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Aeia - Professor Meusburger

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Die Tür öffnet sich automatisch und zischt dabei wie eine Schleuse aus einem Science Fiction Film.

Ich habe keine Ahnung, was mich erwartet. Vielleicht ein modern eingerichtetes Büro mit einem beeindruckenden Schreibtisch, hinter dem Ronan Meusburger, mein Chef, sitzen würde. Oder ein Labor mit einer sündhaft teuren, technischen Ausstattung, wie die an der Universität, nur viel besser.

Vielleicht haben mir auch die ersten Eindrücke des Anwesens, der Sportwagen, Lu, Eve und der teure Anzug von Alexander, eine außergewöhnliche Vorstellung meines zukünftigen Arbeitsplatzes suggeriert.

Aber Moment mal, außergewöhnlich ist es hier. Ich habe noch nie zuvor ein solches Chaos gesehen.

Selbst das, aus allen Nähten platzende, Archiv an der Uni, ist im Vergleich hierzu super ordentlich.

Meine Augen huschen reflexartig hin und her, verzweifelt auf der Suche nach einem Ruhepunkt.

Regale, bis zur Decke voll mit Papier, Büchern, Ordnern, sind als Raumteiler aufgestellt und lassen schmale Gassen entstehen. Dazwischen kann man sich bewegen, wenn man keine Angst hat, von einem fünf Kilo Wälzer erschlagen zu werden, der bedrohlich weit aus der obersten Regalreihe ragt.

Hier und da steht ein kleiner dreibeiniger Tisch, der entweder überquillt mit Landkarten, auf denen mit einer unleserlichen Handschrift etwas Wildes draufgekritzelt ist, oder mit aufgeschlagenen Büchern.

Die Tür zischt hinter mir zurück ins Schloss und ich wage es, ein paar Schritte tiefer in das Gate 13 einzudringen. Ich bin nicht abergläubisch, aber irgendwie macht mich die 13 nervös.

Über mir, in drei Metern Höhe, hängt eine Glühbirne ohne Schirm an der Decke. Die einzige Beleuchtung, die ich ausmachen kann. Ich hebe meinen Fuß, um über ein paar, am Boden verstreute, Aktennotizen zu steigen.

»Herr Meusburger sind sie hier?«, frage ich in die ausgefüllte Leere hinein. Der Raum ist viel größer, als ich bisher angenommen habe. Die Bücherregale sind nicht nur Raumteiler, sondern entpuppen sich nach kurzer Zeit als ein verwinkeltes Labyrinth.

Ich entdecke noch mehr russische Kronleuchter und biege an Abzweigungen ab, die überall vor mir aus dem Nichts auftauchen. Hoffentlich finde ich hier wieder hinaus, um mich zum Mittagessen mit Lu zu treffen. Die wird Augen machen, wenn ich ihr von Gate 13 erzähle.

»Von was?«

Ich erschrecke zu Tode, quietsche und hechte einen halben Meter hinter ein Bücherregal. Mein Gott, ich bekomme einen abartigen Schreck. Hinter mir steht plötzlich ein grauhaariger, kleiner Mann.

Er sieht aus, wie man sich einen verrückten Professor vorstellt. Auf den zweiten Blick ist er gar nicht so klein. Tatsächlich ist er genauso groß wie ich. Er kommt mir so nahe, bis ich ihn riechen kann. Der Geruch kommt mir bekannt vor, aber mir fällt nicht ein, woher ich ihn kenne.

Ich schaue in sein argwöhnisches Gesicht und habe den dringenden Verdacht, dass ich schon wieder laut gedacht habe. Ich studiere seine knorrige Nase, die struppigen Haare und die zusammengekniffenen Augen, von denen trotz der Skepsis, die seine ganze Erscheinung ausstrahlt, eine vertraute Wärme ausgeht. Und dann erinnere ich mich plötzlich, nach was er riecht.

Nach Papier.

Er riecht wie ein Buch. Kein altes, vermodertes, sondern wie ein neues, ungelesenes.

Angenehm, frisch und spannend.

»Sind sie Professor Meusburger?«

Er bewegt seine Oberlippe vor und zurück, dann öffnet sich sein Mund, um etwas zu sagen: »Ich habe doch schon notiert, dass wir keine Putzfrau benötigen. Was bilden die sich nur ein? Sieht es hier etwa aus, als müsste jemand sauber machen?« Er spricht kratzig. Und er spricht nicht mit mir, sondern mit jemandem, der nicht anwesend ist oder mit sich selbst.

