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Aeia - Asklepiosstab

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Mein Herz macht einen Aussetzer, als hinter mir die Tür zu Meusburgers Büro wieder aufspringt und der Professor fast in mich hineinrennt. Ich bin noch völlig in Gedanken und habe keine Ahnung, wie lange ich da eigentlich vor seinem Büro stehe.

»Aeia? Aeia Engel, ich habe da noch eine wichtige Sache vergessen«, sagt er und dann öffnet er seine Hand und ich sehe einen Autoschlüssel. »Ihr neuer Firmenwagen. Jedes Mitglied der Familie erhält ein eigenes Gefährt. Leider habe ich keine Ahnung, wo er geparkt wurde. Ich vermute in der Tiefgarage. Sie werden ihn schon finden«, lächelt er und wirft mir den Schlüssel zu und, Gott sei Dank, ich fange ihn ziemlich cool auf.

Ich bin baff. Ein Firmenwagen? Für eine Studentin, die halbtags an einem Projekt mitarbeitet. Womit habe ich das verdient?

»Was soll ich sagen? Vielen Dank, Herr Meusburger.« Auf dem Weg zu Kyalas Platz betrachte ich den Schlüssel genauer, immer noch ungläubig darüber, dass ich eben einen Firmenwagen erhalten habe. Er sieht modern aus. Es ist kein Drücker oder Knopf zu sehen, geschweige denn so etwas Altmodisches wie einen Bart. Na das kann ja heiter werden.

»Darf ich mich hierhin setzen?«, frage ich Kyala, meine neue, schwarzhaarige Kollegin, als ich neben ihrem Arbeitsplatz an dem riesigen Tisch zum Stehen komme. Vigor sieht mich misstrauisch an. Ich ignoriere ihn, so gut es mir möglich ist. Er hat eine gruselige Aura.

Kyala reagiert nicht, also warte ich erst einmal ab. Kyala riecht überraschend angenehm. Nach einer Pflanze, die als Heilkraut in Spiralgärten vor Klöstern wächst, schätze ich. Ich sehe über ihre Schulter zu, was sie macht. Ihre Finger fliegen, wie bei einem Klavierspieler, über die Tastatur, und ich muss meinen Blick abwenden, damit es mir nicht schwindlig wird. So rasant wechseln sich die Ansichten auf ihren drei Monitoren ab.

»Sie sind ein Computerfreak«, rutscht es mir heraus. »Oh sorry, das tut mir leid. Das sollte keine Beleidigung sein«, schiebe ich gleich hinterher und hoffe, nicht unsympathisch zu wirken.

»Nenn mich einfach Kyala und du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich fasse es tatsächlich als Kompliment auf. Es stimmt, ich bin ein Freak.«

»Ehrlich?«

»Ja, schau mich an, sehe ich etwa normal aus?«

Ich betrachte sie und weiß nicht, wie ich auf ihre Frage reagieren soll, um höflich zu bleiben, um nichts Falsches zu sagen.

»Das kommt ganz darauf an, wie man normal definiert«, antworte ich diplomatisch.

Kyala lächelt mich an und schon wieder spüre ich diese vertraute Wärme, die von ihr zu mir strömt.

»Das hast du nett gesagt. Die meisten finden mich nicht besonders menschlich.«

Sie sagt das so, als bestünde tatsächlich die Möglichkeit, sie könnte etwas anderes als ein Mensch sein.

»Du siehst aus wie ein Homo sapiens, ohne Zweifel. Aber definitiv hebst du dich auch irgendwie von einem Durchschnittsmenschen ab. Aber ich finde dich sympathisch.«

»Danke«, sagt sie und lächelt mich an. Ich hole den einzigen weiteren Bürostuhl im ganzen Raum und schiebe ihn neben Kyala. Setze mich.

Sie blickt auf mein Dekolleté.

»Schöner Talisman. Gefällt mir, was du da um deinen Hals trägst.«

»Ist ein Schutzengel. Den hat mir meine Mutter geschenkt.«

Kyala nickt, sieht mich an und schweigt. Sie schweigt so lange, bis mir die Sprechpause und ihr Blick unangenehm werden und ich die Stille mit meiner Stimme ausfüllen muss.

»Ronan Meusburger meint, du sollst mich einarbeiten. An was für einem Thema arbeitest du denn? Sieht ziemlich kompliziert aus.«

»Asklepiosstab«, sagt sie. Ich muss überlegen, bis meine grauen Zellen ein Ergebnis ausspucken, wo ich diesen Begriff schon einmal gehört habe. Ich habe eine leise Ahnung.

