in dunklen, gepflegten Lederschuhen und in einem schwarzen Designeranzug, der sehr teuer aussieht und perfekt seine schlanke Figur und seinen Hintern in Szene setzt. Er sieht sexy, cool und schön aus.

»Wenn sie nicht bekommt, was sie will, wird sie zum Tier«, sagt er beiläufig und legt den Kopf dabei leicht schräg, so wie es Jagdhunde tun, wenn sie etwas von der Beute abhaben wollen. Er hat eine schöne Stimmfarbe. So eine, um den Kopf in seinen Schoß zu legen und sich stundenlang eine Geschichte vorlesen zu lassen.

»Sonst ist sie ganz okay. Sie hat noch nie jemandem die Kehle aufgeschlitzt«, fügt er hinzu, als ich nicht reagiere.

»Ich habe dich hier noch nie gesehen. Hast du dich verlaufen?« So sehe ich für ihn aus. Verlaufen? Und beim Du ist er auch schon.

»Hallo? Ich habe dich etwas gefragt. Sprechen kannst du doch, das hast du ja schon unter Beweis gestellt.«

»Mich? Ja, ähm, nein«, stolpere ich über meine eigenen Worte. Ich bringe ihn zum Lächeln. Ein süßes, charmantes Lächeln.

»Was denn nun? Doch Verlaufen?«, schmunzelt er.

»Nein, ich bin schon richtig hier. Es ist mein erster Tag«, sage ich. »Ich geh dann mal weiter.«

Der Gang ist nicht besonders breit und der junge Mann macht auch nicht besonders viel Platz. Ich muss mich quer zu ihm stellen, um mich ohne Körperkontakt an ihm vorbei zu quetschen.

»Ich bin Alexander.«

»Und ich Frau Engel«, höre ich mich prompt sagen und kann nicht fassen, dass ich das wirklich gesagt habe. Er sieht mich an, als hätte ich plötzlich Ebola oder eine andere ansteckende Krankheit und setzt sich in die entgegengesetzte Richtung in Bewegung.

Okay, kein Essen in der Mensa mit Alexander, überlege ich verstört und bin verwundert, wie mich dieser Mann so schnell verunsichern konnte. Ich gehe, ohne ein weiteres Wort, weiter und stehe vor Gate 13.

Gate?

Was für eine seltsame Beschreibung für ein Büro. Ich klopfe an. Nichts geschieht.

Ich klopfe nochmal. Wieder nichts.

Ich blicke auf meine Uhr, bin 16 Minuten zu spät dran und das, obwohl ich pünktlich das riesige Privatgelände des Instituts erreicht habe. Auf meinen Käfer ist eben Verlass.

Aber ich konnte nicht ahnen, dass alles hier so riesig ist und das Institut Türen hat, für die man erst einmal studiert haben muss, bevor man ihren Mechanismus versteht. Plötzlich höre ich eine melodische Stimme vom anderen Ende des Gangs.

»Mit mir willst du nicht reden. Jetzt ist mir klar warum«, höre ich Alexander. Er ist noch da?

»Du scheinst dich ja prächtig mit Türen unterhalten zu können.« Er ist immer noch beim Du. Aber schlimmer ist, dass ich tatsächlich ein Selbstgespräch geführt habe, obwohl ich mir das schon lange abgewöhnen wollte.

Aber für dich bin ich immer noch Frau Engel. Dieses Mal höre ich meine Stimme nicht. Gott sei Dank.

»Wie geht die Tür auf?«, höre ich mich stattdessen fragen.

Alexander sagt nichts, schenkt mir stattdessen ein gemeines Grinsen.

Fieser Kerl. Ich überlege und dann zeige ich ihm meinen Daumen. Dann schmunzle ich, weil das die Lösung ist. Endlich, ich habe es nicht verlernt, wie man lächelt. Als Antwort erhalte ich einen Daumen nach oben von Alexander, dann verschwindet er wirklich hinter einer der anderen Glastüren. So bei Gate 7 oder 8, schätze ich.

Begnadet - Buch 1-2

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