Der hat nicht mehr alle Tassen im Schrank. Aber wenn er Ronan Meusburger ist, dann ist er mein Professor und Chef.

Ich wage einen weiteren Versuch das herauszufinden.

»Ich bin Aeia Engel, studiere Psychologie und ich suche Professor Meusburger. Bin ich hier richtig?«, frage ich und hoffe inständig, dass Eve sich getäuscht hat. »Sind Sie Professor Meusburger?«

»Aeia Engel? Psychologin?«, grübelt er und sieht mich von oben bis unten an.

»Ihr Aussehen ist gewiss nicht der Grund, weshalb sie sich diesem Studium verschrieben haben. Sie sind zu hübsch für eine angehende Psychologin. Ich nehme an, sie haben andere Komplexe.«

Wie bitte? Ich glaube, mich verhört zu haben. Was hat das denn damit zu tun und außerdem, apropos hübsch. Was war denn dann mit Dr. Luise Kleist und Alexander, die sehen perfekt aus, im Vergleich zu mir. Dann registriere ich, als ich sein verzögertes Lächeln auf seinen schmalen Lippen sehe, dass er einen Scherz gemacht hat.

»Danke«, sage ich. »Ich würde das Kompliment bezüglich des Aussehens gerne zurückgeben, aber Sie werden mir das sicher nicht abkaufen«, purzeln die Worte unüberlegt über meine Lippen.

Was habe ich da gesagt? Das war´s. Ich habe den ersten Eindruck vermasselt.

Doch dann erschrecke ich wieder, so herzhaft muss der eigentümliche Mann lachen. Sein Kopf wird knallrot und er schnappt so heftig nach Luft, dass ich mir schon Sorgen mache, ihn reanimieren oder schlimmer noch, Mund zu Mund beatmen zu müssen.

Zum Glück beruhigt er sich wieder von seinem Lachkrampf und sieht mich mit tränennassen Augen an.

»Den ersten Test haben Sie bestanden, Aeia.« Der erste Test? Ich wusste gar nicht, dass ich Tests zu bestehen habe.

»Ehrlich zu sein? Meinen Sie das, Herr Meusburger? Das ist doch eine Tugend. Oder etwa nicht?«

»Genau, genau. Aber sagen Sie das mal ihren Vorgängern.«

Meinen Vorgängern? In diesem Moment ist es mir klar, er ist Ronan Meusburger, aber ob ich darüber glücklich sein soll, steht noch in den Sternen.

Von meiner anfänglichen Euphorie, diesen Job und Studienplatz bekommen zu haben, ist auf jeden Fall in diesem Moment nichts mehr, also null Komma null, zu spüren.

Er zuckt mit den Schultern und meint: »Kommen Sie, kommen Sie nur, ich bringe Sie zu ihrem Arbeitsplatz.«

Ich schiebe alle Vorurteile zur Seite und folge seinem vertrauten Papierduft bis ans Ende der Regale, wo er mich aufgespürt hat. Vier weitere Male biegen wir ab.

Der Raum erreicht Dimensionen, die mich an die Internetbilder des Gewölbes der Bibliothek des Trinitiy College in Dublin erinnern und hat gar nichts mehr mit einem Büro zu tun. Gate? Der Ausdruck passt absolut.

Wir gehen einige Stufen hinab in einen weiteren Bereich des Labyrinths, in dem sich die Bücherregale lichten und einem langen massiven Eichentisch Platz machen, der wie eine mittelalterliche Tafel den halben Raum für sich einnimmt.

Stehlampen mit grünen Schirmen aus Glas dienen als Beleuchtung und betonten die Bibliotheksatmosphäre. Der Tisch ist aufgeräumt und ich sehe, in ordentlichem Abstand zueinander, drei Laptops mit zusätzlichen Flatscreens. Davor ein paar Bücher.

Ich sehe viele Kirchenfenster mit bunten, schönen Glasmalereien darauf, die nur wenig Licht Einlass gewähren.

Darum die zusätzliche Beleuchtung, verstehe ich. Wir sind an der Außenmauer angelangt, Gate 13 endet hier und ich bin nicht die einzige Mitarbeiterin von Ronan Meusburger. Das ist beruhigend.

Begnadet - Buch 1-2

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