Читать книгу Begnadet - Buch 1-2 - Sophie Lang - Страница 18
Aeia - Sexy-Walk
ОглавлениеAls nächstes trete ich meinen ersten Wahlkurs an.
Er ist gut besucht.
Ich geselle mich zu den jüngeren Frauen, und dann erfahren wir von der Kursleiterin, dass heute der Sexy-Walk gelaufen wird.
Keine der Anwesenden kichert mädchenhaft oder peinlich berührt. Alle nehmen die Sache ernst. Das finde ich gut. Ein Persönlichkeitstraining ist sinnvoll und nichts zum Herumalbern.
Anna, Sandra-Carina und Naomi heißen die jungen Kolleginnen, die sich zusammen mit mir in die Ecke zwängen.
»Ihr wollt wohl auch auf keinen Fall die Erste sein, die drankommt?«, spekuliert Sandra-Carina. Sie hat das Verhalten unserer Gruppe gut analysiert. Warum sonst sollten wir uns in der Ecke dieses Gymnastikraums verstecken.
»Um Himmels Willen, nein. Erst mal sehen, wie sich die anderen anstellen«, sagt Naomi, eine hübsche Brünette mit Stupsnase und Grübchen am Kinn.
Die Figur der anderen beiden entspricht nicht wirklich 90-60-90, aber es ist auch kein Talentwettbewerb für Supermodels, sondern eine Weiterbildung im sexy Gehen, was ich ziemlich interessant finde.
»Du bist neu oder?«, fragt Anna.
»Ja, es ist mein erster Tag.«
»Dann haben wir beide miteinander gechattet«, sagt Sandra-Carina plötzlich.
»Du warst das?«
»Ja klar. Cool, dass wir uns gleich persönlich über den Weg laufen.«
»Finde ich auch«, gestehe ich, bin aber nicht ganz so euphorisch wie Sandra-Carina.
Ich beobachtete die Erste, die sich über den schmalen Steg katzengleich bewegt. Ich schätze sie auf Mitte Dreißig. Sie macht das richtig gut und erhält auch direkt ein Lob und nicht allzu viele Korrekturvorschläge von unserer Kursleiterin, Anastasia.
»Natascha ist echt begabt«, meint Sandra-Carina.
»Was ist eigentlich deine Begabung?«, fragt sie mich direkt von der Seite. Die Nächste kommt dran.
»Ich kann Männer ganz gut um den Finger wickeln«, meine ich mutig. Die Warnung von Davidi, nichts über mein anderes, angeblich wahres Talent, zu verraten, habe ich erstmal befolgt.
»Dann bist du ja nicht nur zum Spaß hier«, sagt sie und kann ein breites Grinsen nicht unterdrücken. Ich nicke, weil mir nichts Besseres einfällt.
»Und ihr? Welche Talente habt ihr?«, will ich wissen.
»Ich bin multilingual«, sagt Sandra-Carina.
»Sie spricht fließend 28 Sprachen. Regionale Dialekte nicht dazu gerechnet«, stöhnt Anna.
»26, übertreib nicht immer!«, sagt Sandra-Carina und stellt ihr tatsächliches Repertoire richtig.
»Das ist erstaunlich. Und du?«, frage ich Naomi, die eindeutig schüchtern oder vielleicht auch nur ruhig ist. Es fällt mir auf, dass ich mich auch unter diesen Menschen auf Anhieb wohlfühle.
»Ich bin ein Schlangenmensch, kann mich ziemlich gut verbiegen. Möchte das jetzt aber nicht demonstrieren.«
»Interessant. Und du?«, frage ich Anna.
»Ich hab´s nicht so mit elektronischen Geräten. Die fangen in meiner Nähe immer an zu spinnen. Computer spucken Fehlermeldungen aus, die noch nie jemand gesehen hat. Und dazu muss ich sie nur berühren. Drucker fallen aus. Handys bekommen keinen Empfang mehr und so weiter. Ich dachte eigentlich, ich sei verflucht und wäre nie im Leben darauf gekommen, dass das meine Begabung sein könnte.«
»Sie arbeitet in der Softwareentwicklung«, sagt die ruhige Naomi.
»Wie funktioniert das denn? Du musst da doch ein Chaos verursachen.«
»Ja, so ist es auch. Genau das ist mein Job. Ich teste Programme.« Mehr braucht sie nicht zu sagen.
»Dann kennst du Dr. Kleist?«, frage ich.
»Klar, sie ist mein Boss.«
Jetzt ist Anna an der Reihe. Ich beobachte, wie sie über den schmalen Schwebebalken läuft.
Ich stelle mich beim ersten Versuch gar nicht mal so schlecht an, auch wenn ich fast abhebe, weil ich wie verrückt mit meinen Armen rudern muss. Besser wäre es gewesen, mit der Hüfte zu wackeln und meine Arme ganz ruhig zu lassen, verlangt Anastasia von mir.
Nach dem dritten Durchgang werde ich immer sicherer und nach der ersten Kursstunde beherrsche ich halbwegs den Sexy-Walk auf dem Schwebebalken und erstaunlich gut ohne Schwebebalken.