»Du meinst das Zeichen der Apotheker. Diesen Stab, um den sich die Schlange gewickelt hat. Einen Äskulapstab?«

»Ähm nö, ich meine den Asklepiosstab.« Mhm, ich glaube, den Stab konnte man auch anders nennen. Aber wenn ich ihr jedes Wort aus der Nase ziehen muss, dann -

»BLUT!«, schießt plötzlich als Wort aus ihrem Mund. Ich erschrecke und falle fast vom Stuhl. »Das Wasser wird für sieben Tage ungenießbar: Mose und Aaron taten, wie ihnen der Herr befahl, und Mose hob den Stab und schlug ins Wasser, das im Nil war, vor dem Pharao und seinen Großen. Und alles Wasser im Strom wurde zu Blut.«

Ich sehe sie mit großen Augen an. Unfähig zu unterscheiden, ob sie verrückt ist, von einem Dämon besessen oder ob noch etwas anderes mit ihr nicht stimmt.

»Ich spreche von dem Stab, mit dem die Plagen in Ägypten verursacht wurden«, sagt Kyala in einer Art Gebetston, von dem ich eine Gänsehaut kriege. Ich setze mich wieder ordentlich hin, verstehe nicht, was sie mir damit sagen will und dementsprechend groß müssen auch die Falten auf meiner Stirn sein. Ich beschließe, sie erst einmal nicht für irre zu erklären. Kyala geht äußerst verständnisvoll mit meiner Verwirrtheit und Begriffsstutzigkeit um.

»Wir suchen den Stab von Moses. Das, was du hier siehst -«, sie zeigt mit ihrem Finger auf den linken Monitor. »Das sind geographisch auffällige Muster, die in einem Zusammenhang mit den dramatischen Fähigkeiten stehen könnten, die dieser Stab hat.«

»Dramatische Fähigkeiten«, spreche ich ihr nach wie ein Roboter.

»Schau hier in Australien.« Kyala zeigt mir eine Position auf einer der Landkarten. Über ihrem Finger lese ich ein Wort: Frösche. »Aaron streckte seine Hand mit dem Stab Mose über die Ströme, Kanäle und Sümpfe aus und Frösche kamen über das Land«, murmelt Kyala. »HIER!«, sagt sie und zeigt blitzartig auf den rechten Monitor direkt vor mir. Ich erschrecke wieder und weiche mit dem Bürostuhl zurück. Sie bewegt sich so schnell, dass ich Mühe habe, ihr zu folgen.

Rinderpest, lese ich dort.

»Die Hand des Herrn kam über das Vieh auf dem Felde, über die Pferde, Esel, Kamele, Rinder und Schafe, mit sehr schwerer Pest.«

Meine Blicke huschen über den Bildschirm. Mittlerweile kann ich die Abkürzungen und Glyphen besser unterscheiden. Die Begriffe fliegen an mir vorbei und mir wird ganz komisch, weil mir die Zehn Plagen aus der Zeit meines zurückliegenden Religionsunterrichts noch geläufig sind:

Wasser

Frösche

Stechmücken

Stechfliegen

Viehpest

Geschwüre

Hagel

Heuschrecken

Finsternis

Kindersterben

»Ok, ich verstehe, ihr versucht biblische Überlieferungen, an denen der Stab von Mose beteiligt war, mit Ereignissen von heute in irgendeinen Zusammenhang zu bringen. Aber wozu?«, frage ich.

»Wir stellen die Zusammenhänge her, weil wir ihn suchen.«

»Wen suchen?«

»Den Asklepiosstab natürlich«, sagt Kyala.

»Ihr sucht den Stab von Mose?«

»WIR!«, korrigiert mich Kyala.

»OK, wir. Aber wir sind zu dritt, wie sollen wir ihn finden? Also mal angenommen, es gibt ihn wirklich.«

»Doch nicht nur wir drei.« Kyala muss kichern. »Es sind eine ganze Menge Mitglieder hier bei TREECSS damit beschäftigt. Also im Moment ein gutes Drittel, würde ich behaupten. Wir in Gate 13 gleichen die historischen Überlieferungen mit aktuellen Ereignissen ab und helfen so den anderen Gates. Wenn wir eine Spur haben, dann schicken wir die Außenteams raus und sie suchen den Stab direkt vor Ort.«

Ich kratze mich am Kopf. »Und was passiert dann mit ihm? Also ich meine, falls wir den Stab von Mose tatsächlich finden sollten?«

Kyala sieht mir in die Augen. »Er kommt ins Artefaktenarchiv. Das ist der sicherste Ort, den du dir vorstellen kannst.«

»Ich werde das schon noch alles begreifen«, meine ich. Tatsächlich frage ich mich, ob sie mich nicht auf den Arm nimmt und irgendwann die Katze aus dem Sack lässt. Dass das alles nur ein Scherz ist, den man mit allen Neulingen macht. Aber Kyala lässt keine Katze aus dem Sack.

Das ist kein Scherz -

Sie -

nein, WIR! - suchen tatsächlich den Stab von Mose.

Den Asklepiosstab.

»Was kann ich also tun? Wie sieht der Plan aus? Was ist meine Aufgabe?«, klinke ich mich wieder in das Thema ein.

»Na ja, du schaust erst mal zu.«

»Wie zuschauen?«

Begnadet - Buch 1-2

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